Seit Mitte Oktober laufen im Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg wieder zwei Blöcke als sogenannte "Winterreserve". Auch im vergangenen Winter hatte der Betreiber, die Lausitz Energie AG, die beiden Anlagen aufgrund der gesetzlichen Vorschriften angeworfen.

Das Bundeswirtschaftsministerium will damit sichern, dass auch bei kalter Witterung oder einem Gasmangel genügend Strom in den Netzen ist. Auch der zweite große Braunkohleverstromer in Deutschland, RWE, hat deswegen seit dem 12. Oktober drei seiner Kohleblöcke im Rheinischen Revier wieder am Netz.

Bisher war 2023 für den Braunkohlestrom ein schlechtes Jahr. Von Anfang Januar bis Ende September nahm die Nutzung von Braunkohle um fast ein Viertel ab. Das resultiere vor allem aus einem Rückgang der Verstromung, verkündete kürzlich die brancheneigene AG Energiebilanzen.

Geringer Stromverbrauch schlägt zu Buche

Als Ursachen sieht die Fachgruppe einen um neun Prozent niedrigeren Stromverbrauch in dem Zeitraum sowie die im Zuge des Kohleausstiegs ohnehin verringerten Kraftwerkskapazitäten. Außerdem gab es mehr Windstrom sowie ab dem Sommer verstärkte Stromimporte, auch diese vielfach aus erneuerbaren Quellen.

Noch stärker hat es die Steinkohle getroffen. Hier ging die Verstromung bis Ende September um mehr als ein Drittel zurück.

Für den Klimaschutz sind das gute Nachrichten. Nach Schätzung der AG Energiebilanzen nahmen in den ersten drei Quartalen dieses Jahres die energiebedingten CO2-Emissionen um 55 Millionen Tonnen oder rund elf Prozent ab. Energiebedingte Emissionen entstehen nicht nur durch Verstromung, sondern auch durch fossile Heizungen und Kraftstoffe im Verkehr. Sie machen rund 90 Prozent der inländischen Emissionen aus.

Der deutliche Rückgang ist aber auch nur eine Momentaufnahme. Mit der zusätzlichen Kohleverstromung im Winter wird sich die Bilanz wieder verschlechtern.

Bundesamt geht von Kohleausstieg 2030 aus

Offiziell gilt in der Politik noch immer: Der Westen steigt 2030 aus der Kohle aus, der Osten spätestens 2038.

In der Realität rechnet die Bundesregierung aber jetzt schon – zumindest klimapolitisch – damit, dass Ende 2030 mit der Braunkohle Schluss ist und ein, zwei Jahre später auch mit der Steinkohle. Das geht ganz klar aus den Emissionsprognosen des kürzlich vom Umweltbundesamt (UBA) vorgelegten Projektionsberichts hervor, genau skizziert in Abbildung 29 auf Seite 135.

Interessant daran ist nicht nur, dass den UBA-Expert:innen die rechtliche Lage herzlich egal ist und sie nur auf die Marktlage für den Braunkohlestrom schauen. Klimapolitisch hervorzuheben ist besonders: Bei einem Ausstieg Anfang der 2030er Jahre könnte der Sektor Energie sein gesetzliches CO2-Budget für 2030 um bis zu 30 Millionen Tonnen oder rund 28 Prozent unterbieten, sagt das UBA im selben Bericht voraus, nunmehr in Abbildung 26 auf Seite 122.

Auf solche frei werdenden Emissionen baut das geänderte Klimaschutzgesetz auf, das gerade im Bundestag verhandelt wird. Theoretisch könnte dann zum Beispiel das zusätzlich von der Energie eingesparte CO2 beim Verkehrssektor aufgeschlagen werden.

Angesichts dessen verwundert es schon, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zuletzt den vorgezogenen Kohleausstieg infrage stellte: "Solange nicht klar ist, dass Energie verfügbar und bezahlbar ist, sollten wir die Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030 beenden", hatte Lindner vor einer Woche erklärt.

Damit tritt der Finanzminister seinem Parteifreund und Bundesverkehrsminister Volker Wissing ziemlich schwer in die Seite. Denn Wissing wäre der größte Nutznießer, falls seine Klimablockadepolitik durch andere Ressorts wenigstens ausgeglichen wird.

Eine in sich stimmige Energie- und Klimapolitik war allerdings noch nie die Stärke der FDP.