Auf durchsichtige Tüten mit Plastikmüll, der schon lange im Meer war, werden Schildchen mit englischen Ländernamen geklebt: Schweden, Deutschland, Argentinien, Italien.
AWI-Biologin Melanie Bergmann verpackt in Spitzbergen gefundenen Meeresmüll aus aller Welt für eine Ausstellung. (Foto: Esther Horvath)

Kunststoff hat schon länger einen schlechten Ruf. Er wurde noch schlechter, als vor ein paar Jahren Bilder der gigantischen Plastikstrudel auf den Weltmeeren erstmals durch die Medien gingen. Der niederländische "Plastikfischer" Boyan Slat machte mit seinem Projekt Furore, die Strudel zu beseitigen.

Inzwischen aber ist klar: Allein mit solchen Aktionen kann man dem Problem nicht beikommen. Nicht nur die größeren, sichtbaren Kunststoffteile, die an Stränden angespült werden oder auf den Ozeanen schwimmen, sind das Problem.

Dramatischer noch wirkt das Mikroplastik, das sich durch Zersetzung des schwimmenden Mülls bildet. Was bisher wenig bekannt ist: Mikroplastik hat auch Folgen fürs Klima.

Die Kunststoffe werden durch physikalische, chemische und biologische Prozesse in feinste, oft nur Mikro- oder Nanometer große Partikel zersetzt, und diese verteilen sie sich dann weltweit in Ökosystemen. Sie sind dann zwar aus den Augen und für die meisten von uns auch aus dem Sinn. Doch die Folgen sind gravierend.

Die Mini-Teilchen geben zum Beispiel fortlaufend Chemikalien ab, die der Umwelt schaden. Und sie verschärfen die Folgen des Klimawandels. Bekannt ist schon, dass Mikroplastik unter Einfluss von Sonnenlicht Treibhausgase wie Methan freisetzt. Nun haben Wissenschaftler ein weiteres Problem offengelegt.

Die Partikel stören in den Ozeanen die "biologische Kohlenstoffpumpe", wie ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) und eines weiteren Helmholtz-Zentrums in einer aktuellen Studie im Fachjournal Science erläutert.

Normalerweise sorgt dieser natürliche Mechanismus dafür, dass Kohlendioxid aus der Atmosphäre von Blaualgen und Phytoplankton in den oberen Schichten der Meere gebunden wird und nach deren Absterben in die Tiefe sinkt.

Das Problem: Das Mikroplastik hemmt deren Wachstum – etwa aufgrund verringerter Nahrungsaufnahme oder stärkerer Wassertrübung. Die Folge: Weniger CO2 aus der Atmosphäre wird gebunden, die globale Erwärmung damit zusätzlich angeheizt.

Plastikmengen nehmen zu

Und die Lage spitzt sich zu. Denn, schlechter Ruf hin oder her, die weltweit produzierten Plastikmengen steigen.

Laut Schätzungen werden jährlich bis zu 23 Millionen Tonnen Kunststoffe in Ozeane, Flüsse und Seen gespült, und bis zu 25 Millionen Tonnen enden irgendwo unkontrolliert an Land. Die Zahlen sind von 2016, neuere gibt es noch nicht.

Die Abfallmengen könnten sich bis 2025 sogar noch verdoppeln, wenn sich nichts ändert im Umgang mit Plastik. Dass Deutschland gemäß EU-Vorschrift ab sofort eine Reihe Einweg-Artikel wie Trinkhalme und Besteck aus Kunststoffen verbietet, ist da ein erster Schritt, aber bei Weitem nicht genug. 

Joachim Wille ist Chefredakteur des Online-Magazins Klimareporter°.

Nur "drastische Maßnahmen" wie die Entwicklung neuer, verträglicher Materialien und ein Plastikmüll-Exportverbot könnten wirklich helfen, meint Studien-Mitautorin Mine Tekman.

"Technologisch gesehen hat das Recycling von Plastik viele Einschränkungen", betont die AWI-Forscherin, die das Meeresmüll-Portal Litterbase mitentwickelt hat.

Solange Länder mit guter Infrastruktur wie Deutschland ihre Kunststoffabfälle dorthin exportieren, wo die Standards schwächer sind, ist die Plastikvermüllung für Tekman weniger ein technisches Problem als ein "politisches und wirtschaftliches".

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