​Die neue SPD-Chefin Saskia Esken und ein BUND-Vertreter mit einer Broschüre, beide am Mikrofon.
Die hier noch nicht gewählte SPD-Kovorsitzende Saskia Esken (links) wird von der neuen BUND-Vizevorsitzenden Verena Graichen an die Klimakrise erinnert. (Foto: Jörg Farys/BUND)

Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind die neuen Vorsitzenden der SPD. Der Parteitag in Berlin wählte sie am heutigen Freitagnachmittag mit großer Mehrheit als Doppelspitze in das Amt, nachdem das Duo aus einer Mitgliederbefragung als Sieger hervorgegangen war.

Beide gingen in ihren Vorstellungsreden auf das Thema Klimaschutz ein. Esken wandte sich dagegen, Ökologie und Soziales gegeneinander auszuspielen. Der Klimaschützer sei nicht der "Gegner des Stahlkochers" und dieser sei nicht Gegner des Klimaschützers, sagte sie. Hier dürften keine "künstlichen Gegnerschaften" aufgebaut werden.

Mehr beschäftigten Esken aber die Fragen der Digitalisierung. Die SPD müsse der "Betriebsrat der digitalen Gesellschaft werden", beschrieb sie die angedachte künftige Rolle der Partei.

Walter-Borjans war seinerseits bemüht, den klimapolitisch bisher eher schwachen Eindruck des Duos zu korrigieren. Deutschland allein könne das Klima nicht retten, sagte der neue SPD-Chef, aber einen größeren Beitrag müsse das Land leisten, vor allem auch mithilfe von Innovation und neuen Geschäftsmodellen.

Für Walter-Borjans ist Klimaschutz auch eine Verteilungsfrage. Die Folgelasten, die der heutige westliche Lebenstil verursache, müssten ins "Hier und Heute" geholt werden, sie gehörten aber "nicht auf die Schultern der kleinen Leute".

Walter-Borjans plädierte in dem Zusammenhang für eine grundlegende Steuerreform, bei der von oben nach unten umverteilt wird. Klimaschutz gehe nur gerecht – und "je höher der soziale Ausgleich ist, desto höher kann der CO2-Preis sein".

Ob das Klimapaket aber nun über die Zukunft der großen Koalition mitentscheidet – da blieb der neue SPD-Chef im Ungefähren. Das Klimapaket sei nicht so gut, dass man sich "zurücklehnen" könne, es bleibe ein Thema, bei dem die SPD nachlegen werde, sagte Walter-Borjans.

Bezugnehmend auf die Millionen Jugendlichen, die jeden Freitag zum Klimastreik auf die Straße gehen, fragte Walter-Borjans aber auch in den Saal, ob die SPD der jungen Generation sagen solle, dass die Rettung des Klimas wegen der Koalition verschoben werden müsse. Jedenfalls werde er wegen einer Koalition "nicht eine ganze Generation von der SPD entfremden".

Leitantrag stellt Klimapaket der Groko nicht infrage

Vor Beginn des Parteitages hatte der Umweltverband BUND eine "Umweltbotschaft" an Saskia Esken übergeben. Die beiden Bewerber hätten Wahlkampf damit gemacht, dass sie das Klimapaket in der jetzigen Form ablehnten, und "notfalls" Nachverhandlungen angekündigt, erinnerte BUND-Vizechefin Verena Graichen

Diesen Worten müssten jetzt "entschlossene und schnelle Taten folgen", gab Graichen dem Duo mit auf den Weg. In seiner Umweltbotschaft verlangt der BUND von der SPD einen wirksamen CO2-Preis, einen ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie einen schnellen Kohleausstieg bis 2030.

Der maßgebliche Leitantrag des SPD-Vorstands ist allerdings in diesen Punkten wenig ehrgeizig und selbst im klimapolitischen Teil stark wirtschaftlich orientiert. Deutschland sei ein "Industrieland, dessen Wertschöpfung zum Großteil auf der Produktion und dem Export der Produkte made in Germany basiert". Die Energiewende dürfe dieses Pfund nicht ins Wanken bringen, klingt es im SPD-Papier nach einschlägigen Warnungen der Wirtschaftslobby.

Der Leitantrag stellt das beschlossene Klimapaket der Koalition praktisch nicht infrage und setzt ganz auf das vereinbarte Nachsteuern bei den Klimaschutz-Maßnahmen.

Bei der Windkraft an Land setzt die SPD auf einen verbindlichen Ausbaupfad von 5.000 Megawatt jährlich, auf weitere Sonderausschreibungen und das Einfrieren der EEG-Vergütung für zwei Jahre auf 6,2 Cent je Kilowattstunde.

Pauschale Abstandsregelungen für Windräder lehnt die SPD ab, diese müssten vielmehr "technisch und rechtlich herleitbar" sein. Das Repowering älterer Anlagen müsse, wenn nötig, über Ausnahmeregelungen gesichert werden. Eingeführt werden soll ein kommunaler Windbonus, vor allem für Kommunen, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Abstände zu unterschreiten. 

Auch SPD-Gliederungen für Kohleausstieg 2030

In ihren Anträgen zum Leitantrag gehen einige SPD-Gliederungen deutlich weiter als die Spitze. So fordert der Landesverband Schleswig-Holstein die sofortige Abschaltung derjenigen Kohlekraftwerke, die am meisten CO2 ausstoßen, und bis spätestens 2030 einen sozialverträglichen Braunkohleausstieg. Nach dem Ausstieg soll weder Braunkohle noch Strom aus dem Ausland zugekauft werden, wenn das Land nicht mindestens 70 Prozent seiner Energien aus erneuerbaren Quellen bezieht.

Einen Kohleausstieg bis 2030 verlangen der Unterbezirk Bonn im Landesverband Nordrhein-Westfalen sowie die Landesorganisation Hamburg.

Noch mutiger geht der Unterbezirk Emsland im SPD-Bezirk Weser-Ems in seinem Antrag heran, der nur aus einem Satz besteht: "Alle Kohlekraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland werden bis 2025 abgeschaltet."

Die Empfehlung der Antragskommission dazu: "Ablehnung."

Anzeige