Windräder in der Abendsonne
Der Ausbau der Windkraft geht zu langsam voran. (Foto: Tanja Milfoil/​Flickr)

Power-to-X lautet das neue Zauberwort in der Erneuerbaren-Energietechnik. Es ist der Sammelbegriff für Power-to-Gas, Power-to-Liquid oder Power-to-Chemicals. Die Anglizismen bedeuten: Ökostrom soll genutzt werden, um Gase wie Wasserstoff oder Methan, Kraftstoffe oder Basis-Chemikalien für die Industrie zu synthetisieren.

Es handelt sich um die zweite Revolution des Energiesystems nach der Markteinführung des Grünstroms, der in Deutschland inzwischen schon rund 40 Prozent der verbrauchten Elektrizität liefert. In der Praxis gibt es freilich noch große Hürden. Das Öko-Institut hat die Probleme jetzt in einer Studie analysiert, Auftraggeber war der Umweltverband BUND.

Mit den Power-to-X-Technologien sollen zwei große Probleme gelöst werden. Erstens: Sie sollen überschüssigen Ökostrom nutzbar machen, der bei einem weiteren Ausbau von Solar- und Windenergie an wind- und sonnenreichen Tagen immer häufiger anfallen wird.

Zweitens: Sie sollen es ermöglichen, die grüne Elektrizität auch in anderen Sektoren nutzbar zu machen – zur Gebäudeheizung, in Verbrennungsmotoren im Verkehr und als Rohstoffe in der chemischen Produktion. Das Fachwort dafür: Sektorkopplung.

Synthetische Kraftstoffe können klimaschädlicher sein als Diesel

Tatsächlich wäre es falsch, blindlings auf die neuen Energieträger umzustellen. Sie sind nicht automatisch klimafreundlich und nachhaltig. Eine CO2-Einsparung bringen sie nur, wenn sie mit überschüssigem oder zusätzlichem Ökostrom erzeugt werden. Sonst können sie sogar eine deutlich schlechtere Klimabilanz als fossile Brenn- und Kraftstoffe haben, so die Studie.

Nutzt man Normalstrom, wie er heute im Netz fließt, entstehen pro Kilowattstunde der neuen Energieträger 700 bis 1.100 Gramm CO2. Zum Vergleich: Wird Erdgas direkt verbrannt, sind es nur 240 Gramm, bei Diesel 300. Ein Umstieg beim Heizen oder Tanken wäre also höchst kontraproduktiv. Anders ist es, wenn Ökostrom aus zusätzlich gebauten Solar- oder Windkraftanlagen zum Zuge kommt. Dann kann Power-to-X als fast klimaneutral gelten.

Doch nicht nur die Stromquelle ist für die Klimabilanz wichtig. Großen Einfluss hat laut der Studie auch, woher die zweite Komponente kommt, die für die neuen Energieträger gebraucht wird: Kohlendioxid. Es wird benötigt, um den Wasserstoff, der bei den Power-to-X-Verfahren per Elektrolyse hergestellt wird, in gut handhabbare Energieträger umzuwandeln, in synthetisches Methan zum Beispiel, das man ins Erdgasnetz einspeisen kann, oder in synthetischen Sprit.

Power-to-X sei nur dann wirklich sinnvoll, wenn das CO2 direkt aus der Luft oder bei der Biomasse-Verbrennung gewonnen wird: "Nur so wird ein CO2-Kreislauf mit der Umgebungsluft möglich", heißt es in der Analyse.

Bundesregierung will "Wasserstoff-Strategie" vorlegen

Kohlendioxid zu nutzen, das in herkömmlichen Industrieprozessen entsteht, sei kontraproduktiv, warnt das Öko-Institut. Dadurch wachse das Risiko, die nötige Emissionsreduktion im Industriesektor zu verlangsamen. "Power-to-X-Anlagen laufen 20 Jahre und mehr. Und für diesen Zeitraum verliert die Industrieanlage, die das CO2 liefert, den Anreiz zur CO2-Minderung", laut die Kritik.

Noch freilich steckt die Wasserstoff-Wirtschaft in den Kinderschuhen. Das Potenzial immerhin hat die Bundesregierung erkannt. Bis Dezember will sie eine "Wasserstoff-Strategie" erarbeiten. Und Bundeswirtschaftsminister Altmaier (CDU) hat 500 Millionen Euro Fördermittel für Projekte ausgelobt, in denen es größtenteils um Power-to-X geht.

In der Union wird zudem darüber nachgedacht, den Strom für die Elektrolyse in den neuen, grünen "Raffinerien" von der EEG-Umlage zu befreien. Das ist in der Tat überfällig, denn sie hemmt deren Wirtschaftlichkeit.

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