Grafik: Eine Pflanze wächst aus einem Haufen Geldscheine
Grafik: Kristin Rabaschus

Geboren wurde die Idee aus Angst und Schrecken. Den Grund liefert in den 1960er Jahren die US-amerikanische Luftwaffe: Sie verwüstet mit Bomben und Napalm weite Teile Vietnams.

Aktionäre des amerikanischen Chemiekonzerns Dow Chemical demonstrieren daraufhin gegen die Produktion der Brandwaffe Napalm. Viele Anleger verkaufen ihre Dow-Chemical-Papiere, der Aktienkurs fällt tief. Wir schreiben das Jahr 1968.

Doch mit diesem Börsenfall beginnt der Aufstieg von Finanzprodukten, mit denen Sparer ihr Geld nach moralischen, sozialen oder ökologischen Kriterien anlegen können. Erste Wahl für private Kleinanleger sind "grüne" Aktien- und andere Investmentfonds.

Heute ist dies ein Milliardenmarkt, auch in Deutschland. Und "Grünes Geld" ist längst weit mehr als Solarstrom und Windenergie. Hunderte alternativer Investmentfonds buhlen um das Kapital der meist besserverdienenden Anleger.

Und eine ganze Reihe vergleichsweise junger Banken bietet heute bundesweit oder wie die Kirchenbanken sektoral ihre nachhaltigen Dienste an. Ihre Themenpaletten reichen vom Girokonto über Baufinanzierungen und die Unterstützung ökologischer Bauernhöfe bis zum Vertrieb von Anteilen an global aufgestellten Aktienfonds.

Diese Alternativen bewegen im Kleinen viel Gutes. Als Gegenmacht zur Macht des großen Geldes taugen sie jedoch wenig.

Dass Großbanken hierzulande nicht so ungehemmt agieren können wie etwa in Großbritannien oder Spanien, liegt in der Hauptsache an der Gegenmacht der öffentlichen Sparkassen und der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken.

Dieser Arbeiter- und Bauernstand auf dem bundesdeutschen Finanzmarkt könnte allerdings von den nachhaltig Alternativen noch viel über Anlagekriterien und teilweise auch über Transparenz lernen.

"Ökologie muss auch ökonomisch sein"

Doch allein Gutmenschen wollen die meisten alternativen Akteure denn doch nicht sein. "Ökologie muss auch ökonomisch sein, sonst macht es keinen Sinn", sagt der über siebzigjährige Alfred Platow, Vorstandsvorsitzender der Ökoworld AG und Pionier der Alternativszene.

Die, nach Firmenangaben, weltweit erste ausschließlich nachhaltig investierende Kapitalverwaltungsgesellschaft wurde 1995 – aus rechtlichen Gründen in Luxemburg – gegründet. Ende des vergangenen Jahres verwaltete Ökoworld in seinen Fonds 1,65 Milliarden Euro. Und die Wertentwicklung seiner Fonds in den letzten fünf Jahren gibt Platow mit überdurchschnittlich üppigen 30 bis 80 Prozent an.

Wer so erfolgreich ist, Profit und Politik verbindet, kann sich über einen Mangel an Kritikern nicht beklagen. Immerhin wird Ökoworld-Gründer Platow als überlebender Pionier der Grüngeld-Szene allgemein anerkannt, deren Fokus ansonsten heute vor allem auf Banken wie GLS oder Umweltbank liegt.

Der ehemalige Hausbesetzer, Taz-Unterstützer und Ökobank-Gründer ist seit Jahrzehnten im Geschäft mit nachhaltigen Geldanlagen aktiv. Zusammen mit einem Freund hatte er schon 1975 das kleine linke Versicherungskollektiv "Alfred & Klaus" gegründet. Zielgruppen: ökologisch orientierte Betriebe und Umweltorganisationen.

Aus Alfred & Klaus wurde Versiko und später die Ökoworld AG in Hilden. 1999 ging die Aktiengesellschaft an die Börse. Aktuell bietet der Vermögensberater fünf ethisch-ökologisch ausgerichtete Investmentfonds an. "Wir haben es über die Jahre geschafft, in der stark konventionell beherrschten Bankenwelt als kleine Boutique unsere Duftmarke zu hinterlassen", freut sich Platow.

500 mehr oder weniger nachhaltige Fonds

Heute sind im deutschsprachigen Raum schätzungsweise über 500 mehr oder weniger nachhaltig orientierte Investmentfonds unterwegs. Verbraucher können sich daran beteiligen, indem sie einen Fondsanteil kaufen. Den gibt es oft schon für 50 Euro.

Nachhaltige Investmentfonds
in Deutschland

in Milliarden Euro

2010 6,2
2011 9,9
2012 10,2
2013 12,7
2014 15,5
2015 20,6
2016 23,0
2017 30,1
2018 44,7
2019 63,2
Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlagen

Allerdings werden Aufschläge und Gebühren fällig, sodass sich eigentlich nur größere Beträge auszahlen. Fonds legen das Geld ihrer Kunden dann in Aktien, Anleihen oder sonstige Finanzinstrumente an.

Viele der Grün-Fonds wurden von privaten Banken und Sparkassen aufgelegt. Und die Allianz-Versicherung in München ist heute einer der größten "grünen" Investoren.

Der Grund für diesen Boom ist allerdings nicht allein die gestiegene Nachfrage. So wird beispielsweise der Klimawandel in der Finanzbranche inzwischen als kostspieliges Risiko bewertet und CO2-intensive Geschäftsmodelle oft gemieden.

Gleichzeitig gelten Investitionen etwa in Offshore-Parks als ausgesprochen lukrativ. Abnehmer solcher Fondsprodukte sind dann vor allem institutionelle Investoren wie Pensionsfonds, Versicherer oder Stiftungen. Im Herbst will auch die schwarz-rote Bundesregierung erstmals "grüne" Wertpapiere ausgeben.

Doch auch Privatanleger steigern ihre Investments: im Jahr 2019 von 9,4 auf 18,3 Milliarden Euro, heißt es beim Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), einer Lobbyorganisation, die in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz über 200 institutionelle Mitglieder zählt.

Fonds und andere Anlageprodukte, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien explizit in ihren Anlagebedingungen festschreiben, legten im vergangenen Jahr um rund 23 Prozent zu. Doch die Kriterien der einzelnen Produkte sind höchst unterschiedlich.

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