Annalena Baerbock spricht am Rednerpult bei der Heinrich-Böll-Stiftung und unterstreicht das Gesagte mit ausgebreiteten Händen.
Annalena Baerbock: Tatendurstige Performance. (Foto: Stephan Röhl/​Wikimedia Commons)

"Um unsere Klimaziele zu erreichen, brauchen wir mehr Verbindlichkeit", sagte sie. Im Entwurf des Klimaschutzgesetzes werde deshalb festgeschrieben, welcher Politikbereich bis 2030 wie viel CO2 einsparen muss. Wie das Ziel erreicht werden soll, würden dann die Fachminister entscheiden.

Nein, das ist kein aktuelles Statement der grünen Parteivorsitzenden Annalena Baerbock. Mehr Verbindlichkeit forderte vor zweieinhalb Jahren die heute geschäftsführende Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Was Anfang 2019 begann, kondensierte später in den gesetzlichen und damit maximal verbindlichen Sektorzielen des Klimaschutzgesetzes. Überzieht ein Bereich sein Budget, muss das zuständige Ressort ein Sofortprogramm auflegen, um das Ziel möglichst schnell wieder einzuhalten – wie in diesem Jahr beim Gebäudesektor geschehen.

Klar: Die Reduktionsziele im Klimagesetz reichen nicht, damit Deutschland das 1,5-Grad-Ziel einhält. Wer das politisch will wie die Grünen, muss das Gesetz entsprechend verschärfen. Das fordert Annalena Baerbock aber nicht, jedenfalls nicht öffentlich.

Stattdessen kommt sie heute mit der Idee für einen Klimacheck um die Ecke. Die Begründung liest sich wie bei Schulze abgekupfert. Wenn eine Bundesregierung beschließe, alles dafür zu tun, dass Deutschland auf einen 1,5-Grad-Pfad kommt, könne man ja nicht die Augen verschließen, wenn ein Ministerium Gesetze vorlegt, die sich davon deutlich entfernen, sagte Baerbock.

Natürlich ist es keine verkehrte Idee, Gesetze vorher klimapolitisch unter die Lupe zu nehmen. Meist läuft das aber auf einen veritablen Gutachter- und Lobbyistenstreit hinaus. Letztes Jahr ließ beispielsweise die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen das Kohlekraftwerk Datteln 4 mit der offiziellen Begründung ans Netz gehen, es würde ja im Vergleich zu alten Kohleanlagen CO2-Emissionen einsparen.

Auf keinen Fall aber wird der Klimacheck die Verbindlichkeit erreichen oder gar übertreffen, die das Klimagesetz schon jetzt bietet. Um kritische Entwicklungen vorsorgend zu erkennen, schlugen Wirtschaftsforscher vom DIW Berlin kürzlich vor, Frühindikatoren ins Gesetz aufzunehmen. Da werden dann nicht die Gesetzestexte gecheckt, sondern die klimapolitische Realität.

Für wirklichen Klimaschutz gewählt

Mit dem tatendurstig klingenden Klimacheck baut Baerbock auch weiteren absehbaren Enttäuschungen vor. Die Klimapolitik der neuen Regierung werde sich bei den CO2-Emissionen zunächst noch nicht bemerkbar machen, sagte sie. Das sei das Ergebnis des Stillstands beim Klimaschutz in den letzten Jahren, zum Beispiel im Verkehrssektor.

Dass Deutschland 2021 und 2022 seine Klimaziele wohl verfehlen wird, ist nicht neu. Das pfeifen renommierte Institute allenthalben von den Dächern. Und dass eine Regierung ihre anfänglichen Misserfolge auf die Misswirtschaft der Vorgängerin schiebt, ist ja auch leidlich bekannt.

Allerdings wurden die Grünen dafür gewählt, damit ein Ruck durch die deutsche Klimapolitik gehe. Jeder, der Emissionsbilanzen lesen kann, weiß, dass wir gerade in den nächsten Jahren einen ordentlichen Schluck aus der Klimapulle nehmen müssen, um überhaupt noch in die Nähe des 1,5-Grad-Ziels kommen zu können. Sonst ist das CO2-Budget alle, bevor die Grünen überhaupt ihre Ministerbüros eingerichtet haben.

Klimachecks sind da nur Gimmicks für offenbar der koalitionären Verzweiflung nahe Grüne und kein Ersatz für tatsächlich wirkende Maßnahmen: Kohleausstieg 2030, Tempolimit, Verbrenner-Aus und eine echte bundesweite Solarpflicht. 

Wer in diesen Punkten schon jetzt verbindlich tiefstapelt, kann das Regieren auch gleich ganz sein lassen, jedenfalls als Klimaminister:in.

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