Eine Ampel vor dunklem Hintergrund leuchtet gleichzeitig in rot, gelb und grün.
Machen sich die Grünen im Wirtschaftsministerium vor dem EU-Gericht zum Fürsprecher für RWE und Eon statt für die dezentrale Energiewende? (Foto/​Ausschnitt: Francisco Welter-Schultes/​Wikimedia Commons)

Das Bundeskartellamt – ein zahnloser Tiger? Das zeigt sich nicht erst jetzt beim Tankrabatt-Desaster. Auch den vor mehr als drei Jahren vollzogenen Megadeal zwischen den Energieriesen RWE und Eon winkte das Bundeskartellamt mehr oder weniger durch.

Man habe von dem ganzen Deal, teilte die Behörde im Februar 2019 in leicht bedauerndem Ton mit, im Wesentlichen nur die knapp 17-prozentige Beteiligung von RWE an Eon prüfen können. Mit dieser Beteiligung entstünden "keine wettbewerblichen Probleme" bei der Stromerzeugung und dem Erstabsatz von Strom, erklärte der damalige wie heutige Behördenchef Andreas Mundt.

RWE sei zwar der mit Abstand führende Anbieter bei der konventionellen Stromerzeugung in Deutschland, so Mundt weiter. Durch diesen Teil der Transaktion verändere sich die Marktposition des Konzerns aber nur "minimal".

Tatsächlich war der RWE-Eon-Deal alles andere als minimal: Eon erwarb mit der RWE-Tochter Innogy die Stromnetze, den Vertrieb und einige weitere Geschäftsfelder von RWE. Dafür verleibte sich RWE die gesamte Stromerzeugung von Eon ein.

Das Riesengeschäft rief von Anfang an Kritiker und Gegner auf den Plan. RWE werde "von einem marktmächtigen zu einem marktbeherrschenden Unternehmen", zitierte Klimareporter° damals Branchenexperten. Und Eon werde künftig dank seiner mehr als 100 Beteiligungen über 50 Prozent der Strom-Verteilnetze kontrollieren.

In manchen Gebieten, so die Expertenkritik, erziele Eon sogar Anteile am Strommarkt von bis zu 75 Prozent. Dies störte das Bundeskartellamt aber wenig. Die Auswirkungen auf den Stromvertrieb an Endverbraucher habe man gar nicht geprüft, beschied die Behörde damals.

Als schließlich die EU-Kommission im September 2019 dem Deal grünes Licht gab – mit kleinen Auflagen gegenüber Eon –, zogen elf deutsche Stromunternehmen gegen die Brüsseler Genehmigung vors Europäische Gericht. Dieses verhandelt nun laut Gerichtsplan ab heute über die Klage.

"Unsägliche Rolle" des Altmaier-Ministeriums

Schon bei Einreichung der Klage wurden die elf Unternehmen davon überrascht, dass sich in dem Verfahren nicht nur RWE und Eon als sogenannte Streithelfer der EU-Kommission zur Seite stellten, sondern auch die Bundesrepublik Deutschland im Form des Wirtschaftsministeriums.

Damit sei deutlich geworden, welch "unsägliche Rolle" die alte Bundesregierung und besonders der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in diesem Deal gespielt hätten, erinnert Thomas Banning, Vorstandschef des mitklagenden Unternehmens Naturstrom, jetzt in einem Schreiben an den neuen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Dem Mitbegründer von Naturstrom erscheint es als "Unding, dass die Bundesregierung Partei für Konzerne ergreift" und damit den rund 900 städtischen und privaten Energieversorgern im Land verdeutlicht, dass "die Zukunft bei wenigen Großkonzernen gesehen wird".

Die Bundesrepublik solle stattdessen die Kläger unterstützen, schreibt Banning weiter und fordert Habeck auf, die Rolle Deutschlands als Streithelfer sofort zu beenden.

Auch die Berliner Energiejuristin Ines Zenke sieht die Regierungsposition als fragwürdig an. "Indem die Bundesregierung die EU-Kommission als Streithelferin unterstützt, hebt sie ein wettbewerbsrechtliches Thema auf eine politische Ebene", erklärt Zenke gegenüber Klimareporter°. Damit bekenne sich die Regierung zu der Idee "nationaler Champions", verkenne aber, dass dies zulasten einer dezentralen, pluralistischen Energieversorgung gehe.

Zenke betreut für die auf Energierecht spezialisierte Kanzlei Becker, Büttner, Held (BBH) die Klage gegen die EU-Kommission. BBH vertritt insgesamt zehn der elf klagenden Unternehmen.

Zu den Aussichten bei der Verhandlung sagt Zenke: "Ich halte die Freigabe des Deals für falsch und wir haben gute Argumente, die wir dem Europäischen Gericht vortragen." Die geplante Verhandlungsdauer von drei Tagen und die Anwesenheit von fünf statt der üblichen drei Richter zeige, dass das Gericht sich der Komplexität des Falls sehr bewusst sei und für die Aufarbeitung die angemessenen Kapazitäten zur Verfügung stelle.

Heutiger Staatssekretär forderte einst den Rückzug

Zenke wie auch Banning können sich in ihrer Kritik an der helfenden Bundesregierung außerdem auf Habecks Staatssekretär Oliver Krischer berufen.

Krischer hatte im Oktober 2020 – damals als Fraktionsvize der Grünen im Bundestag – Wirtschaftsminister Altmaier aufgefordert, die gerichtliche Unterstützung für Eon und RWE zurückzuziehen. "Wenn Eon und RWE beschlossen haben, sich keine Konkurrenz mehr zu machen, kann der Wirtschaftsminister sie dabei nicht auch noch unterstützen", sagte er einer Nachrichtenagentur.

Wie Krischer heute dazu steht, ist nicht klar. Darauf geht das Wirtschaftsministerium in seiner Antwort auf eine entsprechende Anfrage nicht direkt ein.

Als "ausschlaggebend" für den Streitbeitritt der Bundesregierung bezeichnet das Ministerium, dass in dem Verfahren "grundsätzliche Fragen der Zuständigkeitsverteilung" zwischen der EU-Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden im Bereich der Fusionskontrolle berührt würden.

Des Weiteren weist das Ministerium darauf hin, dass die Bundesregierung der EU-Kommission als Streithelferin beigetreten sei und nicht den Konzernen Eon und RWE. Auch habe die Regierung in ihrem Streithilfe-Schriftsatz dem Gericht aufgezeigt, welche Ermittlungen und Bewertungen das Bundeskartellamt in diesem Verfahren vorgenommen hat.

Nun – dass dabei nicht viel Bedenkliches herauskam, ist bereits bekannt. So lässt sich über das Verfahren mit Fug und Recht sagen, dass die Bundesregierung – nun in Form der Ampel – weiter an der Seite von RWE und Eon steht.

Redaktioneller Hinweis: Naturstrom-Vorstand Oliver Hummel gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.

Anzeige