Seien wir mal ganz technologieoffen: In einem Quartier mit 30 Ein- und Zweifamilienhäusern wollen zehn Haushalte auf Nahwärme umsteigen, zehn ihr Haus sanieren und sich eine Wärmepumpe zulegen – und die letzten zehn ans Wasserstoffnetz angeschlossen werden.
Zumindest die Wasserstoff-Träume können die letzten zehn vorerst begraben. Mit so wenigen Abnehmern ist ein kommunales H2-Netz unbezahlbar.
Aber möglicherweise gibt es im Quartier ein Schulgebäude, das als Verbraucher hinzukäme. Oder in der Nähe ein Gewerbegebiet, wo ein Unternehmen fürs Wohngebiet nutzbare Abwärme erzeugt oder sogar einen Elektrolyseur für grünen Wasserstoff hat und davon gern was abgeben würde.
An dem Punkt käme das "Wärmeplanungsgesetz" ins Spiel. Es sieht vor, dass die Kommunen künftig eine flächendeckende Wärmeplanung für die Gebäude in ihrem Gebiet erstellen. Aus den Plänen soll hervorgehen, wie jedes einzelne Gebäude beheizt wird und wie viel Energie es verbraucht – die Kommunen sollen quasi eine Basis für die Umsetzung der Wärmewende erstellen.
Damit ließen sich wichtige Fragen beantworten: Welche Häuser können eventuell an ein vorhandenes Wärmenetz angeschlossen werden und wo sind neue Netze sinnvoll? Könnten vor Ort Nahwärme oder Geothermie genutzt werden? Stehen in der Region Biogas oder künftig auch Wasserstoff zur Verfügung?
Ziel des Gesetzes sei es, dass Länder und Kommunen die für sie besten Optionen einer künftigen Wärmeversorgung herausfinden und unter Beteiligung von Netzbetreibern vor Ort umsetzen können, erläuterte Bernhard Daldrup von der SPD-Bundestagsfraktion am Mittwoch. Mit entsprechender Förderung und guter kommunaler Abstimmung könne die Wärmeplanung eine enorme Zugkraft für die Wärmewende entwickeln, ist sich der bau- und kommunalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion sicher.
Wärmenetze sollen 2030 schon zur Hälfte klimaneutral sein
Die Bundesregierung misst Wärmenetzen eine große Rolle zu, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. 2030 sollen diese Netze schon zu 50 Prozent klimaneutrale Wärme liefern, was sehr ehrgeizig ist. Hierzulande werden noch 52 Prozent der Wohnungen mit Gas beheizt, erst rund 14 Prozent hängen an der Fernwärme.
Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern sollen schon Ende 2026 mit der Wärmeplanung fertig sein. Orte mit über 10.000 Einwohnern sollen den Plan bis Ende 2028 aufstellen. Kleinere Gemeinden sollen keine Fristen haben.
Hauseigentümer, deren Gebäude sich im Einzugsbereich vorhandener oder künftiger Wärmenetze befinden, können sich so die individuelle Umstellung auf Öko-Heizenergie sparen und dies quasi an den Netzbetreiber delegieren.
Entsprechend hebt SPD-Mann Daldrup eine "bestmögliche" Verzahnung mit dem Gebäudeenergiegesetz hervor. Aus seiner Sicht sollte der Zeitplan des "Heizungsgesetzes" ebenso eingehalten werden wie der für die kommunale Wärmeplanung, damit beide Gesetze ab 2024 Rechtskraft haben.
Bei der Wärmeplanung dürfe keine Zeit verloren gehen, mahnt der Abgeordnete. "Die Menschen brauchen Planungssicherheit für ihren Heizungsaustausch und die Wärmeversorgung."
Wie schon das Gebäudeenergiegesetz sieht sich auch das Gesetz für die Wärmeplanung harten Vorwürfen von Unionspolitikern ausgesetzt. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt wurde in der Bild-Zeitung damit zitiert, Wirtschaftsminister Habeck wolle "die Energie-Stasi einsetzen, um wie in einem Schnüffel-Staat den Menschen in den Heizungskeller zu gucken".
Kein "wildes" Datensammeln
Tatsächlich sollen für jedes Gebäude die jährlichen Endenergieverbräuche der letzten drei Jahre jeweils pro Jahr erfasst werden, sofern es sich um leitungsgebundene Energieträger handelt, also Erdgas oder Fernwärme. Dazu kommen das Baujahr und die Art der Gebäudenutzung.
Dazu sollen aber vor allem bereits vorhandene Daten der Netzbetreiber und Energieversorger genutzt werden. Bundesländer wie Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben bereits entsprechende Gesetze zur kommunalen Wärmplanung verabschiedet, in Nordrhein-Westfalen ist ein solches geplant. An vier dieser fünf Regierungen ist die CDU beteiligt.
Es gehe nicht darum, dass Kommunen "wie wild" neue Daten sammelten, erklärt auch Daldrup. "Im Gegenteil – der Datenschutz muss gewährleistet bleiben", betont er. Nach seinen Angaben liegen die meisten Daten bereits "gebäudescharf" vor.
Verbände reagieren bislang meist positiv auf den Gesetzentwurf. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) findet, die Wärmeplanung eröffne Freiräume für lokale Lösungen. So könne jeder Bürger sehen, ob wirklich nur eine Wärmepumpe mit Anschluss ans Stromnetz in Betracht kommt oder ob es auch andere Möglichkeiten gibt.
Beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) heißt es, der Entwurf stelle einen durchdachten Rahmen für eine bundeseinheitliche und flächendeckende Wärmeplanung dar. Auch der Deutsche Städtetag begrüßt ausdrücklich die Offensive für Wärmenetze, fordert aber von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), den Ausbau finanziell besser zu fördern.
Das erscheint auf jeden Fall notwendig. Schätzungen zufolge könnte allein das Erstellen der Wärmeplanungen die Kommunen mehrere hundert Millionen Euro kosten – und die Kosten für die Umstellung auf klimaneutrale Wärme kann noch niemand seriös beziffern.