Müllverbrennungsanlage Klemetsrud bei Oslo
Die große Osloer Müllverbrennungsanlage mit Heizkraftwerk soll CCS bekommen. (Foto: Erlend Bjørtvedt/​Wikimedia Commons)

Das Treibhausgas CO2 aus Kraftwerken und Industrieprozessen nicht einfach in die Atmosphäre zu pusten, sondern "klimaneutral" unterirdisch einzulagern – diese Idee ist nicht neu. Sie ist aber wegen hoher Kosten und teils auch Widerständen in der Bevölkerung bisher nur in Test- und Pilotanlagen genutzt worden.

Die norwegische Regierung scheint allerdings fest entschlossen, das sogenannte CCS-Verfahren (Carbon Capture and Storage, CO2-Abscheidung und -Speicherung) nun in großem Stil zu nutzen. Sie will dafür 1,5 Milliarden Euro investieren.

Die seit 2016 bekannten Pläne sind bereits der zweite Anlauf nach dem zehn Jahre zuvor begonnenen Mongstad-Projekt. Das als "Norwegens Mondlandung" angekündigte Großprojekt war 2013 aufgegeben worden, nachdem die Kosten aus dem Ruder gelaufen waren.

Der Plan ist nun, zuerst eine Zementfabrik im Süden des Landes, ein Tochterunternehmen des Konzerns Heidelberg Cement, mit der CO2-Abscheidung auszurüsten. Später soll auch eine Müllverbrennungsanlage in Oslo hinzukommen.

Das verflüssigte CO2 soll dann laut Konzept zu einem Empfangsterminal an der Südwestküste bei Øygarden gebracht und von dort durch eine 120 Kilometer lange Pipeline in ein leergefördertes Erdgasfeld mehr als 2.800 Meter unter dem Meeresboden gepumpt werden.

Betrieben wird dieser Teil des Projekts von den Ölkonzernen Equinor (früher Statoil), Shell und Total. Die Gesamtkosten sollen sich inklusive eines zehnjährigen Betriebs auf 2,3 Milliarden Euro belaufen. Der Name des gesamten Vorhabens, "Longship", ist den schnellen Wikinger-Schlachtschiffen entliehen.

Andere Länder sollen helfen, die Kosten zu senken

Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg sagte, die Pariser Klimaziele könnten nur mit der CCS-Technologie zu vertretbaren Kosten erreicht werden. Das norwegische Vorgehen könne ein Modell für viele andere Länder sein, die CCS ebenfalls nutzen möchten.

 

Longship sei "das größte Klimaprojekt aller Zeiten in der norwegischen Industrie", ergänzte Energieministerin Tina Bru, die wie Solberg der konservativen Partei Høyre angehört. Es werde dazu beitragen, die Kosten der Technologie zu senken.

Norwegen hat sich verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis 2030 um 50 bis 55 Prozent zu senken. Das Erdölland sucht zudem nach einem neuen Geschäftsmodell für die leeren Gas- und Ölfelder nach dem Ende der fossilen Rohstoffförderung.

Die CO2-Speicherung wird in einigen Ländern bereits angewendet, zum Beispiel bei kleineren Projekten in Norwegen mit Gasfeldern oder in Kanada an einem Kohlekraftwerk in der Region Saskatchewan. Teilweise wird sie eingesetzt, um durch CO2-Injektion die Ausbeute von Erdgasfeldern zu erhöhen.

In Deutschland bisher nicht durchsetzbar

In Deutschland wurde die Technologie in einer Testanlage in Ketzin bei Potsdam erprobt. Pläne für CCS gab es unter anderem auch in Schleswig-Holstein, wo dies aber auf heftige Proteste traf.

Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung rückte 2012 von der Technologie ab, ein Gesetz machte weitere CCS-Projekte in Deutschland praktisch unmöglich.

Das Umweltbundesamt urteilte 2018: "Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die Anwendung von CCS nicht erforderlich, um die Klimaschutzziele in Deutschland zu erfüllen."

Das Bundeswirtschaftsministerium brachte die Technologie unlängst aber wieder ins Spiel – und zwar im Zusammenhang mit der Wasserstoffstrategie. Hierbei geht es darum, Industrieprozesse und teilweise auch den Verkehr auf Wasserstoff beziehungsweise synthetische Öko-Kraftstoffe umzustellen.

Die Idee war, norwegische Gasfelder zur Speicherung von CO2 zu nutzen, das bei der Herstellung von sogenanntem blauem Wasserstoff aus fossilem Erdgas anfällt. Inzwischen wird im Konzept des Bundes aber der "grüne" Wasserstoff favorisiert, der mit Ökostrom hergestellt wird.

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