Luftaufnahme eines kleineren Solarparks in Offingen in Bayerisch-Schwaben.
Solarpark im bayerisch-schwäbischen Landkreis Günzburg. (Foto: Andreas Gücklhorn/​Unsplash)

Klimaschutz folgt bislang der Morgen-ist-auch-noch-ein-Tag-Logik. Man beschließt ambitionierte Ziele für die ferne Zukunft, verhält sich in der Gegenwart aber weiterhin so, als hätte man noch alle Zeit der Welt – und verweist bei Kritik darauf, wie ambitioniert die Ziele doch seien, die man sich gesetzt hat.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Ende April zum deutschen Klimaschutzgesetz von 2019 geht das nicht mehr.

Die Große Koalition hatte in ihrem Klimaschutzgesetz einen Großteil der Emissionsminderungslasten, zu denen Deutschland sich verbindlich verpflichtet hat, einfach auf die Zeit nach 2030 verschoben und alles Weitere im Unklaren gelassen.

Das erklärten die Karlsruher Richter für grundgesetzwidrig. Denn die Freiheitsrechte der Jüngeren werden überproportional eingeschränkt, wenn sie später in kurzer Zeit so viel einsparen müssen, dass kaum noch Gestaltungsspielräume bleiben. Die heutige Planung muss das berücksichtigen.

Bekanntlich hat die Groko rasch nachgebessert. Klimaneutralität soll nun schon 2045 erreicht werden, und es gibt Zwischenziele für die kommenden Jahrzehnte. Bis 2030 sollen 65 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber 1990 eingespart sein, bis 2040 schließlich 88 Prozent.

Wie dies geschehen soll, hat die scheidende Bundesregierung offengelassen. Klar ist aber: In jedem Fall müssen die erneuerbaren Energien, die in den Jahren unter Kanzlerin Angela Merkel stark ausgebremst wurden, massiv ausgebaut werden, schon allein, damit die gern genannten Rezepte auf dem Weg zur Klimaneutralität wie E-Mobilität, Wasserstoff, Digitalisierung überhaupt zum Klimaschutz beitragen können.

Wie also stehen die Parteien zum Ausbau der Erneuerbaren? Wie gewichten sie das Thema? Was versprechen sie in ihren Wahlprogrammen?

SPD

Gewichtung: Auf 66 Seiten Wahlprogramm kommt der Begriff Erneuerbare 14-mal vor. Das ist nicht extrem wenig, aber auch kein sehr hoher Wert.

Inhalt: Die SPD will die 2020er Jahre zu einem "Jahrzehnt der erneuerbaren Energien" machen. Der Ausbau soll "entschlossen" und "massiv" sein und das "Herzstück unserer Klimaschutz- und Energiepolitik" bilden. Bis 2040 soll der Strombedarf, der laut Programm deutlich steigen wird, vollständig erneuerbar gedeckt werden.

Konkrete Angaben zu den geplanten Ausbaumengen gibt es im SPD-Wahlprogramm nicht.

CDU CSU

Gewichtung: Auf 140 Seiten Wahlprogramm kommt der Begriff Erneuerbare nur neunmal vor. Das ist sehr wenig und spricht dafür, dass dies kein Herzensthema der Union ist.

Inhalt: CDU und CSU wollen den Ausbau der Erneuerbaren "entscheidend" und "deutlich schneller" voranbringen. Neben der Energiegewinnung aus Sonne und Wind werden explizit auch "nachhaltige Biomasse, Wasserkraft und Geothermie im ländlichen Raum" genannt. Das Repowering von Anlagen soll gefördert werden.

Viele Formulierungen wirken defensiv, etwa wenn die Akzeptanz der Bevölkerung als ebenso entscheidend bezeichnet wird wie Planungssicherheit und wenig Bürokratie. Oder wenn es heißt: "Wir wollen, dass beim Bau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen der Landwirtschaft keine zusätzlichen Flächen für naturschutzrechtlichen Ausgleich entzogen werden, wenn Mindestkriterien für Naturschutz und biologische Vielfalt auf der Anlagenfläche erfüllt werden."

Konkrete Angaben zu den geplanten Ausbaumengen gibt es im Wahlprogramm von CDU und CSU nicht.

