Lächelnde blonde Frau am Steuer eines Pkw.
Würde eine Bundesverkehrsministerin sich für Carsharing starkmachen? Für Tempolimits? Am Ende gar für eine richtige Verkehrswende? (Foto: BMW)

Das Wort "Tempolimit" hat es in sich. Bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gehen, wenn er es hört, sofort die Warnlampen an. Wer so etwas fordere, richte sich "gegen jeden Menschenverstand", ließ er jetzt wissen. Die Bundesregierung wolle die Bürger stattdessen von den Chancen der Mobilität der Zukunft begeistern. "Forderungen, die Zorn, Verärgerung, Belastungen auslösen oder unseren Wohlstand gefährden, werden nicht Realität und lehne ich ab."

Das saß – zwar, um im Bild zu bleiben, unter der Stoßstange, aber es saß. Damit versuchte unser oberster Verkehrslenker die Debatte abzuwürgen, bevor sie richtig begonnen hat.

Dummerweise stehen die Ideen wie Tempolimit, Angleichung der Diesel- an die Benzinbesteuerung oder höhere Kaufprämien für Elektroautos in einem Papier einer Kommission, die Scheuer selbst eingesetzt hat. Die "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" soll – analog zur Kohlekommission – der Bundesregierung einen Weg aufzeigen, wie die deutschen Klimaziele im Verkehrssektor bis 2030 zu erreichen sind.

Das Problem ist nämlich: Scheuer und seine Vorgänger im Amt des Verkehrsministers haben auf diesem Feld kläglich versagt. Die CO2-Emissionen in dem Sektor seit 1990 sind, entgegen der eigenen Vorgaben, unter dem Strich nicht gesunken und zuletzt sogar wieder angestiegen.

Nun wird es richtig eng. Denn das Ziel der Bundesregierung für den Verkehr lautet, den CO2-Ausstoß in dem Sektor bis 2030 um satte 42 Prozent zu senken. Das macht eine drastische Kurskorrektur innerhalb von nur elf Jahren nötig. Mit Maßnahmen, die keiner spürt, ist das nicht zu schaffen.

Autos müssen nicht immer schneller und schwerer werden

Und deswegen hat die 20-köpfige Arbeitsgruppe Klimaschutz der Kommission, in der Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbände vertreten sind, in ihr Papier eben auch ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen von 130 Stundenkilometern als Möglichkeit mit aufgenommen. Das heißt nicht, das alle Mitglieder der Plattform für diese Maßnahme votiert haben. Aber doch, dass sie was bringen kann und vor allem ohne Schaum vorm Mund debattiert werden sollte.

Generell gilt: Es droht nicht der Untergang des Abendlandes, wenn ein Tempolimit eingeführt wird. Deutschland ist die einzige Industrienation ohne eine solche allgemeine Tempobremse. Viele, die im Ausland erlebt haben, wie dort der Verkehr auf Autobahnen meist entspannter und weniger aggressiv abläuft als bei uns, finden das für eine hochentwickelte Kulturnation auch angemessener als den hierzulande grassierenden PS-Stress.

In Bezug auf die Klima-Wirkung wiederum sind zwei Dinge zu betrachten. Erstens, was das bei plus/minus 130 abgeregelte Fahren direkt am Auspuff bringt. Und zweitens, welche Folgen das Limit für den Zuschnitt der zukünftigen Autoflotte haben wird.

Auch Befürworter der Tempobremse räumen ein, dass das CO2-Einsparpotenzial für ein 130er-Limit nicht genau erforscht ist. Das striktere Tempo 120 würde laut Umweltbundesamt jährlich etwa drei Millionen Tonnen des Treibhausgases einsparen, eine Reduktion um immerhin rund neun Prozent, bezogen auf die Emissionen auf den Autobahnen.

Allerdings beruht diese Schätzung auf älteren Daten, und angesichts des starken Trends zu hoch motorisierten, schweren und schnell fahrenden Autos – siehe SUV-Boom – könnte der Effekt tatsächlich auch größer ausfallen. Experten schätzen daher, dass auch das mildere Tempo 130 durchaus einen bedeutsamen Beitrag liefern würde, um die Klimakurve noch zu kriegen. Zumal es nichts kostet, es einzuführen. Außer kluger, überzeugender Argumentation – und politischem Mut.

Sieben von zehn Frauen wollen ein Autobahn-Tempolimit

Viel spricht auch dafür, dass die Tempobremse ganz generell zur PS-Abrüstung auf den Straßen beitragen könnte. Die Autokonzerne müssten ihre Produkte künftig nicht mehr auf Spitzenleistungen trimmen, um Käufer zu finden – der Wettkampf auf den Autobahnen wäre ja entschärft. Pkw, die nicht mehr auf Tempo 200 oder 250 ausgelegt werden müssen, kommen mit weniger PS aus und sparen Gewicht.

Für die CO2-Bilanz der gesamten Flotte wäre das mittelfristig sehr positiv, gerade auch mit Blick auf die E-Mobilität. Schnelles, spurtstarkes Fahren lässt die Reichweiten der Batterieautos rasant zusammenschnurren. Wer hingen verhalten, aber flüssig unterwegs ist, muss erst später an die Steckdose.

Hinzu kommen zwei weitere wichtige Punkte: Fahren mit gleichmäßigerer Geschwindigkeit ohne lichthupende Raser zwischendrin senkt die Stau-Anfälligkeit sowie die Gefahr von schweren Unfällen.

Es ist schwer, mit solchen Argumenten bei den Scheuers dieser Welt durchzudringen, die noch in der "Freie-Fahrt-für-freie-Bürger"-Welt leben. Das macht sie nicht falsch, und es lohnt sich, dafür zu streiten. Die Mehrheit der Zeitgenossen ist zum Glück schon weiter.

Immerhin 52 Prozent der Bundesbürger befürworten laut einer Forsa-Umfrage ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, bei den Frauen sind es sogar 70 Prozent. Tipp für Regierungschefin Angela Merkel (CDU): Wir hatten in Deutschland noch nie eine Bundesverkehrsministerin. Wäre mal Zeit dafür.

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