Auch neun Jahre nach dem Beschluss der Staaten, weltweit die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, ist der Hunger nach fossiler Energie ungebrochen. In diesem Jahr wird die weltweite Kohlenachfrage um ein Prozent auf fast 8,8 Milliarden Tonnen ansteigen und erreicht damit einen neuen Rekordwert. Das geht aus dem diesjährigen Coal Market Report hervor, den die Internationale Energieagentur IEA vor wenigen Tagen veröffentlicht hat.

Zwar verlangsamt sich das Wachstum bei der Kohlenachfrage damit im Vergleich zu den Vorjahren, aber bis 2027 erwartet die IEA keine Trendwende. So lange werde der Kohleverbrauch auf hohem Niveau stagnieren, schreibt die Organisation.

Damit korrigiert die IEA eine Prognose aus dem vergangenen Jahr. 2023 erwarteten die Analyst:innen der IEA noch, dass der Kohleverbrauch 2024 erstmals sinken könnte. Eingetreten ist das Gegenteil.

Das liegt daran, dass der Kohleverbrauch in mehreren Ländern aufgrund von Wirtschaftswachstum und Bevölkerungsentwicklung stärker angestiegen ist, als die IEA erwartet hatte. Dies war vor allem in Schwellenländern wie China, Indien, Indonesien und Vietnam der Fall.

Weltgrößter Kohlekonsument bleibt China. Ein Drittel der weltweit verbrauchten Kohle wird in chinesischen Kraftwerken verfeuert – obwohl das Land Wind- und Solaranlagen in großem Stil installiert und auch den Bau von Atomkraftwerken vorantreibt.

Allerdings macht China auch Tempo bei der Elektrifizierung von Verkehr und Heizungen, sodass der Stromverbrauch stark wächst. Auch boomende Sektoren wie Rechenzentren lassen den Verbrauch in die Höhe schnellen.

Gebremster Ausstieg in Europa

Den größten Anstieg bei der Kohle-Nachfrage mit über fünf Prozent auf 1,3 Milliarden Tonnen verzeichnete Indien. 2025 wird Indien laut IEA voraussichtlich mehr als doppelt so viel Kohle verbrauchen wie die EU und die USA zusammen.

In etlichen industrialisierten Ländern hat der Verbrauch von Kohle schon vor einigen Jahren seinen Höhepunkt erreicht und sinkt seither. Allerdings verlangsamt sich der Rückgang in Europa und den USA. In der EU sinkt die Nachfrage nach Kohle in diesem Jahr um 16 Prozent, damit wird hier noch ein Zehntel des Strombedarfs durch Kohle gedeckt. Bis 2027 könnte der Anteil der Kohle im Strommix der EU auf sieben Prozent sinken, erwartet die IEA.

Das Land mit dem größten Kohleverbrauch in Europa bleibt die Türkei, die 2023 Deutschland und Polen als größte Verbraucher überholt hatte. Dort steigt der Verbrauch in diesem Jahr um 2,8 Prozent, wird jedoch bis 2027 wieder abnehmen wegen zunehmender Erzeugung aus erneuerbaren Energien und dem Atomkraftwerk Akkuyu, das in der Provinz Mersin im Süden der Türkei gebaut wird und voraussichtlich ab dem kommenden Jahr Strom liefern wird.

In Deutschland sind laut IEA in diesem Jahr 5.800 Megawatt Kohlekraftwerkskapazität vom Markt genommen worden. Mehrere Kraftwerksblöcke in Niederaußem, Neurath und Jänschwalde wurden stillgelegt. Bis 2027 soll die Kapazität um weitere 1.400 Megawatt reduziert werden.

Doch ob der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen bis 2030 zu halten ist, daran gibt es zunehmend Zweifel – auch weil die notwendigen Reservekraftwerke wegen der gescheiterten Regierungskoalition weiter auf sich warten lassen. Kohlekraftwerke könnten erst vom Netz genommen werden, wenn es genügend Alternativen gebe, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Mitte Dezember.

Für Grünen-Parteimitglieder und Umweltschützer ist der Kohleausstieg dagegen nicht verhandelbar. Oberste Priorität müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien haben, forderte Karsten Smid von der Umweltorganisation Greenpeace.