Vielen Kommunen ist noch nicht klar, was die Wärmeplanung nach sich zieht. (Bild/​Ausschnitt: Pemba Mpimaji/​Wikimedia Commons)

Obwohl im grünen Ländle seit acht Jahren die CDU mitregiert, gilt Baden-Württemberg energiepolitisch teilweise als Vorreiterland, etwa bei der Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung. Im südwestlichen Bundesland gilt für größere Gemeinden schon seit Ende 2020 die Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung, alle anderen Kommunen hatten bis Ende 2023 Wärmepläne vorzulegen.

Die Bundesebene ist deutlich später dran: Da läuft die Frist zur verpflichtenden Wärmeplanung, letztes Jahr von der Ampel beschlossen, für Großstädte bis Mitte 2026 und für kleinere Kommunen bis Mitte 2028.

Da liegt der Gedanke nahe, nach Baden-Württemberg zu schauen, will man erfahren, mit welchen Problemen Kommunen sich bei der Wärmeplanung herumschlagen. Das taten Forscherinnen und Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie der Europa-Universität Flensburg und der TU Berlin.

Die Ergebnisse sind im jüngsten DIW-Wochenbericht nachzulesen. Als größtes Problem bei der Wärmeplanung stellte sich in Baden-Württemberg die fragile Zukunft der Erdgasnetze heraus.

2020 lag der Anteil von Erdgas bei der Gebäudewärme bundesweit bei 45 Prozent. Dafür liegen 522.000 Kilometer Gasverteilnetze im Boden, betrieben von 700 Gasverteilnetzbetreibern.

Diese Infrastruktur wird so, wie sie derzeit ist, ab 2045 eigentlich nicht mehr benötigt, wenn Deutschland klimaneutral sein will. Das geltende Heizungsgesetz erlaubt im Prinzip den Erdgaseinsatz noch bis 2044, aber ein Jahr später soll Schluss sein.

Die Auswertung der Wärmepläne in Baden-Württemberg durch die Forschenden ergab nun, dass die Gasnetze dabei eine Art Tanker sind. "Das Thema Erdgasverteilnetze wird in den bisherigen Wärmeplänen der Kommunen größtenteils umschifft", bilanziert DIW-Energieökonomin Franziska Holz.

Die unangenehme Frage des Gasnetzes nicht aufschieben

Die Kommunen sollten sich aber, rät Holz, dringend mit dem Thema beschäftigen, so unangenehm es auch ist, sonst steuerten sie auf große Probleme zu.

Das Wort "unangenehm" beschreibt die Problemlage noch recht freundlich. Tatsächlich fehlt es derzeit, zeigt die Studie, weitgehend am rechtlichen wie finanziellen Rahmen, um die Gasverteilnetze entweder nach und nach stillzulegen und rückzubauen oder umzuwidmen. Viel mehr Optionen als diese beiden gibt es nicht.

Als eine Möglichkeit sehen die Autorinnen und Autoren den Rückkauf von Gasnetzen durch die Kommunen. Diese hätten dann mehr Einfluss auf die Gasversorgung und könnten die Netze verkleinern.

Doch mit der sogenannten Rekommunalisierung allein wäre die Wärmewende noch nicht geschafft, betont die Studie. Denn es sei bisher kaum möglich, die Netze zu verkleinern. Das Energiewirtschaftsgesetz verlangt, dass bestehende Netze weiter betrieben werden, solange auch nur vereinzelt Haushalte ans Netz angeschlossen sind. Das Problem wurde auch in Klimareporter°-Beiträgen schon diskutiert.

Die Städte und Gemeinden stecken hier zudem in einer wirtschaftlich nicht einfachen Lage. Ob das Gasnetz ihrem Stadtwerk oder einem dritten Unternehmen gehört – die Kommunen profitierten bisher vom Gasgeschäft und finanzieren damit auch andere gemeinschaftliche Aufgaben.

"Auch wir sehen den Zielkonflikt von Kommunen, die bisher gut mit dem Erdgasgeschäft verdienen", erklärt Studienautorin Franziska Holz gegenüber Klimareporter°. "Deswegen finden wir eine Rekommunalisierung auch nicht um jeden Preis empfehlenswert."

Forschungsgruppe plädiert für Unterstützung durch den Bund

Holz räumt ein, dass bei einer Rekommunalisierung die Gemeinde auch alle finanziellen Verpflichtungen sowie mögliche zukünftige Verluste aus dem Erdgasgeschäft – wie zum Beispiel Rückbaukosten – übernehmen würde. Die Studie beschreibe erst einmal diesen Zielkonflikt und empfehle, den Kommunen zu helfen, alternative Einkommensquellen zu eröffnen, betont die DIW-Forscherin.

