Wasserstoff wird mit verschiedenen Farben je nach der Herstellungsmethode bezeichnet. Herkömmlicher Wasserstoff ist "grau". Hier wird der Wasserstoff von Erdgas – also Methan (CH4) – abgespalten und der Kohlenstoff in Form von CO2 in der Atmosphäre entsorgt.
Alternativ kann man Wasserstoff mittels Elektrolyse aus Wasser herstellen. Geschieht das mit Grünstrom, wird kein CO2 freigesetzt, der Wasserstoff ist "grün".
Es gibt aber auch die "blaue" Variante: Hier wird der Wasserstoff ebenfalls aus Erdgas hergestellt, aber dann wird das anfallende CO2 abgeschieden und im Untergrund verpresst – ein Verfahren, das als CCS (Carbon Capture and Storage) bekannt ist.
Doch wie klimafreundlich ist blauer Wasserstoff? Im August erschien eine US-Studie, die zum Schluss kam: "Die Verwendung von blauem Wasserstoff ist aus Klimagründen schwer zu rechtfertigen." Die Treibhausgasemissionen von blauem Wasserstoff seien nur neun bis zwölf Prozent geringer als bei grauem Wasserstoff.
Die Studie wurde allerdings wegen ihrer Annahmen kritisiert. So gingen die Autoren von einem Methanverlust von 3,5 Prozent bei der Förderung und dem Transport von Erdgas aus. In den USA ist der Wert wahrscheinlich hoch, in Norwegen dürfte er jedoch unter 0,5 Prozent liegen. Genaue Zahlen gibt es noch nicht.
Neue Studie
Im September erschien dann eine neue Studie mit einem ganz anderen Resultat: Unter bestimmten Voraussetzungen verursache blauer Wasserstoff in etwa die gleichen Emissionen wie grüner.
Entscheidend sind die Methanemissionen und die Effektivität der CO2-Abscheidung. Geht man hier von neuester Technik und kurzen Transportwegen für das Erdgas aus, dann liegen die Emissionen von blauem Wasserstoff laut der Studie im gleichen Bereich wie die von grünem.
Zudem ließen sich sogar negative Emissionen erzielen: Wenn man statt Erdgas Biogas als Ausgangsstoff nutze, seien die Emissionen dank CCS negativ.
Doch zurück zum blauen Wasserstoff aus Erdgas: Braucht die Welt das, wenn es doch eine noch grünere Alternative gibt?
Hier kommt der Energiebedarf bei der Herstellung von grünem Wasserstoff ins Spiel. Wie gewaltig dieser ist, zeigen Zahlen von Michael Liebreich, dem Gründer der Denkfabrik Bloomberg New Energy Finance (Bnef) in London: Um den aktuellen Bedarf an Wasserstoff etwa für die Düngerproduktion zu decken, würde der gesamte Strom aus erneuerbaren Quellen weltweit benötigt.
Und das ändert sich auch nicht schnell. Wenn man vom Ausbaupfad für Grünstrom der Internationalen Energieagentur IEA ausgeht, würde selbst im Jahr 2050 noch der gesamte Strom aus diesen Quellen für die Herstellung von Wasserstoff benötigt (siehe Grafik oben).
Nicht genug Grünstrom
Dabei geht Liebreich davon aus, dass Wasserstoff nur in den Sektoren eingesetzt wird, in denen es unumgänglich ist. Welche das sind, zeigt seine "Wasserstoffleiter" anschaulich (siehe Grafik unten). Ganz oben steht hier Kunstdünger und ganz unten stehen Autos mit einer Brennstoffzelle statt einer Batterie ("H2FC cars"). In den meisten Fällen ist es schlicht besser, Strom direkt zu nutzen.
Auch die Autoren der zweiten Studie kommen zum Schluss, dass Wasserstoff nur in Sektoren eingesetzt werden sollte, die sich nicht elektrifizieren lassen, denn "die direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien hat Vorteile sowohl in Bezug auf die Emissionen als auch auf die Kosten". Andere Untersuchungen kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Trotzdem wird Wasserstoff benötigt, wenn die Menschheit ihre Klimaziele erreichen will. "Aus diesem Grund habe ich mit blauem Wasserstoff meinen Frieden gemacht", sagt Liebreich. "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass grüner Wasserstoff in ausreichenden Mengen, schnell genug und mit geringen Umweltauswirkungen produziert werden kann, um die Nachfrage zu decken."
Damit deckt sich seine Einschätzung mit derjenigen der zweiten Studie: "Angesichts der kurz- bis mittelfristigen Knappheit von grünem Wasserstoff kann blauer Wasserstoff eine Rolle als Brückentechnologie spielen, die den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur unterstützt."