Ist das die "Zukunftskoalition"? Die Ampel, die bei Klima und Umwelt auf Grün steht? Die Antwort lautet: Der Koalitionsvertrag ist in diesen beiden Kernbereichen der Zukunftsgestaltung besser als zuletzt befürchtet – nach den, wie bekannt ist, höchst schwierigen Verhandlungen dazu.
Dass der Vertrag die neue Dreier-Koalition verlässlich auf den von ihr selbst vorgegebenen 1,5-Grad-Pfad bei der globalen Erwärmung führt, bleibt zwar fraglich, vor allem weil das Umsteuern im Verkehrsbereich bei Weitem nicht ambitioniert genug ist.
Doch unter dem Strich gilt: Die Bundesrepublik kann mit dem Ampel-Vertrag zu ihrer alten Rolle als Vorreiterin bei Energiewende und Klimaschutz zurückfinden, die sie unter den Merkel-Regierungen immer stärker verloren hatte.
Die wichtigste Festlegung betrifft den Kohleausstieg. Ohne ihn von 2038 auf 2030 vorzuziehen, bliebe das 1,5-Grad-Limit völlig außer Reichweite. Ohne dieses Ziel hätte die Ampel ihr Modernisierungsprojekt gar nicht erst weiterzuverfolgen brauchen.
Dass dieser Termin nun ernsthaft angepeilt wird, ist ein großer Fortschritt, auch wenn die Ampel sich eine Hintertür offenhält. Es taucht nämlich wieder die Formulierung aus dem Ampel-Sondierungspapier auf, wonach 2030 nur "idealerweise" gelten soll.
Gute Pläne für Gebäude und Landwirtschaft
Tatsächlich hängt alles daran, dass der Umbau des Elektrizitätssystems – steil ansteigende Grünstrom-Anteile auf 80 Prozent binnen neun Jahren, genügend Speicherkapazitäten und Flexibilisierung – schnell genug gelingt. Das ist das ausdrückliche Ziel der Ampel, die Umsetzung aber wird alles andere als einfach. Auch die umkämpfte Windkraft an Land wird neben Offshore-Wind und Solarstrom kräftig zulegen müssen.
Die neue Koalition muss nun schnell beweisen, dass sie es schafft, die absurd langen Genehmigungszeiten für Neuanlagen abzukürzen und gleichzeitig die Bürger beim Ausbau "mitzunehmen". Das ist möglich, doch die Ampel wird hier eine ihrer wichtigsten Bewährungsproben haben.
Auch in anderen Sektoren wollen SPD, Grüne und FDP die Klimawende schaffen. Gute Pläne gibt es im Gebäudebereich, wo die energetische Sanierung und Umstellung der Wärmeversorgung forciert werden sollen, bei einer gerechten Verteilung der Belastung durch die CO2-Bepreisung zischen Mietern und Vermietern.
Auch in der Landwirtschaft rückt die neue Koalition den Klima- und Naturschutz deutlich mehr ins Zentrum als die alte. So soll der Ökolandbau bis 2030 auf einen Anteil von 30 Prozent ausgeweitet werden. Das umstrittene Totalherbizid Glyphosat soll nur noch bis 2023 auf die Äcker gesprüht werden dürfen.
Klimaschutz-Leerstelle droht allerdings der Verkehrssektor zu bleiben, jener Sektor, der als einziger seit 1990 praktisch nichts zum CO2-Sparen beigetragen hat. Die Ampel konzentriert sich zu sehr auf die "Antriebswende", statt den Verkehrsbereich konsequent umzubauen.
Weniger Autos und Verkehr, anders geht es nicht
Zwar ist es zu begrüßen, dass bis 2030 rund 15 Millionen Autos rein elektrisch betrieben werden sollen. Ohne einen Abbau der Autoflotte von derzeit 48 Millionen und konsequente Verkehrsvermeidung wird es aber nicht gehen.
Zwar konnten die Grünen erreichen, dass die im Bundesverkehrswegeplan angelegte Asphaltorgie einer Überprüfung unterzogen wird. Doch dass es dabei nicht zu radikal zugeht, dafür wird schon der künftige Verkehrsminister sorgen, der von der Freie-Fahrt-Partei FDP kommt.
Als Signal dafür ist im Koalitionsvertrag dann auch ausdrücklich festgehalten, dass es kein generelles Tempolimit auf Autobahnen geben wird – obwohl das schon aus Sicherheitsgründen längst überfällig ist und eine CO2-Einsparung von jährlich zwei Millionen Tonnen praktisch zum Nulltarif brächte.
Ob die Ampel am Ende ein Klima-Erfolg wird? Das entscheidet sich natürlich auch daran, wie die Machtstrukturen im künftigen Kabinett von Kanzler Olaf Scholz (SPD) sein werden. Wie konsequent wird gegengesteuert, wenn ein Ressort beim CO2-Sparen hinterherhinkt? Welche Hebel hat der Klimaminister tatsächlich, um einzugreifen? Wie stark engt das "Keine Steuererhöhungen"-Verdikt des FDP-Finanzministers die Möglichkeiten ein, den Umbau zu finanzieren?
Messen muss man das Ergebnis an den eigenen Ansprüchen der Ampel-Koalitionäre, wie sie in ihrem Vertrag zu lesen stehen. Dort heißt es: "Wir stellen die Weichen auf eine sozial-ökologische Marktwirtschaft und leiten ein Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen ein." Der Kernsatz aber lautet: "Die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität."