Im Zuge der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes sind Kommunen seit diesem Jahr auch zur Erarbeitung einer Wärmeplanung für die Gebäude ihrer Bürger verpflichtet. Bisher war es in dem Gesetz allein um deren energetische Effizienz gegangen. Die Ampel-Regierung hat nun die regulatorische Grundlage für die Klimaneutralität der Gebäude umgestellt – auf eine erneuerbare Herkunft der Energieträger, während diejenigen fossiler Herkunft zu verlassen sind.
Heizungen erfordern zu ihrem Betrieb aber sogenannte komplementäre Güter: Nötig sind bei der überwiegenden Zahl von Heizungen Leitungen für Strom, Gas sowie Nah- und Fernwärme – Infrastrukturen also, die sich auf dem Grund und Boden von Kommunen befinden.
Die Kommunen müssen nun Strategien entwickeln, wie die Wärmeversorgung von Gebäuden auf ihrem Gebiet dekarbonisiert werden kann. So ist es im "Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze", kurz Wärmeplanungsgesetz, festgelegt. In aller Regel ist es dabei nicht wirtschaftlich, alle drei Arten von Versorgungsleitungen – also Strom, Gas und leitungsgebundene Wärme – in jeder Straße und für jedes Haus verfügbar zu machen.
Die vom Wärmeplanungsgesetz vorgesehenen Termine sind eng. Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen ihre Wärmeplanung bis Juni 2026 vorlegen, kleinere Städte und Gemeinden bis Juni 2028.
Die Städte sind gegenwärtig dabei, Unternehmen damit zu beauftragen, die aufwändigen Entwürfe für den Wärmeplan zu erarbeiten. Das bedeutet zunächst einmal, das zu beplanende Gebiet für die Jahre 2030, 2035 und 2040 einzuteilen in "voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete" sowie einen Rest, der in der Regel aus Gebieten für die "dezentrale Wärmeversorgung" besteht. Letztere sollen nicht über ein Wärme- oder Gasnetz versorgt werden.
Als Grundlage für die Einteilung in die beiden Gebietsarten verlangt das Gesetz eine vergleichende wirtschaftliche Kalkulation. Die voranschreitende energetische Sanierung der Gebäude ist dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Belegung mit Photovoltaik-Anlagen für eigenerzeugten Strom oder auch für Wärmepumpen.
Kommunale Infrastrukturen vor dem Umbruch
Der nächste Schritt ist die Entscheidung, ob aus den "voraussichtlichen Wärmeversorgungsgebieten" Gebiete werden, die definitiv mit Wärmenetzen, bestehenden und zusätzlich neuen, oder Gasnetzen neuer Art erschlossen werden.
Angenommen, in einer Kommune gibt es bereits ein Wärmenetz oder ein Gasverteilnetz oder beides. Hat sich die Kommune für "ihren" Wärmeplan entschieden, können die jeweiligen Netzbetreiber der Kommune einen Vorschlag unterbreiten, ein beplantes Teilgebiet künftig durch ein Wärmenetz oder ein Wasserstoff-fähiges Gasnetz zu versorgen.
Bewerben können sich aber auch neue Interessenten von außen. Den bisherigen "Platzhirschen" Konkurrenz zu machen, ist sinnvoll, weil es vermutlich viele neu zu erschließende Gebiete geben wird, gerade auch mit Nahwärmeinseln.
Ungeklärt ist hier, wie mit einer möglichen Konkurrenzsituation zwischen den Sparten Gas und Fernwärme innerhalb eines Stadtwerks umzugehen ist.
Ein halbes Jahr haben die Interessenten Zeit, sich darum zu bewerben, bestimmte Gebiete der Stadt zu versorgen. In den großen Städten müssen sie also bis Ende 2026 ihre Angebote vorlegen. Dann dürfte die Diskussion in der kommunalen Öffentlichkeit anheben.
Die mit dem Gebäudeenergiegesetz und dem Wärmeplanungsgesetz eingeleiteten Veränderungen werden in Zukunft die kommunalen Infrastrukturen maßgeblich beeinflussen, vor allem die Gasverteilnetze. Deren Aussichten sind prekär.
Unsichere Zukunft der Gasverteilnetze
Die Gasnetze sind künftig mit "grünem" Wasserstoff zu betreiben. Dessen Herstellung ist hochgradig ineffizient. Von der Ausgangsenergie, dem erneuerbar erzeugten Strom, gehen 30 Prozent verloren, bevor der Wasserstoff mit weiteren Verlusten in der Heizung verbrannt wird.
