Ohne Zustimmung des Kanzleramts hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) heute Vormittag die Ressortabstimmung zu ihrem Klimaschutzgesetz eingeleitet. Das bestätigte ein Ministeriumssprecher gegenüber Klimareporter°. Bis heute habe es, so der Sprecher weiter, "überhaupt keine Reaktion aus dem Kanzleramt gegeben", seit das Umweltministerium im Februar den Entwurf des Klimaschutzgesetzes zur Frühkoordinierung dorthin geschickt hatte.
"CDU und CSU haben bis jetzt leider nur gesagt, was sie alles nicht wollen. Jetzt ist es Zeit, den nächsten Schritt zu gehen", begründete Schulze ihren Alleingang. Als zuständige Ressortchefin könne sie nicht länger auf die Befindlichkeiten in der Union Rücksicht nehmen. "Die Europawahl hat mich in meiner Überzeugung gestärkt, dass dieses Thema nicht auf die lange Bank geschoben werden darf. Vertagen ist keine Option", betonte die Ministerin.
Auch nach der "Klimawahl" vom Sonntag tun sich führende Unionspolitiker schwer, einen klimapolitischen Strategiewechsel zu vollziehen. Armin Laschet, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, räumte in der ARD-Talkshow "Anne Will" ein, dass es das Klimathema schon seit 20 Jahren gebe – aus "irgendeinem Grund" sei es aber plötzlich ein weltweites Thema geworden.
Dem sei die Jugendbewegung "Fridays for Future" gefolgt und habe die letzten Wochen des Wahlkampfes bestimmt. Auch wenn man jetzt das Klimagesetz beschließe, werde das am nächsten heißen Sommer nichts ändern, argumentierte Laschet. Klimaschutz sei eine europäische und weltweite Aufgabe.
CDU-Wirtschaftspolitiker warnt vor "Alarmismus"
Noch mehr Ablehnung kam vom CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer. Die Klimadebatte in Deutschland sei "alarmistisch", Fakten würden "weitgehend durch Emotionen ersetzt". Nationale Alleingänge wie eine CO2-Steuer seien der falsche Weg, sagte Pfeiffer und plädierte für eine Ausweitung des Emissionshandels auf europäischer Ebene auf weitere Sektoren wie Gebäude und Verkehr.
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer räumte nach der Vorstandssitzung eigene Fehler ein. Eine ganze Palette von Themen wie Klimaschutz, Urheberrecht oder den Umgang mit dem Rezo-Video habe man nicht aus einer "Position der Stärke" offensiv bearbeiten können.
Zudem habe sich das Image verfestigt, dass es in der CDU einen "Rechtsruck" gegeben habe. Beigetragen hätten dazu auch Äußerungen zur Klimabewegung "Fridays for Future", darunter von ihr selbst, sagte die CDU-Chefin. Dass es tatsächlich einen "Rechtsruck" gebe, stellte sie ausdrücklich in Abrede. Konkrete Zusagen für klimapolitische Maßnahmen der Koalition gab Kramp-Karrenbauer aber nicht.
SPD-Linke fordert Kapitalismuskritik
Vertreter des linken SPD-Flügels sollen nun, wie Zeit Online berichtet, einen kapitalismuskritischeren Kurs ihrer Partei verlangen. "Überall vermissen die Menschen bei der SPD inhaltliche Klarheit und deutliche Kommunikation", heißt es demnach in einem von Ralf Stegner, Kevin Kühnert und Matthias Miersch verfassten Positionspapier. Konkret fordern sie "noch vor Ablauf des Jahres" unter anderem ein Klimaschutzgesetz und Fortschritte bei der Digitalsteuer.
Der Klima-Ignoranz der Koalition hätten die Wähler zwar eine klare Absage erteilt und grün gewählt – nur dürften Klima- und Umweltschutz "nicht allein Thema der Grünen bleiben", mahnte WWF-Vorstand Christoph Heinrich. Die Bundesregierung müsse jetzt endlich wichtige Maßnahmen vorantreiben.
"Dazu gehören ein anspruchsvolles Klimaschutzgesetz und auf europäischer Ebene eine ökologische sinnvolle Gestaltung der Agrarpolitik sowie der europäischen Wasserrahmenrichtlinie", listete Heinrich drei Hauptforderungen der Naturschutzverbände auf. Für die Europäische Union verlangt der WWF einen Vizepräsidenten für Klima- und Ressourcenschutz.