Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrates erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Matthias Willenbacher, Geschäftsführer der Plattform für nachhaltiges Investieren Wiwin.
Klimareporter°: Herr Willenbacher, am Freitag verkündete die Ampel-Koalition ihre Einigung beim Bundeshaushalt für 2025. Wie finden Sie die Lösung des Haushaltsstreits?
Matthias Willenbacher: Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die Ampel-Koalition auf einen Haushalt geeinigt hat. Offensichtlich hat die düstere Weltlage parteipolitische Profilierungsgelüste zumindest teilweise gezähmt.
Wenn ich die wenigen Details und politischen Beschlüsse zusammennehme, die bisher bekannt sind, bleiben bei Klima-, Sozial- und Sicherheitspolitik die großen Katastrophen aus.
Die EEG-Förderung in den Kernhaushalt des Bundes zu verschieben, kann als klares Bekenntnis zur Investitionssicherheit bei den Erneuerbaren gelesen werden. Das zeitweilige Aussetzen der EEG-Förderung bei negativen Börsenstrompreisen war zu erwarten. Es wird den Druck auf Reformen im Bereich Flexibilität dramatisch erhöhen.
Klar ist aber auch: Weder hinsichtlich des Zustandekommens noch hinsichtlich der Investitionsnotwendigkeiten für eine ökologisch-soziale Wende kann diese Einigung ein Vorbild für die kommenden Jahre sein.
Was wir brauchen, ist ein starker, intelligenter und klug investierender Staat – sowohl im Sozialbereich als auch im Bereich Klimaschutz. Dafür muss eine Lösung jenseits der Schuldenbremse gefunden werden. Das sehen eigentlich alle Wirtschaftsexperten und ‑expertinnen genauso.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam und das Netzwerk Steuergerechtigkeit fordern die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Das soll Mittel für sozialen Zusammenhalt und den Klimaschutz einbringen. Vorgesehen sind persönliche Freibeträge von zwei Millionen Euro. Damit würde wahrscheinlich nur das reichste eine Prozent der Bevölkerung belastet. Wären Sie für eine erneute Vermögenssteuer?
Ja, Menschen mit sehr großem Vermögen müssen ihren Beitrag zu unseren staatlich finanzierten Infrastrukturen leisten.
Das Vermögen in der Welt und insbesondere in Deutschland ist sehr ungleich verteilt. Ein zu stark ungleich verteiltes Vermögen gefährdet aber die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt.
Die marode Infrastruktur trifft auf die eine oder andere Art jede und jeden. Und allen ist klar, dass investiert werden muss.
Entsteht aber bei den Menschen der Eindruck, dass sie selbst kaum die nötigen Investitionen im privaten Bereich aufbringen können und auch noch für das große Ganze zahlen müssen, während die Vermögenden sich einen schlanken Fuß machen, wird das zu Recht als ungerecht empfunden.
Für Rechtspopulisten ist es ein Leichtes, diese Schieflage für sich zu instrumentalisieren.
Eine intelligent gestaltete Vermögenssteuer wäre ein guter Weg, um diesen Angriffspunkt zu entschärfen und dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen wieder mehr zu entsprechen.
Wie gesagt, der Staat muss klug und intelligent investieren und die dafür erforderlichen Investitionsmittel ebenso klug und intelligent organisieren. Das betrifft zum Beispiel das Justizsystem, den öffentlichen Nahverkehr, das Bildungssystem, Schwimmbäder, Radwege, Straßen und einiges mehr.
Dass vieles davon erneuert werden muss, wissen nun wirklich alle. Der jährliche Investitionsbedarf liegt im mittleren dreistelligen Milliardenbereich. Das muss und kann nicht alles von staatlicher Seite finanziert oder abgesichert werden, ein Großteil davon aber schon.
Vor diesem Hintergrund wie Finanzminister Lindner zu sagen, der Staat müsse seine Mittel nur anders ausgeben, ist mindestens kurzsichtig – wenn nicht gar unverantwortlich. Zynisch wird es, wenn die FDP Kürzungen vor allem im sozialen Bereich vorschlägt.
Gleichzeitig werden in der Debatte über die Vermögenssteuer seit 1996, also seit fast 30 Jahren, die immer gleichen Gegenargumente gebracht: Steuerflucht würde angeheizt, der Mittelstand gefährdet und die Erhebung wäre unverhältnismäßig teuer. Dass es seitdem mitunter andere internationale Steuervereinbarungen und Meldepflichten gibt, die Digitalisierung vieler Verfahren eingeführt und die Grundsteuer umfassend novelliert wurde, hat an der Argumentation gegen die Vermögenssteuer bisher nichts verändert.
Einen vielversprechenden Ansatz für eine internationale Superreichen-Steuer hat der französische Ökonom Gabriel Zucman im Auftrag des brasilianischen Finanzministers Fernando Haddad entwickelt.
Im Kern sollen danach die Vermögen der aktuell 3.000 Milliardäre auf der Welt mit zwei Prozent besteuert werden. Die Steuereinnahmen beliefen sich dann auf 250 Milliarden US-Dollar. Zucman zufolge ist die Umsetzung heute technisch machbar.
