Porträtaufnahme von Andreas Knie.
Andreas Knie. (Foto: Sebastian Knoth)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Herausgeberrats erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.

Klimareporter°: Herr Knie, Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat erstmals vor einem Bundestagsuntersuchungsausschuss zur gescheiterten Pkw-Ausländer-Maut ausgesagt. Die ist nicht das einzige Debakel seiner Ministerkarriere. Was waren Scheuers "Worst-ofs"?

Andreas Knie: Eine vollständige Liste wäre zu lang. Das Schlimmste war die Idee, die Autos, die mit manipulierten Abgasreinigungsanlagen unverkäuflich sind, mit Steuermitteln hoch zu rabattieren, denn, so der Minister: "Die Autos müssen ja vom Hof."

An Nummer zwei kommt, den über viele Jahre diskutierten und dann verschärften Bußgeldkatalog der Straßenverkehrsordnung einfach zu blockieren und damit faktisch einen Freifahrtschein für Raser in der Stadt zu erteilen.

Auf Nummer drei setze ich die beständige Weigerung des Ministers, endlich das längst überfällige generelle Tempolimit auf den deutschen Autobahnen einzuführen.

Anders als Tesla schaffen es deutsche Autohersteller wie VW, BMW oder Daimler nicht, eine vernünftige Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge aufzubauen, kritisiert Volker Quaschning in seiner Videokolumne. Auch Studien attestieren Chaos und Intransparenz. Woran scheitert ein einfaches, einheitliches Ladesystem?

Die deutschen Automobilkonzerne haben in allen strategischen Zukunftsfragen komplett versagt. Es sind Männer, die sich mit anderen alten Männern absprechen und dabei völlig aus der Zeit gefallen sind.

Sie reißen damit eine ganze Branche in den Abgrund, verdienen aber selbst ganz prächtig dabei. Weder konnten neue Antriebe in einer nennenswerten Weise auf die Straße gebracht werden, noch wird an alternativen Verwendungen von Automobilen – Stichwort Carsharing – gearbeitet oder das eigentliche Thema der Branche, nämlich das autonome Fahren, angegangen.

Die deutschen Autobauer haben sich zu einer Wagenburg formiert und den Kontakt zur Wirklichkeit verloren. Wie sagte es neulich ein Kabarettist so trefflich: Die deutsche Autoindustrie funktioniert wie die katholische Kirche und Elon Musk ist Martin Luther.

Corona hat die Mobilität verändert, die Zahl der zurückgelegten Wege ist zurückgegangen. Darunter haben auch Sharing-Mobilitätsdienste gelitten, etwa der Sammeltaxi-Dienst Clevershuttle, der in mehreren Städten zumachen musste. Kann sich die Branche davon erholen, oder was braucht sie dafür von der Politik?

Die Sharing- und Poolingbranche wird sich nicht mehr erholen, wenn politisch nichts geschieht. Ende dieses Jahres werden Berlkönig, Clevershuttle, Moia oder auch Share Now völlig verschwunden sein.

Denn der öffentliche Raum ist klar definiert. Das private Auto kann überall umsonst parken und die Straßen damit blockieren. Sharing- und Poolingkonzepte sind gewerbliche Angelegenheiten und müssen dafür teuer bezahlen. Es muss aber genau umgekehrt sein!

Wir brauchen also eine völlig neue Straßenverkehrsordnung mit einer klaren Botschaft: Private Autos können nicht länger auf öffentlichen Straßen geparkt werden. Das wäre ein riesiger Schub für neue Dienste.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Die Flugzeuge bleiben tatsächlich mehrheitlich am Boden. Der Luftverkehr erholt sich weder im Inland noch im Ausland. Die Branche lernt um und viele Flughäfen müssen sich komplett neu erfinden.

Fragen: Susanne Schwarz

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