Die konkurrierende Wärmepumpe hingegen setzt denselben Ökostrom mit einem Wirkungsgrad von mehr als 300 Prozent ein, weil sie zusätzlich die Umgebungswärme nutzt.
Jochen Luhmann
studierte Mathematik, Volkswirtschaftslehre und Philosophie und promovierte in Gebäudeenergieökonomie. Er war zehn Jahre als Chefökonom eines Ingenieurunternehmens und 20 Jahre am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie tätig. Er ist im Beirat der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und dort Mitglied der Studiengruppe Europäische Sicherheit und Frieden.
Bei der Wasserstoffheizung kommen noch die nicht unerheblichen Verluste hinzu, da es bei der überkommenen Verbrennungstechnik bleibt. Insofern scheint es einem Himmelfahrtskommando zu gleichen, wenn Kommunen ihr Erdgasnetz auf Wasserstoff umrüsten wollen, um es als vermeintlichen Vermögenswert zu erhalten.
Gasnetzbetreiber, die sich auf dieses Wagnis einlassen, werden nicht verhindern können, dass Kunden zu der günstigeren Wärmepumpe abwandern. Das erhöht dann für die verbleibenden Gaskunden die Netzumlage, was die Gaspreise erhöht und weitere Kunden forttreibt. Ein Teufelskreis.
Gasnetzbetreiber, die auf Wasserstoff setzen, um ihr Netz nicht abschreiben zu müssen, verlangen deswegen schon heute, dass es künftig einen Anschlusszwang ans Wasserstoffnetz geben muss. Was den Kommunen da an Debatten ins Haus steht, wenn Haushalte sich nicht frei entscheiden können, etwa eine Wärmepumpe einzubauen, lässt sich heute schon gut ausmalen.
Dass die Zukunftsaussichten der heutigen Gasverteilnetze derart unsicher sind, bedeutet im Klartext: Sie werden absehbar nicht mehr genutzt werden und könnten schon heute ihren Wert verlieren.
"Stranded Assets" werden solche Investitionsgüter genannt, die nicht planmäßig "verbraucht" werden, sondern durch Konkurrenz, gegen die sie nicht bestehen können, "obsolet" werden. Das steht offenbar einem Gutteil der Gasverteilnetze auf kommunalem Grund und Boden bevor.
Kommunen in widersprüchlichen Rollen
Aber wer ist dann wirklich betroffen, wenn die Gasverteilnetze an Wert verlieren? Um diese Frage zu beantworten, muss man genauer auf das Verhältnis von Kommune und Gasnetzbetreiber schauen.
Die Kommunen sind zum einen als hoheitliche Instanz dafür zuständig, dass die Wärmeplanung unparteiisch durchgeführt wird, die Angebote der Interessenten, die Gebiete per Wärme- oder Gasnetz versorgen wollen, geprüft werden und dann der Zuschlag allein im Interesse der Bürgerinnen und Bürger erteilt wird.
Die Kommunen haben aber auch selbst wirtschaftliche Interessen. Sie arbeiten mit den jeweiligen Betreibern der Netze eng zusammen. Häufig sind das die Stadtwerke, ein oft über die Sparten Strom, Gas und Wärme integriertes Unternehmen. In aller Regel hält die Kommune auch Anteile an "ihrem" Stadtwerk, ist gelegentlich dessen Alleineigentümer.
Schon diese beiden Funktionen stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Als Stadtwerke-(Mit‑)Eigner dürfte die Kommune das Interesse der Sparten an Bestandssicherung teilen. Schon die sich abzeichnende Tendenz, dass sich die Wärmenetze zulasten der Gasnetze ausdehnen, sorgt für Debatten.
Als hoheitlicher Akteur hingegen müsste der Kommune allein an der günstigen Wärmeversorgung ihrer Einwohner gelegen sein. Unternehmenswert und Betriebsweiterführung sollten eigentlich unerheblich sein.
Überraschende Rolle des Konzessionsvertrags
Es kommt noch ein dritter Faktor hinzu. Die Leitungsnetze, die in der kommunalen Zukunftsplanung miteinander konkurrieren, nutzen zwangsläufig öffentlichen Grund und Boden für ihre Infrastruktur und für den Betrieb.
