Kommt die Auto-Kaufprämie, oder kommt sie nicht – und wenn, für welche Modelle? Nur für E-Autos oder auch für Spritsäufer? Oder wäre nicht eine allgemeine "Mobilitätsprämie" angesagt, die in Zeiten der Klimakrise auch dem öffentlichen Verkehr und Fahrradnutzern zugutekommt?
Die Debatte darüber läuft gerade heiß, denn am Dienstag nach Pfingsten will die Groko ihr Konjunkturprogramm zur Corona-Bewältigung konkretisieren – und die Autobauer spielen dabei eine entscheidende Rolle. Es geht immerhin um die wichtigste Branche der deutschen Industrie, die für 800.000 Arbeitsplätze und zehn Prozent der Wirtschaftsleistung steht.
Der ursprünglich für den gleichen Tag anberaumte "Autogipfel" wurde zwar abgesagt, aber dass die Politik in Berlin den Autobauern wie nach der Weltfinanzkrise 2008 wieder eine Art Abwrackprämie spendiert, ist damit nicht vom Tisch.
Die Konzerne, deren Absatz eingebrochen ist, machen gewaltig Druck, und besonders die Regierungen der "Autoländer" Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen lassen sich gerne von ihnen einspannen. Parteizugehörigkeiten spielen da keine Rolle.
Doch es regt sich zunehmend Widerstand gegen eine reine Autokauf-Prämie, nicht nur bei den Umweltverbänden, die schon damals gegen die PS-Hilfen gestritten hatten, oder bei einschlägigen Thinktanks. Auch in der Union sind die Widerstände diesmal groß. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion könnte es sogar eine Mehrheit gegen die Pläne des Wirtschaftsministeriums geben.
Attac- und Verkehrsgruppen protestieren
Und auch bei den meisten Bundesbürgern stoßen die Regierungspläne auf Ablehnung. In einer repräsentativen Umfrage des Instituts Civey für den Bahnverband Allianz pro Schiene sprachen sich knapp 60 Prozent der Befragten dafür aus, statt der Autoprämie eine breit angelegte Mobilitätsprämie einzuführen.
Die Idee: Die Verbraucher sollen selbst entscheiden können, ob sie die Förderung für den Kauf von umweltschonenderen Autos oder Fahrrädern respektive E-Bikes oder von Bahn- und Bus-Abos nutzen.
Die reine Autoprämie fand in der Umfrage mit unter 30 Prozent gerade halb so viele Anhänger. Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege kommentierte: "Es kann nicht sein, dass die Politik mit Steuerzahlergeld Klimakrise und Megastaus weiter antreibt." Auch der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, hat sich der Forderung nach einer Mobilitätsprämie angeschlossen.
Umwelt- und Klimaverbände sowie andere zivilgesellschaftliche Gruppen versuchen, den Druck auf die Groko in der kritischen Phase zu erhöhen. Attac-Gruppen gingen am Freitag zusammen mit verkehrspolitisch Aktiven in vielen Städten auf die Straße. Aktionen gab es unter anderem in Aachen, Berlin, Bremen, Düsseldorf, Kassel und Köln. Das Motto: "Keine Kohle für Klimakiller! Verkehrswende statt Abwrackprämie!"
Attac-Experte Thomas Eberhardt-Köster nannte es angesichts des drohenden Klimakollapses "absurd und dreist", neue Steuermilliarden in die Förderung des Autoverkehrs zu stecken, während die Aktionäre der Autokonzerne weiter Dividenden erhielten.
SPD-Landeschef warnt vor Job-Kahlschlag
Die Prämienbefürworter hingegen sehen die ganze Branche vor dem Absturz, wenn neben E-Autos nicht auch Benziner und Diesel gefördert werden. Der Industrieverband BDI argumentiert, ohne eine solche breite Kaufprämie drohe "ein Niedergang der deutschen Automobilindustrie", den Deutschland sich schlicht nicht erlauben dürfe.
Der Branchenverband VDA argumentierte in einem internen Positionspapier, um die Produktion schnell wieder auslasten zu können, müsse die Nachfrage in allen Fahrzeugsegmenten schnell wieder anziehen. "Selektive Kaufanreize" führten zu "asymmetrischer Auslastung. Das gefährdet Arbeitsplätze." Zu Deutsch: Auch Käufer von 250-PS-Benzin-SUV sollen einen Zuschuss erhalten.
Zuletzt forderte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) angesichts der prekären Lage besonders der Zulieferer eine rasche Entscheidung. "Wenn nicht schnell die Nachfrage anspringt, werden viele bald die Bücher zuklappen und sagen: Sorry, das war's."
Diese Unternehmen hätten weniger finanzielle Reserven als die großen Konzerne. Der VDA hatte jüngst vor einem drastischen Personalabbau bei Zulieferern gewarnt. Es stünden bereits 12.500 Jobs auf der Kippe. Ziehe die Autonachfrage nicht bald an, könnten bis Ende Juli fast zwei Drittel der Firmen Stellen streichen – manche bis zu 40 Prozent.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) fährt dem Vernehmen nach eine sehr industrienahe Linie. Nach seinen Vorstellungen sollten Autos mit einem CO2-Ausstoß von bis zu 140 Gramm pro Kilometer gefördert werden – ein Wert weit oberhalb des ab 2021 gültigen EU-Flottengrenzwerts von 95 Gramm. Die Käufer von großen, PS-starken Autos der hiesigen Autobauer kämen so ebenfalls in den Genuss der Prämie.
"Ich sehe nicht, dass Autokonzerne Geld brauchen"
Noch gibt es aber keine Beschlüsse. Finanzminister Olaf Scholz und Umweltministerin Svenja Schulze (beide SPD) positionierten sich gegen Scheuer. Scholz will laut Spiegel eine Kappung bei 110 Gramm.
Andere in der SPD lehnen eine Kaufprämie diesen Zuschnitts ganz ab. "Eine Abwrackprämie, die Technologien aus dem letzten Jahrhundert fördert, löst keine Probleme von morgen", so die Fraktionsvizes Sören Bartol, Matthias Miersch und Achim Post. Wichtiger sei ein Absatzschub für klimafreundliche Autos, etwa durch ein Flottenaustauschprogramm für Handwerker, soziale Dienste und kommunale Fuhrparks.
Dass sich eine solche Position in einem Kabinett von "Klimakanzlerin a. D." Angela Merkel durchsetzt, ist höchst unwahrscheinlich. Doch auch Scheuer pur dürfte es nicht geben. Dazu beitragen wird das Sperrfeuer gegen eine Verbrennerprämie, das nicht nur aus der Umweltszene, sondern auch aus der traditionellen Ökonomie kommt.
Wirtschaftsinstitute, die 2008 die Abwrackprämie noch unterstützten, sind nun gegen eine Neuauflage. Und großes Aufsehen erregten jüngst die "Wirtschaftsweisen" der Bundesregierung, die ebenfalls abwinkten. Es gelte, nicht allein die Nachfrage zu stärken, "sondern zugleich den Strukturwandel sinnvoll zu unterstützen".
Am deutlichsten ging jetzt das "Weisen"-Mitglied Monika Schnitzer zur Sache. "In jeder Krise kommt die Autoindustrie", kritisierte die Ökonomin, und halte die Hand auf. Es sei falsch, diesen Ruf zu erhören – schon weil das die übermäßige Abhängigkeit Deutschlands von dieser einen Branche weiter zementiere. "Ich sehe nicht, dass Autokonzerne Geld brauchen", sagte Schnitzer. Diese bekämen per Kurzarbeitergeld genug Staatshilfe.