Plattform steht im Meer, darauf ein hausgroßer Kasten mit der Aufschrift
Aus Meerwasser soll die Anlage auf der Plattform mithilfe von Windenergie "grünen" Wasserstoff herstellen. (Foto: Tractebel)

Nicht nur in Europa, sogar weltweit scheint das Projekt einmalig zu sein. Eine künstliche Insel soll nach dem Willen der dänischen Regierung in der Nordsee aufgeschüttet und mit Anlagen bestückt werden, die den per Unterseekabel angelieferten Windstrom in grünen Wasserstoff und andere Öko-Gase sowie auch grüne Kraftstoffe umwandeln.

Die Insel wird dazu mit Offshore-Windparks umstellt, die bis zu 10.000 Megawatt Leistung bringen sollen. Zum Vergleich: Deutschland verfügte Mitte 2019 gerade einmal über 6.600 Megawatt Windkraft auf See.

Noch vor 2030 soll die gasgrüne Insel in Betrieb gehen, hatte der dänische Klima- und Energieminister Dan Jørgensen dem Magazin Spiegel während der Madrider Klimakonferenz erzählt. Ebenso gigantisch wie die Dimensionen sind die Kosten des Projekts, die umgerechnet bei etwa 27 bis 40 Milliarden Euro liegen sollen, wie das Nachrichtenmagazin schreibt.

Ausdrücklich bestätigt hat das Ministerium das Mega-Projekt auf Anfrage von Klimareporter° noch nicht. Die Darstellungen ähneln einem noch größeren Projekt, das der staatliche dänische Netzbetreiber Energinet und sein niederländisches Pendant Tennet vor zwei Jahren vorgestellt hatten.

In Wirklichkeit schüttet Dänemark bei den Power-to-X-Technologien – bildlich gesprochen – auch erst einmal keine Insel, sondern eher nur einen Sandhaufen auf. Mitte Dezember gab das Energieministerium bekannt, dass es zwei große Power-to-X-Projekte mit zusammen 17,1 Millionen Euro fördert. So wolle man die technologische Entwicklung von Power-to-X beschleunigen.

Erneuerbare Energien seien so weit fortgeschritten, erklärte Energieminister Jørgensen dazu, dass sie selbst keine Unterstützung mehr benötigten und man sich darauf konzentrieren könne, ihr enormes Potenzial freizusetzen. "Der nächste große Schritt im grünen Wandel ist die Entwicklung von Technologien, mit denen Ökostrom beispielsweise in Kraftstoffe für Busse, Flugzeuge und Schiffe umgewandelt werden kann."

Grüner Wasserstoff direkt vom Offshore-Windpark

Für den großen Schritt muss man allerdings nicht gleich Milliarden für eine PtX-Insel in der Nordsee ausgeben. So stellte die in Brüssel ansässige Tractebel-Gruppe, eine Ingenieurs- und Beratungsfirma mit weltweit rund 5.000 Mitarbeitern, im vergangenen Oktober das Modell einer Hochsee-Plattform vor, die mittels Elektrolyse praktisch inmitten eines Offshore-Windparks grünen Wasserstoff gewinnen kann.

Alles, was zu dessen Herstellung gebraucht wird, soll auf der Plattform Platz finden: Elektrolyseeinheiten, Transformatoren, aber auch Anlagen zur Meerwasserentsalzung, um das Reinstwasser zu gewinnen, das für die Elektrolyse benötigt wird. Die Tractebel-Entwickler von den deutschen Tochterfirmen Lahmeyer und Overdick halten eine Plattform-Leistung von bis zu 400 Megawatt möglich.

Das Vorgehen würde mehrere Probleme lösen: Erstens käme man zu mehr grünem Wasserstoff für die Energiewende, zweitens würden die Netze entlastet, wenn Strom gleich vor Ort umgewandelt wird. Drittens ließen sich Schwankungen der Erneuerbaren besser ausgleichen.

Ökostrom in Wasserstoff umzuwandeln sei für jede Region interessant, wo eine Anbindung ans Stromnetz nicht möglich oder nicht sinnvoll ist, meint Geert Tjarks von der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW), einem Unternehmen der Bundesregierung. "Das betrifft nicht nur Seegebiete, sondern auch Landflächen." Auf diese Weise könnten zusätzliche Standorte erschlossen werden, um erneuerbare Energien zu gewinnen.

Für Tjarks, der bei NOW für die internationale Kooperation zuständig ist, hängt die Umsetzbarkeit eines solchen Projekts wie der dänischen PtX-Insel "letztlich stark von der Wirtschaftlichkeit ab". Aus Sicht von NOW gibt es dabei in Deutschland kurz- und mittelfristig "marktnähere" Projekte, um grünem Wasserstoff herzustellen – etwa aus Windkraft, die aus der EEG-Förderung fällt.

CDU-Landeschef frustriert von Berliner Politik

In Deutschland kommen dabei selbst an Land kleine gasgrüne Insellösungen nur schwer voran. Seinem diesbezüglichen Ärger machte Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Ende November vergangenen Jahres beim Windgipfel der norddeutschen Bundesländer Luft.

Wer richtig frustriert sein wolle, müsse sich in Schleswig-Holstein nur anschauen, wie Windparks abgeschaltet würden, klagte der Landeschef. Was sei das für ein Irrsinn, dass die Anlagen vom Netz gingen, obwohl Deutschland den Ökostrom gebrauchen könnte, so Günther weiter – weil es am Netzausbau fehle, aber auch, weil die Regulatorik in Deutschland zu schlecht sei.

Gern würde Günther, gab er beim Windgipfel zu verstehen, etwa aus dem Hamburger Flughafen ein Demonstrationsobjekt machen, wie Flugzeuge CO2-frei mit grünen Kraftstoffen betankt werden können – mit dem Ziel, innerhalb der nächsten zehn Jahre den ganzen Flugbetrieb auf grüne Antriebe umzustellen. "Wenn wir nicht dahin kommen, die Fesseln zu lösen und alles auf Grün zu stellen, dann versündigen wir uns an den Klimazielen", betonte der Ministerpräsident.

Real hat der Hamburger Flughafen im vorigen September erstmal einen einzelnen Gepäckschlepper mit Wasserstoffantrieb vorgestellt, der auf dem Flughafen-Vorfeld probeweise eingesetzt wird. Bewährt sich dieser Antrieb, könnten nach und nach alle rund 60 Gepäck-Fahrzeuge auf Wasserstoff umgestellt werden, heißt es.

Derzeit muss man offenbar froh sein, wenn bei den grünen Antrieben wenigstens kleine Insellösungen zustande kommen.

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