Wie wichtig große Energiespeicher sind, ist vielen Menschen erst in der Energiekrise nach Putins Angriff auf die Ukraine klar geworden. Fast täglich wurde damals über die Füllstände der unterirdischen Erdgasspeicher berichtet, von denen es hierzulande fast 50 Stück gibt.

Diese Speicher – und weitere, neu anzulegende – werden auch in einem zunehmend auf erneuerbaren Energien basierendem System wichtig sein: aber nicht mehr für Erdgas, sondern für Wasserstoff. Dies jetzt schon zu planen, ist wegen der langen Bauzeiten wichtig. Doch hier gibt es noch viel Unklarheit.

 

Wasserstoffspeicher werden laut einer aktuellen Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) künftig in zweifacher Hinsicht eine Schlüsselrolle einnehmen. Das Papier entstand im Auftrag der Förderinitiative Wasserstoff von Unternehmen und Organisationen der deutschen Energiewirtschaft.

Eine Aufgabe der H2-Speicher wird demnach sein, Schwankungen zwischen Stromerzeugung und ‑nachfrage auszugleichen, etwa während der sogenannten Dunkelflaute, in der kein oder nur wenig Sonnen- und Windstrom produziert wird. Ökostrom wird für diesen Fall per Elektrolyse in Form von Wasserstoff quasi gebunkert und bei Bedarf in Gaskraftwerken "rückverstromt".

Die zweite Funktion ist laut dem EWI-Papier die Steigerung der Versorgungssicherheit. Die Speicher wären dann ein Puffer für den Fall, dass Energieimporte zeitweise ausfallen. Wegen des hohen künftigen Wasserstoffbedarfs für die Industrie sowie den Schiffs- und Flugverkehr plant die Bundesregierung, dass künftig ein Großteil aus dem Ausland eingeführt wird, unter anderem aus Nord- und Westafrika sowie Australien.

Salzkavernen bevorzugt

Für die H2-Speicherung unter der Erde gibt es mehrere Möglichkeiten. Diskutiert werden Salz- und Felskavernen sowie erschöpfte Erdgaslagerstätten und Grundwasserleiter, sogenannte Aquifere.

Laut den EWI-Experten eignen sich Salzkavernen, also künstliche Höhlen in Salzformationen, aufgrund ihrer geologischen und physikalisch-chemischen Eigenschaften am besten. Sie könnten schnell "be- und entladen" werden und würden Risiken wie etwa die Verunreinigung des Wasserstoffs minimieren.

Im Salzstock Etzel bei Wilhelmshaven wird seit Jahrzehnten Erdöl und Erdgas eingelagert. (Bild: Storag Etzel)

Grüner Wasserstoff wird bisher kaum hergestellt und genutzt, die Kapazitäten sind erst im Aufbau. Fachleute erwarten, dass in Deutschland bis 2030 ein H2-Speicherbedarf von bis zu drei Terawattstunden besteht und dieser bis 2045, dem Zieldatum für die Klimaneutralität, auf 104 Terawattstunden ansteigen kann.

Zur Einordnung: Die vorhanden Erdgasspeicher haben ein Volumen von zusammen 24 Milliarden Kubikmetern, was rund 270 Terawattstunden entspricht. Allerdings sind die Kapazitäten wegen der deutlich niedrigeren Energiedichte von Wasserstoff gegenüber Erdgas nicht direkt vergleichbar.

Deutschland ist das Land mit dem größten Erdgas-Speichervolumen in der EU. Speicher gibt es praktisch in allen Bundesländern, besonders konzentriert finden sie sich südöstlich von München, in Niedersachsen sowie im Dreiländereck Hessen/​Rheinland-Pfalz/​Baden-Württemberg.

Allgemeinheit soll Mehrkosten tragen

Laut EWI lassen sich Wasserstoffspeicher durch eine Umrüstung bestehender Erdgasspeicher realisieren. Das Potenzial bei Umstellung aller vorhandenen Erdgas-Kavernen wird der Analyse zufolge auf 30 bis 33 Terawattstunden geschätzt. Das werde langfristig aber nicht reichen. Es könne sich "ein Neubau-Bedarf ab spätestens 2040 ergeben", schlussfolgert das EWI.

Insgesamt sieht das Institut hier eine Chance für den Standort Deutschland: "Aufgrund heutiger großer Erdgasspeicherkapazitäten sowie vorteilhafter Salzkavernen-Potenziale hat Deutschland gute Ausgangsbedingungen und könnte in Europa ein zentraler Standort für die Wasserstoff-Speicherung werden."

Wichtig sind dabei natürlich die Kosten. Sie variieren nach der Größe der Kavernen und nach Betriebsweise, also der Zyklenzahl von Befüllung und Entladung.

Konkret: Wird der Wasserstoff sehr häufig vollständig ein- und ausgespeichert, wären es nur 0,45 Euro pro Kilo H2, bei geringer Auslastung aber bis zu 3,50 Euro. Bei erwarteten zukünftigen Wasserstoff-Produktionskosten von drei bis vier Euro pro Kilo, wie sie zuvor in einer weiteren EWI-Analyse ermittelt wurden, kann das also ein relevanter Faktor sein.

 

Das Kölner Institut empfiehlt der Bundesregierung, möglichst schnell Ausbauziele für die H2-Speicherung festzulegen und einen rechtlichen Rahmen für den Neubau von Kavernen zu schaffen, um die nötigen Investitionen abzusichern. Planung und Bau eines Speichers könnten nämlich bis zu zehn Jahre und selbst die Umrüstung einer Erdgas-Anlage fünf Jahre dauern.

Gedanken müsse die Politik sich auch darüber machen, wie ein kostendeckender Betrieb der Speicher möglich wird, sagte EWI-Experte Jan Hendrik Kopp. Sollte sich das Be- und Entladen nicht am Markt refinanzieren lassen, müssten "alternative Finanzierungsmodelle diskutiert werden" – wie etwa eine Vergütung des, so Kopp, "hohen Systemwerts" der Speicher für die gesamte Energieversorgung.

Korrektur um 23:55 Uhr: In der Anfangsfassung war im dritten Absatz eine andere EWI-Analyse verlinkt, wir haben das korrigiert. Auftraggeber ist nicht nur Open Grid Europe, sondern die "Förderinitiative Wasserstoff", in der noch weitere große Unternehmen der deutschen Energiewirtschaft vertreten sind.

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