Der Klimawandel verstärkt Extremwetterereignisse und macht sie häufiger. Das ist durch den Zweig der Klimawissenschaft, der sich Attributionsforschung nennt und das heutige, aufgeheizte Klima mit dem vorindustriellen vergleicht, inzwischen für viele Fälle gut belegt.
Zuletzt konnte dieses Phänomen für die schweren Unwetter nachgewiesen werden, die im September unter anderem Österreich, Polen und Tschechien heimsuchten.
Eine führende Wissenschaftlerin dieser Sparte, Friederike Otto, unterstreicht das nun auch für die verheerenden Überschwemmungen im Osten und Süden Spaniens. Gleichzeitig wächst im Land die Kritik daran, dass die betroffenen Regionen zu spät gewarnt wurden.
Otto leitet die Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA), die vom Zentrum für Umweltpolitik des Imperial College London und weiteren Institutionen getragen wird. Sie sagte, es bestehe "kein Zweifel, dass diese explosionsartigen Regenfälle durch den Klimawandel noch verstärkt wurden".
"Mit jedem Bruchteil eines Grades der Erwärmung durch fossile Brennstoffe kann die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen, was zu stärkeren Regenfällen führt", erläuterte Otto gegenüber dem britischen Science Media Center.
Natürliches Wetterereignis wird verstärkt
Nach Einschätzung des spanischen Wetterdienstes Aemet handelte es sich um ein "historisches Unwetter, eines der drei intensivsten der vergangenen 100 Jahre in Valencia". Teilweise fiel binnen acht Stunden mehr Regen als sonst in einem ganzen Jahr, die Rekordwerte lagen bei 630 Litern pro Quadratmeter.
Auslöser für die extremen Niederschläge war ein natürliches Wetterereignis, das Spanien im Herbst und Winter trifft. Es wird als gota fría (kalter Tropfen) bezeichnet. Kalte Luft fällt dabei auf das noch relativ warme Wasser des Mittelmeers.
In diesem Jahr waren in dem Meer Rekordtemperaturen gemessen worden, ein Hauptgrund übrigens auch für die großen Regenmengen in Mittel- und Osteuropa im September, die von dem Tief "Boris" auf der Zugbahn "Fünf B" – Meteorologen sprechen vom Genua-Tief – nach Norden transportiert wurden.
Bei gota fría steigt die erwärmte, feuchte Luft von der Meeresoberfläche dann schnell auf, was zu hoch aufragenden Wolken führt, die von Windströmungen über das Festland gedrückt werden. Dort entleeren sich die Wolken dann, was zu den großen Regenmengen führt.
Neben höheren Regenmengen – pro Grad Temperaturerhöhung kann die Atmosphäre sieben Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen – spielen möglicherweise auch andere Phänomene eine Rolle. So wird in der Klimaforschung darüber diskutiert, ob eine wärmere Welt die Bewegung der Stürme verlangsamt, was die Menge an Niederschlägen, die sie liefern, am jeweiligen Ort erhöht.
Mitspielen könnte auch, dass heißere Sommer die Strukturen der Böden verändern. Sie würden quasi "gebacken", wie der Geomorphologe Mark Smith von der Universität Leeds in einer Reaktion auf die aktuelle Katastrophe erläuterte. Das könne ihre Fähigkeit reduzieren, Wasser aufzunehmen.
Gewitter-Zugbahnen lassen sich schwer vorhersagen
Die Kritik am Wetterdienst Aemet und an den regionalen Behörden entzündete sich vor allem daran, dass er erst spät vor der Unwetterfront gewarnt und die Niederschlagsmengen unterschätzt habe.
Die Klimaexpertin Karla Zambrano von der Universität Valencia sagte dazu am Mittwoch: "Der Katastrophenschutz schickt uns erst seit gestern Warnungen, obwohl sie schon seit letzter Woche hätten eintreffen müssen, denn es war bekannt, dass es passieren würde." Fachleute hätten ihr das bestätigt. "Dieses Management offenbart große Lücken, die Zivilbevölkerung wird im Stich gelassen."
David Ribó, Energieforscher von der Universitat Politècnica de Valencia, ergänzte, wegen der verspäteten Meldungen hätten sich viele Menschen zu Beginn der heftigen Regenfälle entweder noch auf der Arbeit oder in ihren Autos auf dem Nachhauseweg befunden. "Sie waren ungeschützt, standen während der schlimmsten Fluten im Stau."
Auch dass Aemet "nur" vor Regenmengen bis zu 200 Litern pro Quadratmeter gewarnt hatte, traf auf Kritik. Am Ende waren die Mengen teils mehr als dreimal so hoch. Ursache dafür war, dass sich ein System von mehreren schweren Gewittern gebildet hatte, die sich stundenlang gegenseitig verstärkten.
Zugbahnen von Gewittern lassen sich bisher nur sehr schwer vorhersagen. Es sei "unglaublich schwierig, Warnungen vor heftigen Gewittern herauszugeben, weil der genaue Ort der stärksten Regenfälle oft nicht im Voraus bekannt ist", erläuterte die Hydrometeorologin Linda Speight von der Universität Oxford.
Gewaltige Sturzbäche aus Wasser und Geröll könnten dann in Sekundenschnelle Gebäude zerstören, Straßen wegspülen und Menschen mit sich reißen. Sie seien "nicht zu stoppen".
Redaktioneller Hinweis: Friederike Otto gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.
Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Schock für Spanien und die Welt