Ein Pfeil, der eine Kurve nach rechts anzeigt.
Die Bundesregierung muss schnell entscheiden, wohin es im Klimaschutz gehen soll, sagt die Dena. (Foto: Phil Whitehouse/​Flickr)

"Die Strukturwandelkommission hat eigentlich Glück", schmunzelt der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur Dena Andreas Kuhlmann bei der Vorstellung der Leitstudie "Integrierte Energiewende" in Berlin. Dass die Studie, an der die Dena 18 Monate lang arbeiten ließ, ausgerechnet zum Start der Kohlekommission fertig wird, konnte zwar niemand wissen. Dennoch empfiehlt Kuhlmann der Kommission: "Nehmen Sie sich zwei Tage Zeit und lesen Sie in Ruhe die Studie."

Die Kapazitäten der Braunkohle müssen laut der Studie von 20 Gigawatt im Jahr 2015 auf 13 Gigawatt im Jahr 2030 reduziert werden. Bei der Steinkohle werden es noch zwischen acht und elf Gigawatt sein, 2015 waren es 25. Dafür muss die Kapazität der Gaskraftwerke steigen. Während es hier im Jahr 2015 noch 30 Gigawatt waren, müssen es 56 bis 75 Gigawatt Gas werden.

Nach einem Ausstiegsdatum für die Braunkohle gefragt, wollte sich Kuhlmann nicht festlegen. Die Dena kommt in der Studie lediglich zu dem Ergebnis, dass die Kohleverstromung "bis 2050" aus dem Markt geht.

In der Studie hat die Dena drei Szenarien durchgespielt und jeweils untersucht, was in den einzelnen Sektoren passieren muss, damit die Klimaziele der Bundesregierung für 2030 oder 2050 erreicht werden können.

Im sogenannten Referenzszenario, das alle bereits getroffenen politischen Entscheidungen berücksichtigt, werden die Klimaschutzziele – wenig überraschend – nicht erreicht: Die CO2-Emissionen können bis zum Jahr 2050 bestenfalls um 62 Prozent reduziert werden. Und das, obwohl die Dena das Szenario bereits als "ambitioniert" bezeichnet. Sie nimmt an, dass der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 im EU-Emissionshandel zum Jahr 2050 auf 60 Euro steigt.

Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung sieht allerdings vor, dass die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent reduziert werden.

Im zweiten Szenario der Studie geht die Dena davon aus, dass die meisten Prozesse in Industrie, Gebäude- und Verkehrssektor künftig auf Basis von Strom stattfinden. Das Ergebnis: Die Ziele für 2030 und 2050 können erreicht werden.

Das von der Dena favorisierte Szenario, weil "kostengünstiger und flexibler", ist allerdings das dritte. Dort geht die Dena von einem breiteren Mix an Technologien aus. Namentlich Power-to-Gas und Power-to-Liquid, bei denen überschüssiger Strom für die Herstellung von Methan oder Flüssigbrennstoffen verwendet wird, spielen hier eine wichtige Rolle.

Auch hier können beide Klimaziele erreicht werden, allerdings setzen sich die Sektoren etwas anders zusammen als im Elektrifizierungsszenario.

Vorschläge, die ans Eingemachte gehen

Ob mit viel Elektrifizierung oder mit einem Technologiemix, der Unterschied zwischen 80 und 95 Prozent Reduktion im Jahr 2050 ist enorm: Dürfen im ersten Fall noch 250 Millionen Tonnen CO2‑Äquivalent jährlich ausgestoßen werden, sind es bei 95-prozentiger Minderung nur noch 64 Millionen.

"Es gibt dann keinen Platz mehr für Emissionen in den Sektoren Energie, Gebäude und Verkehr. In der Industrie geht es nicht ohne CCS und große Innovationen", erklärt Harald Hecking, Geschäftsführer der Kölner Beratungsfirma EWI Energy Research and Scenarios, die die Studie erarbeitet hat.

Als die Dena die Zwischenergebnisse der Studie im vergangenen Oktober vorstellte, hatte es noch geheißen, die 2050er-Ziele, vor allem die 95 Prozent, seien nicht erreichbar. In der Zwischenzeit habe man sich aber entschieden, die umstrittene CCS-Technologie mit aufzunehmen. 16 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent jährlich müssten mit dieser Technologie aus der Atmosphäre entfernt werden. Außerdem müssten in der Industrie umfangreiche Innovationsprozesse angestoßen werden.

Vor allem deshalb sei es wichtig, dass sich die Regierung möglichst bald auf eines der zwei Ziele, 80 oder 95 Prozent, festlegt. Denn in der Industrie gebe es lange Entwicklungszyklen von zehn bis 15 Jahren, erklärt Kuhlmann. Und welches der beiden Ziele es sein soll, sagt er auch: "Wenn man Paris ernst nimmt, wird man nicht um die 95 Prozent herumkommen." In der Bundesregierung hingegen werde das bisher noch nicht ernst genug genommen.

"Wenn wir das 2030er Ziel erreichen wollen, müssen wir sofort aktiv werden", betont Kuhlmann, auch mit Blick auf die Kohlekommission. Als Handlungsempfehlungen abseits der Kohle nennt der Dena-Chef die steuerliche Abschreibung im Gebäude-Bereich.

Außerdem sollen die Länder den Netzausbau vorantreiben und ihre Abstandsregelungen für Windkraft überdenken. Und natürlich müsse in dem von der Dena favorisierten "technologieoffenen" Szenario noch viel für die Entwicklung von Power-to-Gas und Power-to-Liquid getan werden.

Auch einen CO2-Preis fordert die Dena. "Im Modell haben alle Sektoren einen CO2-Preis. Aber es ist nicht gesagt, dass das alles Mindestpreise des europäischen Emissionshandels sind", erklärt Hecking. Zum Verkehrssektor sagt er: "Ein CO2-Preis allein reicht nicht, ist aber eine Grundvoraussetzung." So solle beispielsweise die Besteuerung am CO2-Ausstoß ausgerichtet werden.

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