Die Umweltbewegung legte die Messlatte heute Morgen für den Bundesrat hoch. "Die Länderchefs müssen Flagge zeigen: Sind sie Treiber einer ernsthaften Klimaschutzpolitik oder agieren auch sie angesichts der Klimakrise mutlos und unverantwortlich wie die Bundesregierung?", forderte BUND-Chef Hubert Weiger die Länder auf, sich gegen das Klimapaket zu stellen.
Zunächst versuchte Kanzleramtschef Helge Braun den Bundesrat auf den "nationalen Klimakonsens" einzuschwören, den CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer im Sommer ins Gespräch gebracht hat.
Beim Klimaschutz müssten Bund und Länder, so Braun, gemeinsam "konstruktiv" und "sachlich" zusammenarbeiten. Man müsse aufpassen, dass Klimagesetze und Kohleausstieg nicht zu einem "zentralen Streitpunkt" der Politik werden, warnte er.
Der wichtigste grüne Landespolitiker, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann, warb im Bundesrat dafür, die Menschen beim Klimaschutz "mutig" mitzunehmen und sich nicht an den "Ängstlichsten" zu orientieren. Kretschmann kritisierte besonders den geringen CO2-Preis im Klimapaket. "Das CO2-Preisschild ist so klein, dass es alle übersehen", sagte er.
"Da fehlt die ökonomische Leitplanke"
In der Schweiz hätten CO2-Preise von 80 und in Schweden von 115 Euro höchst innovative Prozesse ausgelöst – dass dafür in Deutschland zehn Euro reichen sollen, hält der grüne Landeschef für ausgeschlossen. "Da fehlt doch die ökonomische Leitplanke", damit Verbraucher und Industrie wirklich auf klimafreundliche Produkte setzen.
Leider habe der Bundesrat nicht die Möglichkeit, den CO2-Preis zu ändern, wenn die Bundesregierung es nicht wolle, räumte Kretschmann ein. Dennoch hoffe er, dass der Bundesrat entscheide, das Klimapaket in den Vermittlungsausschuss zu schicken. Ein Beschluss darüber ist aber nicht vor Ende November zu erwarten.
Kretschmann wie auch die grüne Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, Ulrike Höfken, sehen offenbar größere Chancen darin, dass die Länder bei den zustimmungspflichtigen Teilen des Klimapakets Nachbesserungen erreichen. Das betrifft vor allem die Regelungen zur Gebäudesanierung, zum Bahnverkehr, zum Wohngeld und zur Elektromobilität. Und auch zu den Abstandsregelungen bei der Windkraft, die den Grünen zufolge den Ausbau der Windenergie weiter abwürgen.
Den grünen und ebenso den anderen Länderministern sind aber vor allem die finanziellen Belastungen der Länderhaushalte ein Dorn im Auge. Wenn der Bund durch die CO2-Steuer zweistellige Milliardenbeträge einnimmt, müssen die Länder daran beteiligt werden, ansonsten werde man den Vermittlungsausschuss anrufen, mahnte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Dazu habe man mit anderen Ländern schon Gespräche geführt.
Ausgleich für Steuerausfälle bisher nicht geregelt
Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) beklagte die Kosten für die Kommunen. Die klimapolitische Sanierung für öffentliche Gebäude, Schulen, Feuerwachen summiere sich auf Milliarden. Tschentscher setzte sich für eine "faire Lastenverteilung" zwischen Bund und Ländern ein.
Der Finanzausschuss des Bundesrates rechnet dazu in seiner Stellungnahme vor, dass die Steuerausfälle von insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro, die das Klimapaket mit sich bringt, zur Hälfte von Ländern und Kommunen getragen werden müssen. Wie diese Einnahmeausfälle zu kompensieren sind, sei bislang nicht geregelt, kritisiert der Finanzausschuss.
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) äußerte sich am Freitag nicht eindeutig für oder gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Hessen werde sich dann entscheiden, wenn klar sei, wie die Gesetze endgültig aussehen, wenn sie vom Bundestag verabschiedet werden. Für Bouffier geht das Paket aber "in die richtige Richtung".
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ging bei ihrem freitäglichen Auftritt vor dem Bundesrat mit keiner Silbe auf die Bedenken der Länder und spulte nur ihre Standardrede zum Klimapaket ab.
Die gesammelten Einwände des Bundesrates gehen jetzt an den Bundestag und sollen dort in die laufenden Beratungen zum Klimapaket einfließen. Ob die Länder bei der nächsten Bundesratssitzung am 29. November dann ein vom Bundestag in allen Teilen verabschiedetes Gesetzeswerk auf dem Tisch haben, ist noch nicht endgültig klar.