Bundestag
Sozial-ökologische Transformation mit einer schwarz-grünen Bundesregierung? (Foto: Marc-Steffen Unger/Deutscher Bundestag)

Es ist relativ einfach, in unserer Zeit der schnellen Urteile schon gar, eine waidwunde SPD, die mit Hartz IV ihr politisches Profil verloren hat, abzumeiern. Da nützt es ihr wenig, dass sie in der schwächelnden Bundesregierung noch die treibende Kraft ist.

In unserer Zeit tiefer Umbrüche und aufkommender alter und neuer nationalistischer Bewegungen kann der Maßstab nicht die ewig zaudernde Kanzlerin, der überforderte Wirtschaftsminister, die gestrige Landwirtschaftsministerin oder ein als Verkehrsminister getarnter Autonarr sein. Da hilft der in diesem Dunkel ab und zu aufblitzende Entwicklungsminister auch nichts. Es geht um mehr, um sehr viel mehr.

Die schwarz-rote Bundesregierung erfüllt nicht das, was heute von der Politik erwartet werden muss. Unzufriedenheit wächst, denn wir sind schon längst mit mehr als einem Bein in einer neuen Epoche, die eine soziale und ökologische Gestaltung der Transformation notwendig macht.

Weil das nicht passiert, wächst die Mischung aus Unsicherheit, Enttäuschung und Entpolitisierung. Das schlägt in erster Linie auf die SPD zurück, weil man von ihr mehr erwartet und auch mehr erwarten muss als das, was heute auf der politischen Bühne geschieht.

Die Gestaltungs- und Verteilungsfrage stellen

Auf ihrem jüngsten Parteitag versuchte die SPD nicht nur mit einem neuen Führungsduo, sondern auch mit einer Positionierung zum Sozialstaat und zur Klima- und Umweltpolitik den Weg in eine "neue Zeit" zu finden.

Zum einen will sie an dem sozialen Umbau anknüpfen, zum anderen hebt sie als erste Partei hervor, dass wir heute im Anthropozän leben, also in einer neuen Erdepoche, in der die ökologischen Grenzen des Wachstums immer deutlicher sichtbar werden.

Michael Müller

ist Bundes­vorsitzender der Natur­freunde Deutsch­lands. Der umwelt­politische SPD-Vordenker war Bundes­tags­abgeordneter und von 2005 bis 2009 Parlamentarischer Staats­sekretär im Bundes­umwelt­ministerium. Er ist Kuratoriums­mitglied von Klimareporter°.

Richtig ist, dass heute die Gestaltungs- und Verteilungsfrage gestellt werden muss. Von daher müssen die sozialen und ökologischen Herausforderungen in einem engen Zusammenhang gesehen werden.

Die Zukunft kann und darf nicht den Zwängen globaler Märkte überlassen werden. Der Neoliberalismus kann nur tiefer in die Zukunftskrise führen.

Aber wie kann die Erneuerung einer wohlfahrtsstaatlichen Politik mit den ökologischen Herausforderungen von Klimawandel und planetaren Grenzen zusammengeführt werden?

Sicher, die nördlichen Industriestaaten, vor allem reiche Schichten, können noch eine Zeitlang im Zustand der "Grenzüberziehungen" leben. Aber die Zeit wird knapp. Der Soziologe Stefan Lessenich spricht bereits von der Sintflut, die nicht erst nach uns kommt, sondern bereits neben uns da ist.

Kurz: Die Externalisierung der sozialen und ökologischen Folgen zulasten Dritter müsste eigentlich schnell beendet werden, aber die Party auf Kosten der Zukunft geht weiter.

Schwarz-Grün ist das neue Weiter-so

In unserem Land darf es offenbar nicht um ein grün-rotes Projekt gehen, das den sozialen und ökologischen Umbau als Einheit sieht. Das machtpolitische Interesse an Schwarz-Grün überwiegt.

Doch ist bei aller Kritik an der derzeitigen Bundesregierung ein Baden-Württemberg auf Bundesebene wirklich eine Zukunftsoption? Sicher nicht.

Tacheles!

In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Kuratoriums in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

Unser Land braucht eine Neuverteilung der Karten, einen sozial-ökologischen New Deal.

Der wird nur auf einer sozialen und demokratischen Grundlage möglich. Es geht um einen Aufbruch, der soziale und ökologische Gerechtigkeit zusammenführt und eine neue Idee des gesellschaftlichen Fortschritts verfolgt. Das entscheidet nicht zuletzt über den äußeren und inneren Frieden und die Ausgestaltung eines solidarischen Internationalismus.

Von daher: Unser Land braucht ein mutiges und visionäres politisches Projekt, das auf jeden Fall nicht schwarz-grün sein kann. Was bleibt außer dem Versuch, die alte Tante SPD wieder instand zu setzen?

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