Viele Straßen und Brücken sind marode, die Digitalisierung im Bildungswesen braucht einen Schub, Klimaschutz und Klimaanpassung erfordern milliardenschwere Investitionen: Deutschland leidet unter einem gewaltigen Investitionsstau.

Gleichzeitig will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) umfangreiche Einsparungen im Haushalt 2025 von über 20 Milliarden Euro durchsetzen, was unter anderem auf Kosten solcher Zukunftsinvestitionen sowie der Entwicklungshilfe und des Sozialetats gehen dürfte.

 

Die Entwicklungsorganisation Oxfam und die NGO Netzwerk Steuergerechtigkeit dringen demgegenüber auf Einnahmeverbesserungen des Staates durch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, die rund 30 Milliarden Euro im Jahr erbringen könnte.

Vermögen der Superreichen stark gewachsen

Bis zum Jahr 1996 gab es in Deutschland eine Vermögenssteuer, sie betrug ein Prozent. Das Bundesverfassungsgericht hatte sie in der damaligen Form für verfassungswidrig erklärt, insbesondere, weil die dafür zugrunde gelegten Immobilienwerte nicht aktuell waren. Die Steuer ist seither ausgesetzt.

In der Ampel-Regierung sind SPD und Grüne für eine Wiedereinführung, die FDP ist dagegen. Die Vorschläge zur Wiedererhebung sehen zumeist persönliche Freibeträge in Höhe von zwei Millionen Euro vor. Die Folge wäre, dass etwa nur das reichste eine Prozent der Bevölkerung belastet würde.

Ein in festliches Schwarz gekleidetes Paar im jüngeren bis mittleren Alter sitzt in einem Luxus-Cabrio. Der Mann, hinter dem Lenkrad, macht eine Okay-Handbewegung, er trägt eine teure Uhr.
Eine Vermögenssteuer wird in mehreren Staaten erhoben, in Deutschland wurde sie 1997 "ausgesetzt". (Bild: Sergio Gaudi/​Shutterstock)

Laut einer neuen Studie der beiden Organisationen erbrachte die Vermögenssteuer 1996 dem Staat Einnahmen von 4,6 Milliarden Euro. Oxfam und das Netzwerk rechnen vor: Hätten sich die Steuereinnahmen wie im Schnitt der letzten Jahre vor der Aussetzung der Steuer weiterentwickelt, wären die jährlichen Einnahmen bis 2023 auf etwa 30 Milliarden Euro gestiegen.

Insgesamt wären so in den 26 Jahren nach dieser Rechnung "mindestens 380 Milliarden Euro" zusammengekommen. Das entspräche knapp 80 Prozent des Bundeshaushalts 2024, der 477 Milliarden Euro beträgt.

Die beiden NGOs verweisen gleichzeitig darauf, dass das Vermögen der Superreichen hierzulande in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich angewachsen ist. Als Beleg verweisen sie auf die Liste der 500 reichsten Deutschen des Manager Magazins.

Danach summierten sich die hundert größten deutschen Vermögen 2001, als die Liste erstmals erschien, auf rund 263 Milliarden Euro, 2023 waren es bereits 720 Milliarden. Und während es 2001 hierzulande 69 Milliardäre und Milliardärinnen mit einem Gesamtvermögen von 243 Milliarden Euro gab, stieg ihre Zahl laut dem Magazin bis 2023 auf 226 mit zusammen 920 Milliarden Euro.

"Drohende Steuerflucht ist kein Argument"

Ein Argument gegen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die dann angeblich drohende Steuerflucht von Superreichen, glauben die beiden Organisationen ausräumen zu können. Deutschland habe in den letzten Jahrzehnten "umfassende und international vorbildliche Regeln" etabliert, die Steuerflucht massiv erschwerten, wenn nicht sogar unmöglich machten, argumentieren sie.

Sie verweisen dabei auf die sogenannte Wegzugsteuer im Außensteuergesetz und die Besteuerung von Unternehmensverlagerungen ins Ausland. Eine Vermögenssteuer zum Abbau der demokratiegefährdenden Vermögenskonzentration sei daher "nicht nur möglich, sondern auch dringend geboten". Die Studie heißt denn auch: "Keine Angst vor Steuerflucht!".

"Der Kampf gegen Steuerflucht ist vor allem eine Frage des politischen Willens", betonte Manuel Schmitt von Oxfam. "Anstatt im Bundeshaushalt zum Kahlschlag unter anderem bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei Sozialausgaben anzusetzen, sollte die Bundesregierung die Besteuerung sehr hoher Vermögen endlich auf die Tagesordnung setzen."

Damit könnten eine demokratiegefährdende Vermögenskonzentration verringert und dringend benötigte finanzielle Mittel für den sozialen Zusammenhalt und den Klimaschutz aufgebracht werden.

 

Unterdessen haben 16 Verbände aus der Zivilgesellschaft in einem offenen Brief vor den angekündigten Kürzungen im Etat für 2025 gewarnt. Sie fordern eine Kurskorrektur in der Finanz- und Haushaltspolitik, die die aktuellen nationalen und internationalen Herausforderungen anerkennt, den sozialen Zusammenhalt stärkt und "mutig in die Zukunft investiert".

Unterzeichnet haben die Dachverbände DGB, Mieterbund, Paritätischer Gesamtverband, Naturschutzring, Kulturrat sowie weitere Umwelt- und Sozialverbände.

In dem Brief, der an Lindner sowie Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (SPD) ging, heißt es: "Lassen Sie nicht länger zu, dass notwendige Investitionen in Klimaschutz, die soziale Sicherung, Demokratieförderung oder zur Sanierung der öffentlichen Infrastruktur gegeneinander ausgespielt werden".

Anstatt Ausgaben zu kürzen, müssten sie "die Handlungsfähigkeit unseres Staates erhalten".