Westminster / Big Ben
London ist hochgradig gefährdet, wenn der Meeresspiegel steigt. (Foto: David Hunt/​Wikimedia Commons)

Die Themse ist über die Ufer getreten, die Straßen sind überschwemmt, Westminister ist nur noch per Boot zu erreichen. Ein eindrückliches Bild. Die Fotomontage basiert auf Projektionen, die die US-Wissenschafts- und Journalisten-Organisation Climate Central im vorigen Jahr für Küstenmetropolen der Welt im Jahr 2100 berechnet hat.

In London würde bereits eine Erderwärmung von zwei Grad, dem Limit aus dem Pariser Klimavertrag, durch den steigenden Meeresspiegel zu einem solchen Ergebnis führen. In anderen Küstenstädten, etwa New York und Rio de Janeiro, wäre die Lage dann noch nicht so dramatisch. Doch eine Erwärmung um vier Grad würde auch diese Megastädte absaufen lassen.

Und so unwahrscheinlich ist das leider nicht. Denn auf ein Temperaturplus zwischen drei und vier Grad liefen die globalen Emissionstrends zumindest bis zur Corona-Krise hinaus. Laut Climate Central wären bei zwei Grad weltweit 130 Millionen Menschen von den unmittelbaren Auswirkungen betroffen, bei vier Grad 760 Millionen.

Eine neue Umfrage unter gut 100 führenden Experten zu dem Thema zeigt, dass das Problem in der Wissenschaft lange unterschätzt wurde. Erschienen ist sie im Fachmagazin Climate and Atmospheric Science.

Nach den jüngsten Erkenntnissen könnte der Meeresspiegel bis 2100 um über einen Meter und bis 2300 sogar mehr als fünf Meter ansteigen, wenn die Menschheit weiter so viel Treibhausgase ausstößt wie bislang. Diese neue Risikoabschätzung basiert auf dem zunehmenden Wissen über die Systeme, die hier mitspielen – also Ozeane, Eismassen und Wasserkreisläufe.

Die Weichen werden jetzt gestellt

Der Weltklimarat IPCC hatte seine Projektionen zum Meeresspiegelanstieg im jüngsten Sonderbericht zu den Ozeanen und Eismassen bereits deutlich angehoben. Die neue Bewertung aber zeigt, dass die Herausforderung noch größer ist als befürchtet – und Gegenmaßnahmen damit noch dringlicher.

Joachim Wille ist Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.

Ein Mitautor der Studie, Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, sagt: "Was wir heute innerhalb weniger Jahrzehnte tun, bestimmt den Meeresspiegelanstieg für viele Jahrhunderte."

Das ist, folgt man Rahmstorf, aber auch eine gute Nachricht. Denn: Die jetzigen Generationen hätten es beim Ausstoß von Treibhausgasen noch selbst in der Hand, wie stark die Risiken für Millionen von Menschen an den Küsten der Welt ansteigen.

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