Grafik: Eine Pflanze wächst aus einem Haufen Geldscheine
Grafik: Kristin Rabaschus

Mit der Riester-Rente sollte auch öko-soziale Nachhaltigkeit in die Altersvorsorge einziehen, versprach die Politik.

Kaum hatte im Mai 2001 der Bundesrat die Rentenreform passieren lassen, legten Versicherungen und Finanzdienstleister los und warben lautstark für erste "Riester-Produkte". Hunderttausende Verträge wurden in wenigen Wochen unterzeichnet – dabei gab es zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch keine zugelassenen Produkte.

Auf diesen Anfangserfolgen blieb die Geldbranche jedoch bis heute sitzen: Von etwa 50 Millionen Berechtigten in Deutschland "riestern" kaum mehr als 16 Millionen.

Um als förderungswürdiges Rentenprodukt zugelassen zu werden, müssen Anbieter und ihre Angebote eine Zertifizierung erfolgreich durchlaufen. Damit setzte die rot-grüne Regierung von Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) einen formalen Mindeststandard.

Wie das Soziale aus der Nachhaltigkeit verschwand

Doch der Mindeststandard ist kein Gütesiegel. Wie in anderen Fällen vertraute das Duo Schröder/​Fischer lieber auf "den Markt". Der Markt würde entscheiden, ob ein Produkt gut oder schlecht ist.

Eingerichtet wurde die zuständige Behörde bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in Bonn. Zum Schutz der Verbraucher hatte die Bundesregierung mit dem Zertifizierungsgesetz einen Elf-Punkte-Katalog festgelegt, den Rentenprodukte erfüllen müssen, damit sie vom Staat bezuschusst werden. Später wurde der Katalog erweitert.

Ganz wichtig: In dem Katalog wurde erstmals festgelegt, dass die Rentenprodukte für die Sparer transparent sein müssen. Im Gesetz hieß es dazu scheinbar eindeutig: Der Anbieter informiert den Vertragspartner über "die Berücksichtigung ethischer, sozialer und ökologischer Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge".

Von transparenten Riester-Produkten hatten sich viele Menschen, Verbände und Gewerkschaften einen kräftigen Schub für sozial ausgerichtete Geldanlagen erhofft. Aber die Bafin ging, mit Rückendeckung aus Regierungskreisen, ihren eigenen Weg und bremste die Reform aus: Sie befreite Banken, Versicherungen und Fonds von der lästigen Pflicht zur alternativen Transparenz.

Damit verschwand die durchaus reizvolle Riestersche Sozial-Idee von der Bildfläche.

Kaum Projekte mit starken Gewerkschaften

Private machten es nicht wirklich besser. Zwar können Verbraucher mittlerweile wohl bei jeder Bank, Sparkasse oder Fondsgesellschaft in Windkraft oder Solarstrom investieren – allerdings kaum in Projekte mit korrekten Löhnen, mit starken Betriebsräten und Gewerkschaften. 

Eine erstmalige, im Juni veröffentlichte Erhebung des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) zu "verantwortlichen" Investments zeigt zwar, dass Finanzdienstleister sogenannte ESG-Risiken bereits in der Breite bei ihren Investments einbeziehen. Sie berücksichtigen also mehr oder weniger Umwelt (environment), Soziales (social) und Führungsqualitäten (governance).

Knapp 70 Prozent der Umfrageteilnehmer haben angegeben, ESG-Integration auf mehr als 80 Prozent aller verwalteten Fonds und teils auch bei anderen Finanzprodukten anzuwenden. Das Volumen solcher verantwortlichen Investments beträgt in Deutschland und Österreich laut FNG mittlerweile rund 1,7 Billionen Euro.

Nun hat sich die Finanzbranche nicht plötzlich grün geärgert. Aber viele Akteure erkennen das betriebswirtschaftliche Risikopotenzial, das beispielsweise in der Verstromung von Kohle liegt oder in korrupten Managern, die Luftbuchungen vornehmen. In den Top Ten der Ausschlusskriterien (siehe Folge 4) geht es denn auch vor allem um Umweltzerstörung, Kernenergie oder Pornografie.

Um gesellschaftlichen Wandel geht es nicht

Immerhin tauchen auch Arbeitsrechte und Menschenrechtsverletzungen an prominenter Stelle auf. Doch auch hierbei geht es typischerweise um eigene Risikominimierung, nicht um gesellschaftlichen Wandel. Feuer in asiatischen Textilfabriken oder Kinder, die Fußbälle umstülpen, können nun einmal für Unternehmen geschäftsschädigend sein.

Schuld am Sozial-Abseits ist auch der Riester-Flop. Dagegen machen in den USA Pensionsfonds mächtig Druck auf Firmen, hohe soziale Kriterien einzuhalten. Hinter solchen Pensionsfonds stehen häufig Kommunen oder Berufsgruppen wie Lehrer, die großen Wert auf Soziales legen. 

Wer in Deutschland mehr möchte als ein wenig Sozial-Beimischung, sollte also nicht nur beim Riestern ganz genau in die Anlageregeln und das Portfolio schauen. Und wer richtig sozial rocken will, sollte die Produkte von grünen Banken einmal unter die Lupe nehmen.

Beispielsweise vertreibt die Triodos Bank Anteile an einem Fonds, der in Anleihen von nachhaltigen Unternehmen investiert, die auch "nach strengen sozialen Gesichtspunkten" ausgewählt werden. Und über die GLS Bank kann Geld in Hospize oder in die Kinder- und Jugendhilfe angelegt werden.

Auch manche Sparkasse oder Volks- und Raiffeisenbank bietet sozial ausgerichtete Produkte oder konventionelle Geldanlagen, deren Erträge örtlichen Sportvereinen, Sozialkaufhäusern oder Altenheimen zugutekommen.

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