Diesen Vorschlag sollte die Bundesregierung und insbesondere das Finanzministerium unterstützen und nicht bei jedem Problem, das sich bei der konkreten Umsetzung stellt, sofort sagen, das gehe nicht. Wenn es den politischen Willen gäbe, würde man eine Lösung finden.
Bis dahin sollten sich Vermögende ein Beispiel an der österreichischen Millionenerbin Marlene Engelhorn nehmen, die 25 Millionen Euro ihres Erbes verschenkt hat.
Die Entscheidung, wie das Geld in Österreich verteilt werden soll, hat sie dabei dem "Guten Rat für Rückverteilung" überlassen. In diesem Bürgerrat haben sich 50 zufällig, aber repräsentativ ausgewählte Personen mit wissenschaftlicher und organisatorischer Unterstützung an sechs Wochenenden überlegt, welche Institutionen wie viel von dem Geld erhalten sollen.
Auch ein Engagement bei der Initiative Taxmenow, wo Vermögende für eine gerechte Besteuerung großer Vermögen eintreten, kann nicht schaden.
Um eine stabile Rente zu garantieren, will die Bundesregierung Milliarden in Aktien investieren. Bisher fehlt dabei eine nachhaltige Anlagestrategie. Andere Staatsfonds stecken seit Jahren Geld in fossile Industrien. Lässt sich staatliche Altersvorsorge überhaupt mit nachhaltigen Geldanlagen umsetzen?
Ja, sicher geht das. Es ist ja nicht so, dass es keine Aktienfonds mit strengen Nachhaltigkeitskriterien gäbe. Kleiner Werbeblock: Mein Unternehmen Wiwin hat auch einen aufgelegt.
Die dafür nötige Unternehmensanalyse und -bewertung ist zwar ein Haufen Arbeit, aber es lohnt sich. Die Performance eines solchen Fonds ist nicht schlechter als bei anderen vergleichbaren Fonds, die keine Nachhaltigkeitskriterien beachten. Und für einen Staatsfond sollte das überhaupt kein Problem sein.
Aber es gibt noch andere Möglichkeiten für den Staat, eine langfristig garantierte, sichere Rendite zu erwirtschaften. Im Zusammenhang mit dem fürs Erste abgesagten Kauf des niederländischen Übertragungsnetzbetreibers Tennet sagte der FDP-Energiepolitiker Lukas Köhler: "Gerade Investitionen in Übertragungsnetze können über lange Zeiträume eine sichere Rendite bei geringem Risiko bieten."
Köhler erwähnte das zwar mit dem Hintergedanken, dass private Investoren Tennet übernehmen sollen. Richtig ist der Satz aber trotzdem.
Mit dem Kauf von Tennet könnte der Staat entweder selbst langfristig sichere Einkünfte erzielen und mit der Rendite zum Beispiel die Rente mitfinanzieren.
Oder er könnte Großinvestoren wie Pensionsfonds eine sichere Geldanlage bieten für die Altersvorsorge vieler Menschen.
Eine weitere Möglichkeit wäre, Menschen mit wenig Geld auf einem eleganteren Weg eine sichere Investition in die eigene Rente zu ermöglichen.
Nachhaltiges Investment ist also möglich, man muss es nur wollen und darf keine Angst vor intelligenten Lösungen haben.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Das Thema Wasserstoff und Gebäudewärme wird spätestens seit dem letzten Sommer kontrovers diskutiert. Der Schar jener, die mit guten wissenschaftlichen Argumenten gegen die Verbrennung von H2 in den Gasthermen des Landes votieren, steht eine Front der Gas- und Stadtwerkewirtschaft gegenüber, die im Wasserstoff die Rettung für ihre Gasverteilnetze sehen. Im Ergebnis führt das zu Verwirrung und Verzögerung bei der Wärmewende in den Kommunen.
Nun gibt es endlich einen offiziellen "Leitfaden Wärmeplanung", herausgeben von Bundeswirtschafts- und Bundesbauministerium.
In dem Leitfaden wird erstmals konkret auf wissenschaftlicher Basis dargestellt, wie die Kommunen die Wärmeplanung methodisch sinnvoll angehen können. Beteiligt daran waren zahlreiche namhafte Forschungs- und Beratungsinstitute.
Auch das Thema Wasserstoff wird nüchtern aufgearbeitet. Ganz anders, als es die Wasserstoff-Lobby will, liegt nach dem Leitfaden der Haupteinsatzbereich von Wasserstoff in der Wärme: nämlich in der Nutzung der unvermeidlichen Abwärme von Wasserstoff-Elektrolyseuren.
Den Mythos, das Erdgas in der Leitung könne einfach durch grünes H2 ersetzt werden, so elegant zu entzaubern – das muss man erst einmal schaffen.
Wenn die Politik nicht auf Gesetzesebene für Klarheit sorgt, machen das eben die Beratenden.
Fragen: Jörg Staude