Welche Bedingungen für Strom- und Gasverteilnetzbetreiber gelten, wenn sie kommunalen Grund nutzen wollen, wird in einem sogenannten Konzessionsvertrag zwischen Kommune und Betreiber festgelegt.
In der Gestaltung der Verträge sind die Beteiligten aber nicht frei, es existiert ein Konzessionsrecht. Danach haben solche Verträge eine Laufzeit von maximal 20 Jahren.
Die kommunale Wärmeplanung deckt perspektivisch die Jahre bis 2040 ab. In diesem Zeitraum steht in den allermeisten Kommunen auch die Neufassung der Konzessionsverträge an.
Solche Verträge regeln zweierlei. Erstens geht es um die Höhe des Entgelts für die eingeräumte Nutzung, die sogenannte Konzessionsabgabe.
Zweitens stehen im Vertrag die Bedingungen für eine Übernahme des Netzes durch einen neuen Betreiber beziehungsweise die Kommune selbst, wenn nach Ende der Laufzeit der Vertrag mit dem bisherigen Netzbetreiber nicht verlängert wird.
Hintergrund ist, dass in Deutschland der jeweilige Netzbetreiber gleichzeitig Eigentümer des Netzes ist. Das gilt auch für die Gas-Verteilnetze, die eine Gesamtlänge von rund 520.000 Kilometern haben.
Die Regel lautet bisher: Wird der Konzessionsvertrag nicht verlängert, hat der neue Betreiber, hilfsweise die Kommune, das Netz zu übernehmen und an den bisherigen Eigentümer den "Ertragswert" zu zahlen.
Der Ertragswert entspricht jedoch nicht dem "Buchwert". Der ergibt sich aus den aufsummierten Anschaffungs-Investitionen abzüglich der Abschreibungen. Und abgeschrieben werden die Netze nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur über rund 60 Jahre. Die Gasverteilnetze in Deutschland sind im Schnitt knapp 30 Jahre, also erst halb so alt. Da ist noch viel an "Buchwert" abzuschreiben.
Der "Ertragswert" ist hingegen definiert als Erwartungswert auf zukünftige Erträge. Stellt aber eine Kommune in ihrer Wärmeplanung rechtsverbindlich fest, dass das Erdgasnetz auf ihrem Gebiet keine Zukunft mehr hat, dann ist dessen Ertragswert null – oder sogar negativ, wegen der in den Konzessionsverträgen festgehaltenen Verpflichtung zum Rückbau des Netzes.
Erhebliche Interessenkonflikte
Die Kommune trifft also mit der Wärmeplanung in ihrer hoheitlichen Funktion Entscheidungen, die ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen wie die Dritter erheblich berühren.
Sofern die Kommune über ihr Stadtwerk Eigentümerin des Netzes ist, würde sie mit einer im wirtschaftlichen Interesse ihrer Bürger getroffenen Anti-Gasnetz-Entscheidung sich selbst wirtschaftlich massiv schädigen.
Ist hingegen ein Dritter Eigentümer des Netzes, so steht der Kommune zwar offen, unbeeinflusst die für ihre Bürger aussichtsreichste Variante der Wärmeversorgung auszuwählen. Sie muss sich dann allerdings auf einen harten Konflikt mit dem Unternehmen einstellen, dessen Netzwert sie auf null gesetzt hat.
Die Kommunen sind bei der Wärmeplanung also erheblichen Interessenkonflikten ausgesetzt, für die sich bislang niemand zuständig fühlt – und das wird auch bis 2026 so bleiben. Das Bundeskartellamt, das wettbewerbsgefährdende Zustände verhindern soll und einen "Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen" verfasst hat, signalisierte bereits, dass es bis dahin nicht tätig werden will.
Angesichts all dessen stellt sich die Frage: Ist wirklich zu erwarten, dass die hoch technisch daherkommenden Berechnungen zu den wirtschaftlichen Aussichten von "voraussichtlichen Wärmeversorgungsgebieten", die in allen größeren Städten gegenwärtig vorgenommen werden, keine Rücksicht auf die Interessen der Kommune nehmen? Oder – falls die Stadtwerke mit der Durchführung betraut wurden – sogar ohne Rücksicht auf eigene Bestandsinteressen erfolgen?
In dieser Konstellation so etwas anzunehmen, wäre doch mehr als blauäugig.