Einen Vorteil der Rekommunalisierung sieht sie aber auch: Bei starker zivilgesellschaftlicher Kontrolle der kommunalen Entscheidungen könne die Rekommunalisierung dazu führen, dass Klimaschutz Priorität erhält.

Die bisher noch weitgehend unter der politischen Oberfläche laufende Debatte könnte bald an Fahrt gewinnen, falls sich die Prozesse beschleunigen. Das Szenario geht so: Verzichten künftig viele Kunden auf Erdgas, müssen die Netzkosten auf immer weniger Abnehmer umgelegt werden, was wiederum den Brennstoff verteuert, weswegen weitere Gaskunden abspringen – ein sich selbst verstärkender Prozess.

Als Ergebnis einer solchen Entwicklung können sich inzwischen Fachleute vorstellen, dass Kommunen bei der Neuvergabe von Konzessionsverträgen für die Gasnetze gar keine Interessenten mehr finden. Das wertlos gewordene Netz fiele dann quasi automatisch an die Kommune, die darauf sitzen bliebe.

So weit ist es noch nicht. Die DIW-Analyse plädiert aber schon jetzt für deutlich mehr Unterstützung des Bundes für Länder und Kommunen. Speziell müsse die Frage geklärt werden, inwiefern getätigte oder ausstehende Investitionen über den zukünftig kürzeren Lebenszeitraum der Gasverteilnetze abgeschrieben werden können, betont Holz.

Bisher sieht das Energierecht vor, dass die Gasnetzbetreiber die Netze über eine Zeitspanne von 45 bis 55 Jahren abschreiben. Eine vorzeitige Stilllegung führe dann zu nicht gedeckten Investitionskosten und erfordere Wertberichtigungen, stellt die Studie klar.

Mindestens die Anschlussverpflichtung aufheben

Für Volker Kienzlen zeigt die DIW-Untersuchung, dass die Klärung der Frage, wie künftig mit den Gasverteilnetzen umzugehen ist, noch am Anfang steht. "In den Kommunen beginnt die Debatte jetzt erst so langsam", erklärt der Chef der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) gegenüber Klimareporter°.

Noch gebe es keine fertigen Lösungen, sagt Kienzlen. Er habe den Eindruck, dass viele Kommunen die sich abzeichnenden Probleme noch nicht wirklich erkannt haben.

Möglichst schnell solle die Bundesregierung aber die Anschlussverpflichtung aufheben, unterstützt Kienzlen eine Forderung der Studie. Diese zwingt Gasversorger noch immer, neue Gasnutzer anzuschließen, auch wenn möglicherweise schon klar ist, dass Teile des Gasnetzes in einigen Jahren stillgelegt werden sollen.

Entsprechend müssten die Gasversorger auch die Möglichkeit bekommen, einen Liefervertrag zu kündigen, selbstverständlich mit einer angemessenen Frist von zehn bis 15 Jahren, betont Kienzlen.

Den Einsatz von Wasserstoff für die Gebäudeheizung, auf den Gasversorger vielfach noch bauen, hält der Energieagenturchef dagegen für eine Fata Morgana.

 

Auch die Autorengruppe der DIW-Studie sieht Wasserstoff kritisch. "Es gibt auf jeden Fall das Risiko, dass derzeitige Gasverteiler sich darauf verlassen, in Zukunft einfach mit Wasserstoff an derselben Stelle und im selben Umfang weiterzumachen", warnt Franziska Holz.

"Deswegen plädieren wir dafür, dass Gasverteiler ihre Annahmen zur zukünftigen Wasserstoffversorgung in ihrem Versorgungsgebiet transparent machen und damit einer öffentlichen Diskussion und Kontrolle unterwerfen." Diese Transparenz könne zum Beispiel im Rahmen der Dekarbonisierungs- oder Transformationspläne geschehen.

"Leider ist der öffentliche Diskurs über die teilweise sehr hohen Wasserstoff-Erwartungen noch gering", bedauert die Energieökonomin. Dass nachgelagerte Bereiche im Erdgasnetz – und künftig im Wasserstoffnetz – "sehr hohe Bedarfe" anmelden, sei ein Phänomen, das leider immer wieder zu beobachten sei. Hier müsse die Bundesnetzagentur als überwachende Behörde in der Netzplanung möglicherweise korrigierend eingreifen, fordert Franziska Holz.

Anzeige