Anfang April veröffentlicht die Deutsche-Bank-Tochter DWS eine Kohlerichtlinie, die es in sich hat. Sie kündigt darin einen sofortigen Stopp von Investitionen in Unternehmen an, die weitere Kohle-Projekte planen. Das gilt für Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Mit anderen Worten: Jedes Unternehmen, das neue Projekte in den Bereichen Kohleabbau, Kohleverstromung oder -infrastruktur plant, ist von diesem Investitionsstopp betroffen. Für den größten deutschen Vermögensverwalter mit 821 Milliarden Euro Finanzkapital hat eine derartige Entscheidung durchaus Gewicht.
Und nicht nur das. Die DWS will komplett aus der Kohle aussteigen. Bis 2030 soll der Ausstieg aus der Branche in allen EU- und OECD-Ländern erfolgen und bis 2040 weltweit.
Nach der Allianz ist die DWS der zweite Vermögensverwalter, der eine so weitreichende Kohlerichtlinie formuliert. Ihre eigene Muttergesellschaft, die Deutsche Bank, überflügelt sie damit ohne Probleme.
Diese hatte selbst im vergangenen März eine neue Richtlinie vorgelegt. Darin fordert die Deutsche Bank von Unternehmen allerdings lediglich "nachvollziehbare Transformationspläne", wenn sie kreditwürdig bleiben wollen. Ein Kohleausstiegsversprechen für 2030, wie es zum Beispiel RWE abgegeben hat, reicht da schon aus.
"Starkes Signal an den Markt"
Auch die DWS bleibt in manchen Punkten unkonkret, findet die Umweltorganisation Urgewald. Der Vermögensverwalter fordert von Kohleunternehmen, die bis 2030 beziehungsweise 2040 "investierbar" bleiben wollen, zwar Transformationspläne innerhalb der nächsten zwei Jahre. Diese Pläne sind aber keine Voraussetzung.
"Doch Kohleausstiegspläne müssen obligatorisch sein. Wenn Unternehmen solche Pläne nicht innerhalb eines Jahres verabschieden, muss ein Divestment erfolgen", fordert Urgewald.
Außerdem will die DWS Unternehmen ausschließen, die mehr als 25 Prozent ihrer Einnahmen mit dem Kohlegeschäft erwirtschaften. Dieser Schwellenwert sei zu hoch, kritisiert Urgewald. Große Energieunternehmen mit diversen Geschäftszweigen wie American Electric Power würden damit nicht herausfallen.
Urgewald fordert deshalb in seiner Global Coal Exit List, zusätzlich zu relativen Schwellenwerten auch absolute Werte zu verwenden. Der Verein empfiehlt, eine Grenze bei zehn Millionen Tonnen Kohle oder 5.000 Megawatt installierter Kraftwerkskapazität zu ziehen.
Grundsätzlich zeigt sich Urgewald jedoch angetan von dem Anti-Kohle-Vorstoß. "Das Signal an den Markt ist stark: Unternehmen, die neue Kohleminen, -kraftwerke oder -infrastruktur entwickeln, sind heute inakzeptable Investitionen, da sie der Klimawissenschaft und einer lebenswerten Zukunft auf diesem Planeten zuwiderlaufen", sagte Urgewald-Finanzexpertin Julia Dubslaff.
Etwas misstrauisch schiebt sie allerdings nach: "Wir werden genau beobachten, wie diese Richtlinie umgesetzt wird, und überprüfen, ob Kohleentwickler wie Glencore oder Mitsubishi tatsächlich keine weitere Unterstützung mehr von der DWS erhalten."
Dafür müsse die DWS regelmäßige Listen mit den ausgeschlossenen Unternehmen veröffentlichen. Nur mit voller Transparenz könne der Vermögensverwalter zeigen, dass die eigenen Richtlinien tatsächlich eingehalten werden, meint Urgewald.
DWS und das Greenwashing
Unbegründet ist das Misstrauen nicht. Zuletzt machte DWS vor allem mit Greenwashing-Skandalen Schlagzeilen.
2021 ermittelte die US-Börsenaufsicht gegen die Fondsgesellschaft wegen des Verdachts auf Etikettenschwindel. Die frühere Chefin der DWS-Nachhaltigkeitsabteilung, Desiree Fixler, hatte der DWS vorgeworfen, den Umfang ihrer nachhaltigen Anlagen überhöht ausgewiesen zu haben.
Derselbe Vorwurf veranlasste im Mai letzten Jahres Staatsanwaltschaft, Finanzaufsicht und Bundeskriminalamt, die Firmensitze von Deutscher Bank und DWS zu durchsuchen. Die Ermittlungen dauern an.
Und erst vor wenigen Wochen kritisierte Greenpeace, dass DWS Vorstandsboni für Greenwashing bezahlen würde und somit "Greenwashing mit System" betreibe. Auslöser war die Vergütung für DWS-Chef Stefan Hoops im vergangenen Geschäftsjahr: 6,8 Millionen Euro.
Dieses auch für Dax-Vorstandsvorsitzende hohe Jahresgehalt war an die Erfüllung von DWS-internen Nachhaltigkeitszielen geknüpft. Dabei handle es sich allerdings um "Pseudo-Nachhaltigkeitsziele", die leicht zu erreichen seien, aber ökologisch wenig Sinn hätten, sagte Mauricio Vargas, Finanz- und Wirtschaftsexperte von Greenpeace.
Die ambitionierte Kohlerichtlinie dürfte deshalb einige Umweltorganisationen überrascht haben. Für Klimaschützer:innen ist sie in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings, so Urgewald, müssten ähnliche Maßnahmen gegen die Expansion von Öl und Gas nun zügig folgen.