Bahnhofsschild im U-Bahnhof Bundestag, moderne Beton-Architektur ohne Menschen
Der Bundestag spielt beim Klimaschutzgesetz nur noch eine untergeordnete Rolle. (Foto: Paul Steuber/​Pixabay)

Dass ein Gesetz im Bundestag am Mittwoch eingebracht und am Freitag schon beschlossen wird – normalerweise geht das nicht. Beim Klimaschutzgesetz bedient sich die Koalition deswegen eines Verfahrenstricks.

Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD brachten das Gesetz schon vor Wochen am 22. Oktober ins Parlament ein, unter der Drucksachen-Nummer 19/14337. Parallel gab die Bundesregierung das Gesetz an den Bundesrat und andere Gremien zur Beratung. Der Bundesrat erledigte dies am letzten Freitag.

Unter anderem dessen Stellungnahme zum Klimaschutzgesetz findet sich jetzt in der ansonsten wortgleichen Vorlage, die die Bundesregierung nunmehr unter der Nummer 19/14984 vorlegt und heute innerhalb von fünf Minuten in die Ausschüsse überweisen lassen will. Parallelverfahren nennt sich diese Methode, Gesetze im Schweinsgalopp durch die Gremien zu treiben.

Mehr als sonst wird dabei der Bundestag zu einem Abnickverein degradiert. Lorenz Gösta Beutin von der Linksfraktion hält das ganze Verfahren, wie die Klimagesetze beschlossen werden, für eine Farce.

So seien etwa beim viel kritisierten Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) vom Arbeitsauftrag des Kabinetts ans zuständige Umweltministerium bis zur Verabschiedung des Gesetzes im Kabinett nur drei Wochen vergangen. Im BEHG seien deswegen 13 Verordnungsermächtigungen eingebaut. "Der Gesetzentwurf ist eine Hülle. Es könnte infrage stehen, ob dieses Gesetz überhaupt dem Wesentlichkeitsgebot genügt", sagte Beutin.

Die Länderkammer verlangt in ihrer Stellungnahme zum Klimaschutzgesetz, dass die finanziellen Auswirkungen "zwischen Bund und Ländern geklärt werden, bevor erste Gesetze verabschiedet werden". Denn für den Bund bringe das Klimapaket erhebliche Mehreinnahmen, während Länder und Gemeinden "ausschließlich finanzielle Mehrbelastungen tragen werden".

"Parlamentarisch nicht ausforschbarer Kernbereich"

Nun wird erstmal das Gesetz beschlossen und dann wird über das Geld geredet. Nicht nur die Bundesländer, auch die Bundestags-Opposition wird bei Einwänden oder Nachfragen zu den Klimagesetzen mehr oder weniger abgebürstet.

So wollte die Linksfraktion in einer Anfrage wissen, mit welchen Lobbyisten aus Wirtschaft und Verbänden sich die zuständigen Ministerien zum Thema Klimaschutzgesetz getroffen haben und was davon in den Gesetzestext eingeflossen ist.

Zwischen dem Februar dieses Jahres, als Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Entwurf des Klimaschutzgesetzes ans Kanzleramt übermittelte, und Ende Mai, als Schulze von sich aus den Entwurf an die anderen Ressorts schickte, schmorte das Papier im Hause Merkel vor sich hin. Warum und wieso, wollte die Linke wissen.

Auf 14 Fragen gibt die Bundesregierung in ihrer Antwort, die Klimareporter° vorliegt, sechs nichtssagende Antworten und weist den lästigen Wissensdurst mit dem Argument zurück, es gebe einen "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der auch einen parlamentarisch nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt". Kontrolle der Regierung durch die Opposition – das war einmal.

Allgemeine Ziele hochhalten, konkrete Ziele streichen

Wenig Glück hatte auch der Grünen-Abgeordnete Chris Kühn mit seiner – sehr nachvollziehbaren – Frage, warum das Ziel eines "klimaneutralen Gebäudebestandes 2050" aus dem ursprünglichen Entwurf des Klimaschutzgesetzes gestrichen wurde.

In der Antwort bestätigt die Bundesregierung, was schon bekannt ist – dass nämlich das Ziel "klimaneutraler Gebäudebestand 2050" im aktuellen Gesetzentwurf nicht enthalten ist, sondern nur die, Zitat, "übergeordnete Zielstellung, wonach Deutschland dem Pariser Klima-Übereinkommen verpflichtet ist und Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel verfolgt".

Aha – und warum kann man sich dann auch nicht klar für einen so notwendigen klimaneutralen Gebäudebestand aussprechen? Kühn, bau- und wohnungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, hakte dazu beim zuständigen Minister Horst Seehofer (CSU) in der Fragestunde nach. Seehofer ging, man ahnt es schon, mit so gut wie keiner Silbe auf die Frage des Grünen ein.

Für Chris Kühn macht sich Seehofer wieder einmal vom Acker, sobald es beim Klimaschutz konkret wird. "Die Klimaneutralität im Gebäudebereich bis zur Mitte des Jahrhunderts ist eine Voraussetzung für die Klimaneutralität Deutschlands bis 2050 und angesichts der Klimakrise zwingend. Es geht um jedes Zehntelgrad", betont er gegenüber Klimareporter°.

Symptomatisch für den Grünen ist dabei die Haltung von Union und SPD bei den Ölheizungen. Kühn: "Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, warum Heizungen mit hohem Ölverbrennungsanteil auch dann über das Jahr 2026 hinaus im Neubau erlaubt sein sollen, wenn Alternativen wie etwa verfügbare Fernwärmenetze vor der Haustür liegen." Die Bundesregierung, so Kühns Fazit, versemmelt gerade den Klimaschutz bei den Gebäuden.

Heizungswende oder Klientelpolitik?

Die Vermutung übrigens, dass der bezuschusste Tausch der Ölheizungen vor allem westlichen Bundesländern zugutekommt, wird inzwischen von neueren Daten untermauert.

Laut der Studie "Wie heizt Deutschland?" des Energieverbandes BDEW wird in Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern etwa jede dritte Wohnung durch eine Öl-Zentralheizung erwärmt. In den ostdeutschen Flächenländern ist der Öl-Anteil höchstens halb so hoch und liegt zwischen zwölf und 17 Prozent.

Laut den Angaben sind zugleich die ältesten Heizungen, egal womit betrieben, neben den Stadtstaaten in folgenden Bundesländern zu finden: Hessen, Baden-Württemberg und Bayern – jeweils mit einem Altersschnitt zwischen 18 und 19 Jahren.

Ach so: Das Saarland – dort war die Ideengeberin für die "Abwrackprämie" für alte Ölheizungen, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), zuletzt sieben Jahre Ministerpräsidentin – liegt beim Anteil der ölbeheizten Wohnungen mit über 37 Prozent einsam in Führung und verpasst beim Alter aller Heizungen nur knapp die Spitzengruppe.

Was als Klimapolitik daherkommt, ist offenbar eher regionale Klientelpolitik.

Der Beitrag wurde um 16 Uhr aktualisiert (Stellungnahme Beutin).

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