Naturkatastrophen können politische Stimmungen drehen, sogar wahlentscheidend sein. Unvergessen, wie der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder sich im Herbst 2002 inmitten der Jahrhundertflut an der Elbe in Gummistiefeln als zupackender Macher präsentierte, während sein Unions-Herausforderer Edmund Stoiber zu Hause blieb. Das trug damals wesentlich dazu bei, dass bei der kurz danach stattfindenden Bundestagswahl die angeschlagene rot-grüne Koalition doch wieder die Mehrheit bekam.

Ebenso bleibt in Erinnerung, wie 2021 der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet seine Wahlchancen während der verheerenden Flutkatastrophe an Ahr und Erft vergeigte. Ein deplatzierter Lacher, von Kameras aufgenommen, und Laschet hatte sein Image weg als einer, der den Ernst der Lage nicht begreift, selbst wenn er ihm direkt vor Augen geführt wird. Die Wähler befanden: ein Politiker, untauglich, um ein Land in Krisenzeiten zu führen.

 

Insofern haben Kanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser, beide SPD, das richtige Gespür bewiesen, als sie zu Silvester respektive Neujahr das Hochwassergebiet in Niedersachsen besuchten.

Rekordpegelstände an Flüssen, Stadtteile und Ortschaften abgeschnitten, Evakuierungen per Boot, gerissene und gefährdete Deiche, absehbare Schäden in zumindest mehrstelliger Millionenhöhe. Was zuerst nach einem eher regionalen Ereignis aussah, wächst sich gerade zu einer nationalen Katastrophe aus, zumal neue Niederschläge die Lage zu verschlimmern drohen.

Der Wetterdienst hat eine neue Unwetterwarnung für die betroffene Region bis Donnerstagfrüh ausgegeben.

Extremwetter häufiger und intensiver

Die Frage ist freilich, ob die Politik diesmal, jenseits der Durchhalteparolen und Danksagungen an die Helfer, auch die richtigen Schlüsse aus Katastrophen wie der aktuellen zieht. Von Scholz zumindest hätte man sich am Sonntag bei seinem Besuch im überfluteten Verden an der Aller sofort konkrete finanzielle Hilfszusagen des Bundes gewünscht. Das hätte den Verdacht zerstreut, es gehe vor allem um positive Bilder in den Medien.

Eine Garage und zwei Autos stehen im wadentiefen Wasser, rundum ist Hochwasser, ganz vorn und ganz hinten ist Land.
Hochwasser an der Weser in Rinteln am 25. Dezember. (Bild: Mychajlo Kojfman/​Shutterstock)

Auch ein Versprechen, künftig noch viel mehr zu tun, um die sich wegen des Klimawandels häufenden Extremwetterereignisse besser in den Griff zu bekommen, wäre angebracht gewesen. Und vor allem: dafür auch das nötige Geld zur Verfügung zu stellen.

Zum Glück hat das aktuelle Hochwasser nicht die Dimension der Elbeflut von 2002, die in Deutschland, Tschechien und Österreich über 45 Tote forderte und rund 15 Milliarden Euro an Schäden erzeugte. Auch ein Vergleich mit dem Inferno im Ahrtal und an der Erft 2021 mit über 180 Opfern und rund 30 Milliarden Kosten verbietet sich.

Doch es erinnert daran, dass Extremwetterereignisse häufiger und vor allem intensiver werden. Für uns Deutsche schien 2023, obwohl weltweit und national das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, ja ein fast normales Wetterjahr zu werden, anders als vielerorts sonst auf dem Globus – man denke an die Mega-Waldbrände wie in Kanada, Flutkatastrophen wie in Südosteuropa oder die Extremdürre, gefolgt von Überschwemmungen in Ostafrika. Das ist nun passé.

Und kein Wunder. Denn inzwischen hat die Klimaforschung nachgewiesen, dass der Klimawandel bei den meisten Extremwetterereignissen eine Rolle spielt. Vorbeugung, um die stärker werdenden Gefahren zu minimieren, ist deswegen das Gebot der Stunde.

Auch die Planung muss sich ändern

Dass das aktuelle Hochwasser in Norddeutschland bisher relativ gut bewältigt wurde, liegt auch daran, dass die gefährdeten Kommunen und Länder inzwischen aus früheren Hochwassern gelernt haben und die viel Geld in Hochwasserschutz und technische Ausrüstung investierten. Doch damit ist es nicht getan.

Klimaanpassung und damit auch die Hochwasservorsorge müssen künftig bei jeglicher Planung berücksichtigt werden. Der Rückbau versiegelter Flächen und mehr Grün müssen die Kommunen und ihr Umfeld zu "Schwämmen" machen, die Wasser besser aufnehmen, speichern und bei Trockenheit wieder abgegeben.

Und wo Städte und Gemeinden direkt an Flüsse und Bäche heranreichen, braucht es auch zusätzliche Investitionen in technischen Hochwasserschutz, mehr und höhere Deiche sowie Rückhaltebecken.

Bereits nach der Elbeflut 2002 hatte die rot-grüne Koalition im Bund ein ambitioniertes Hochwasserschutzgesetz auf den Weg gebracht. Umgesetzt wurde es danach in Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik nur zögerlich. Doch inzwischen hat sich hier dank des gestiegenen Bewusstseins zum Glück auf allen Politikebenen einiges getan.

 

Im Bund zum Beispiel hat die Ampel-Koalition ein milliardenschweres "Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz" aufgelegt, das natürliche Hochwasserbarrieren wie Auen, Moore und Wälder stärken soll, und erst unlängst wurde das erste "Klimaanpassungsgesetz" beschlossen, das Bund, Länder und Gemeinden klar verpflichtet, mehr für die Vorsorge zu tun.

Das Anpassungsgesetz krankt daran, dass es bisher nur einen Rahmen darstellt und unklar ist, wo das zusätzliche Geld für die vielen notwendigen Maßnahmen herkommen soll. Der richtige Schluss daraus lautet: Die Ampel muss die Schuldenbremse so modifizieren, dass sie solche existenziellen Investitionen nicht mehr verhindert.