Bild: Kristin Rabaschus

Sein schmählicher Abgang muss Alfred Platow schmerzen. Er hatte das Unternehmen Ökoworld zusammen mit einem Kompagnon bereits in den 1970er Jahren gegründet und zu einem der führenden Anbieter nachhaltiger Geldanlagen ausgebaut.

Der Abschiedsgruß des Aufsichtsrats Anfang August fiel dennoch bemerkenswert kühl aus. Aufgrund "unterschiedlicher Vorstellungen über die künftige Entwicklung des Unternehmens" werde der 76-jährige Vorstandsvorsitzende in den Ruhestand versetzt. Per sofort.

Der Aufsichtsrat begründete seinen selbst für Branchenkenner überraschenden Schritt mit einem notwendigen Generationenwechsel. Ein weiterer Grund für den Rauswurf mag Platows rechtlich heikle Ankündigung im Mai gewesen sein, Strafen von Klimaaktivisten zu bezahlen.

Dahinter schwelte allerdings ein grundlegender Konflikt um die zuletzt unbefriedigende Geschäftsentwicklung des grünen Vorzeigeunternehmens. Umsatz und Gewinn waren 2022 eingebrochen.

Kritik gibt es auch an den Produkten von Ökoworld. So sieht das Manager Magazin Platow auf einem "Irrweg". Danach hat der Fonds "Ökoworld Klima" 7,2 Prozent seines Kapitals in "kontroverse" Unternehmensbeteiligungen investiert.

1,2 Prozent des Kapitals seien allein bei Cheniere Energy angelegt. Das Unternehmen aus Texas ist einer der größten Lieferanten von Flüssigerdgas (LNG) weltweit.

Und selbst Platows Klassiker "Oeko Vision Classic" hält 4,1 Prozent seines Kapitals an umstrittenen Unternehmensbeteiligungen, darunter der britische Netzbetreiber National Grid, der LNG-Terminals plant.

Das Magazin greift für seinen Bericht auf ein "Update" des kostenlosen Verbraucherportals Faire Fonds zurück, das die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen Facing Finance und Urgewald veröffentlicht haben. Das Portal durchleuchtet – mit einem gewissen Zeitverzug – die Investments von 2.885 in Deutschland zugelassenen Publikumsfonds.

Während bei herkömmlichen Fonds jeder fünfte Euro "konfliktbelastet" ist, ist es bei ESG-Fonds immerhin noch jeder achte, was 12,5 Prozent entspricht. ESG steht für environmental, social and corporate governance, zu Deutsch Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Am Durchschnitt der ESG-Fonds gemessen, schneiden Platows Fonds also besser ab. 

Positiv, negativ oder doch Atomstrom?

Die Crux der ESG-Fonds: Es gibt nach wie vor keine verbindlichen Kriterien, der Begriff der Nachhaltigkeit ist geradezu beliebig. So investieren viele ESG-Fonds beispielsweise in Tech-Giganten wie Microsoft, Alphabet (Google), Dell oder Apple.

Schon dies werden nicht alle Anleger gutheißen. Grün-Geld-Fans, die sich von Datenlecks und Marktmacht nicht irritieren lassen, könnten sich immer noch daran stören, dass der weltgrößte Rohstoffkonzern Glencore ein wichtiger Zulieferer der Technologie-Riesen ist.

Für viele ESG-Fonds sind nicht einmal Waffenexporteure und Erdölkonzerne tabu. Sie verfolgen einen Best-in-Class-Ansatz: Investiert wird in die jeweils Branchenbesten, die am wenigsten die Umwelt belasten oder die besten Arbeitsbedingungen bieten. Das kann dann je nach Branche immer noch ein sehr problematisches Unternehmen sein.

Die meisten Fonds setzen allerdings auf sogenannte Positivkriterien. Auch hier entscheidet der persönliche Blickwinkel über den Wert der Nachhaltigkeit. So lässt sich kritisieren, dass auch Wasserkraftwerke oder die Herstellung von Biokraftstoffen ökologisch negative Folgen haben.

Auch bei Negativkriterien scheiden sich die Geister. Bei einer von der Verbraucherzentrale Bremen durchgeführten Untersuchung zu Banken und Investmentfonds wurde ersichtlich, wie unterschiedlich diese angewandt wurden. Auch Toleranzgrenzen wie "fünf Prozent Atomstrom" werden manchmal geduldet.

Die Masse der ESG-Fonds ist ohnehin nur nach Artikel 8 der erst zwei Jahre alten EU‑Offenlegungsverordnung klassifiziert. Deren rechtliche Ansprüche an Nachhaltigkeit sind gering. Für die Anbieter hat dies den Vorteil, dass sie nicht so schnell in den Ruch des "Greenwashings" kommen können.

Wer es grüner möchte, sollte nach einem der wenigen Artikel‑9-Fonds Ausschau halten. Aber auch bei diesen gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.

 

Gerade hier sieht die 1975 in Hilden bei Düsseldorf gegründete Ökoworld AG ihre Stärke. "Unser Nachhaltigkeits-Research kontrolliert die einst freigegebenen Unternehmen immer wieder und schließt auch einst ins Anlageuniversum aufgenommene Unternehmen nach Bedarf und Notwendigkeit wieder aus", erklärt ein Sprecher. Das sei schon vor Monaten bei den vom Manager Magazin kritisierten Beteiligungen geschehen.

Die Stiftung Warentest hat gerade erst ESG-Fonds untersucht. Die Produkte von Ökoworld gehören in Sachen Nachhaltigkeit zu der Handvoll Testsieger. Aber auch sie erreichten nur gut 90 Prozent der möglichen Punktzahl.

Von den weltweit mehr als 90.000 börsennotierten Unternehmen kommen für Ökoworld nur ungefähr 1.500 Unternehmen infrage. Von denen wisse man, so Ökoworld, dass sie die Welt nicht kaputtmachen oder zumindest auf einem glaubwürdigen Ausstiegspfad sind.

Nachhaltigkeit gibt es nun mal nicht von heute auf morgen. Was Pionier Platow trösten dürfte.

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