Bündnis 90/Die Grünen

Gewichtung: Auf 272 Seiten Wahlprogramm kommt der Begriff Erneuerbare 42-mal vor. Der Wert ist hoch, relativiert sich aber, wenn man die hohe Seitenanzahl berücksichtigt.

Inhalt: Die Grünen wollen eine "massive Ausbauoffensive für die Erneuerbaren, die so schnell wie möglich umgesetzt wird". Bestehende Ausbauhemmnisse sollen naturverträglich und "zugunsten der Bürger:innen" beseitigt werden.

Genannt wird in dem Zusammenhang auch eine "umfassende Steuer- und Abgabenreform", die dafür sorgen soll, dass "die Sektorenkopplung vorankommt und Strom zu verlässlichen und wettbewerbsfähigen Preisen vorhanden ist". Auch eine Änderung des Energiemarktdesigns wird angekündigt, "sodass erneuerbarer Strom nicht länger ausgebremst wird". 

Beim geplanten Ausbau machen die Grünen konkrete Angaben. Bei Windkraft an Land soll es ab sofort einen jährlichen Zubau von mindestens 5.000 bis 6.000 Megawatt geben, ab Mitte der 2020er Jahre von 7.000 bis 8.000 Megawatt. Bei Wind auf See werden 35.000 Megawatt bis 2035 angestrebt. Im Bereich Solarenergie soll der Ausbau von zunächst 10.000 bis 12.000 Megawatt ab Mitte der 20er Jahre auf 18.000 bis 20.000 Megawatt im Jahr steigen.

FDP

Gewichtung: Auf 68 Seiten Wahlprogramm kommt der Begriff Erneuerbare 14-mal vor. Das entspricht dem Wert bei der SPD.

Inhalt: Ein direktes Plädoyer für einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren formuliert die FDP in ihrem Wahlprogramm nicht.

Hauptanliegen ist vielmehr ein marktwirtschaftlicher Ausbau. Die FDP will die Erneuerbaren "vollständig in den Wettbewerb überführen und die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beenden".

Die Eigenversorgung mit erneuerbarem Strom und die marktwirtschaftliche Nutzung von Strom aus Altanlagen, die aus der 20-jährigen EEG-Förderung fallen, sollen vereinfacht werden.

Konkrete Angaben zu geplanten Zubaumengen gibt es im Wahlprogramm der FDP nicht. Vielmehr heißt es: "Gesetzlich vorgegebene Ausbaupfade für einzelne Technologien und staatlich garantierte Abnahmepreise lehnen wir ab."

Die Linke

Gewichtung: Auf 168 Seiten Wahlprogramm kommt der Begriff Erneuerbare 21-mal vor. Das ist ein hoher Wert, auch in Relation zur hohen Seitenanzahl.

Inhalt: Schon 2035 sollen erneuerbare Energien "das System der fossilen Energien ersetzen". Dabei zielt die Linke nicht nur auf den Stromverbrauch – der gesamte Energieverbrauch soll so schnell wie möglich umgestellt werden.

Für das EEG strebt die Linke eine strukturelle Reform an. Sie will die Energiekonzerne entmachten und auf Gemeinwohl-Orientierung umstellen. Ausschreibungssysteme für Bürgerenergieprojekte bis 18 Megawatt oder fünf Anlagen werden abgelehnt.

Auch die Linke macht beim geplanten Ausbau konkrete Angaben. Er soll "in der nächsten Legislaturperiode und in den Folgejahren stetig gesteigert werden". Bis 2025 sollen pro Jahr mindestens 10.000 Megawatt Solarenergie sowie 7.000 Megawatt Windkraft an Land und 2.000 Megawatt auf See installiert werden.

afd

Gewichtung: Auf 210 Seiten Wahlprogramm kommt der Begriff Erneuerbare nur fünfmal vor, und wenn, dann in distanzierenden Anführungszeichen. Der sehr niedrige Wert spricht für sich.

Inhalt: Die AfD, die den menschengemachten Klimawandel leugnet, will den Ausbau von erneuerbaren Energien einschränken. Die Forderung steht in dem sehr umfangreichen Wahlprogramm an allerletzter Stelle.

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