Eine Ampel vor dunklem Hintergrund leuchtet gleichzeitig in rot, gelb und grün.
Bei den Ampel-Sondierungen kommt Licht ins Dunkel. (Foto/​Ausschnitt: Francisco Welter-Schultes/​Wikimedia Commons)

Der Kohleknoten ist gelöst. "Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030", steht in dem Papier, in dem SPD, Grüne und FDP das Ergebnis ihrer Sondierungsgespräche festgehalten haben und die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen.

Der frühere Kohleausstieg verlange einen "massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und die Errichtung moderner Gaskraftwerke", heißt es weiter. Letztere müssten aber perspektivisch auf Wasserstoff umgestellt werden können, statt nur mit fossilem Erdgas zu laufen.

Außerdem wollen die Parteien die geplanten Strukturhilfen für die Kohleregionen vorziehen, um diese auf den früheren Kohleausstieg vorzubereiten.

Ob der Ausstieg auch gesetzlich festgeschrieben werden soll, steht nicht in dem Sondierungspapier. Das dürfte allerdings nicht entscheidend sein, sofern rechtzeitig genug neue Windräder und Solaranlagen ans Netz kommen, um alle Kohlekraftwerke abzulösen.

Für diesen Fall lässt die Preisentwicklung im europäischen CO2-Emissionshandel erwarten, dass es für Energiekonzerne auch ganz ohne gesetzlichen Zwang unwirtschaftlich wird, die Kohlekraftwerke noch in den Dreißigerjahren zu betreiben. Eine gesetzliche Lösung könnte sogar den Nachteil mit sich bringen, dass neue Entschädigungszahlungen für die Kohlekonzerne fällig werden.

Mehr Erneuerbare, höherer CO2-Preis

Das Projekt des Kohleausstiegs steht und fällt also mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Sondierer:innen haben sich darauf geeinigt, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Für Windräder sollen zwei Prozent der Landesfläche ausgewiesen werden.

Für Dächer von neu errichteten Gewerbegebäuden sollen Solaranlagen verpflichtend sein. Auf neuen Privathäusern sollen Solardächer "die Regel werden", jedoch ohne Pflicht.

"Das Sondierungsergebnis klingt nach dem notwendigen energie- und klimapolitischen Aufbruch", freute sich denn auch Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft.

Im Bereich Verkehr erwähnen die Sondierer:innen, dass das EU-Programm "Fit for 55" vorsieht, ab 2035 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen – was für Deutschland auf einen früheren Termin hinauslaufe. In der EU müssen wirtschaftsstarke Länder bisher beim Klimaschutz nach einem spezifischen Verrechnungsschlüssel früher liefern als andere. Die deutschen Klimaziele müssen entsprechend höher liegen als der europäische Schnitt.

Die Grünen hatten im Wahlkampf 2030 als Stichjahr für einen Verkaufsstopp gefordert, bei FDP und SPD war von einem Zulassungsstopp gar keine Rede.

Den CO2-Preis auf Kraft- und Brennstoffe, den die große Koalition in der zurückliegenden Legislaturperiode eingeführt hatte, wollen SPD, Grüne und FDP an die europäischen Klimaziele anpassen. Hinter dieser Formulierung steht eine Botschaft, um die sich FDP und SPD im Wahlkampf gedrückt hatten: Der Preis muss schneller steigen als bisher vorgesehen.

Gemischte Gefühle bei den Umweltverbänden

Umweltschützer:innen finden durchaus lobende Worte für das Papier. "Das Sondierungspapier stimmt optimistisch und stellt wichtige Weichen in Richtung eines klimaneutralen Deutschlands", sagte Christoph Heinrich von der Naturschutzstiftung WWF. Er kritisierte allerdings die mangelnde Detailschärfe der Pläne.

"Beim Klimaschutz ist die Ampelkoalition guten Willens, aber noch längst nicht auf 1,5-Grad-Kurs", sagte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. Den Kohleausstieg möglichst auf 2030 vorzuziehen und erneuerbare Energien auszubauen, seien richtige Ansätze. "Aber es fehlen konkrete Schritte, etwa zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor."

Der BUND sieht ebenfalls Licht und Schatten. "Aus klimapolitischer Sicht ist zu begrüßen, dass alle Parteien die Notwendigkeit anerkennen, dass der Kohleausstieg und der naturverträgliche Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden müssen", sagte Verbandschef Olaf Bandt. "Auch ein rascher Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor Anfang der 2030er-Jahre markiert eine wichtige Wegmarke auf dem 1,5-Grad-Pfad."

Bei den Koalitionsverhandlungen müsse aber in wichtigen Punkten nachgelegt werden, forderte Bandt. Dazu zählt der BUND ein Moratorium für den Bau neuer Fernstraßen, Energiesparziele, eine Strategie gegen Flächenversiegelung, eine an Ökozielen ausgerichtete Landwirtschaft. "Auch ein wirksamer CO2-Preis gekoppelt mit einem Bürger:innengeld muss festgeschrieben werden", so der Umweltschützer.

Das Konzept des "Energiegelds", mit dem die Grünen die Einnahmen aus dem CO2-Preis gleichmäßig pro Kopf auf alle Bürger:innen zurückverteilen wollen, steht nicht im Papier.

Dafür findet sich dort ein Bekenntnis zu dem Ziel, die Erderhitzung bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu begrenzen. Wie unter anderem das Konzeptwerk Neue Ökonomie analysiert hatte, reichte aber keines der Wahlprogramme für dieses Ziel aus – und so dürfte es auch beim Sondierungspapier sein.

Das kritisierte unter anderem Luisa Neubauer von Fridays for Future. "Wenn man das Papier an dem misst, was wir in den letzten 16 Jahren an Klimapolitik erlebt haben, dann ist das ein Schritt nach vorne", schrieb sie auf Twitter. "Aber das ist nicht der Maßstab. Der Maßstab ist das, was getan werden muss, um Lebensgrundlagen zu erhalten und 1,5-Grad-Zusagen einzuhalten."

Der Beitrag wurde am 16. Oktober ergänzt (Energiegeld, 1,5-Grad-Ziel).

Lesen Sie dazu unseren Kommentar:

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