Solarpaneele auf einem großen Flachdach.
Das neue EEG droht auch Solardächer auf Einzelhandelsmärkten, Lagern und anderen Gewerbegebäuden auszubremsen. (Foto: Peter Arnold Wallantin/​Pxhere)

Dass Rewe nicht nur Lebensmittel, sondern auch Strom verkauft, dürfte den meisten Kund:innen des Einzelhandelskonzerns verborgen geblieben sein. Denn die Energie-Handels-Gesellschaft (EHA), eine Rewe-Tochter, verkauft den Ökostrom vor allem an die eigenen Filialen oder an andere Einzelhändler wie die Textilkette AWG Mode und an Bäckereien.

Zwar kauft das Hamburger Unternehmen den überwiegenden Teil des Stroms von Stadtwerken, doch seine eigene Erzeugung baut es stetig aus.

"Wir haben in den vergangenen Jahren einiges beim Erneuerbaren-Ausbau gemacht", sagt Jan-Oliver Heidrich, EHA-Geschäftsführer und Vorsitzender im Energieausschuss des Handelsverbandes Deutschland. Vor allem Solarstromanlagen mit einer Nennleistung bis 750 Kilowatt habe das Unternehmen auf Dachflächen von Lagern und Märkten installiert.

Doch das könnte sich mit der kommenden Novelle des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) bald ändern. Bisher müssen sich nur Anlagen ab 750 Kilowatt an der staatlichen Ausschreibung beteiligen, wenn sie eine Vergütung nach dem EEG in Anspruch nehmen wollen. Der Entwurf für das neue EEG, den das federführende Bundeswirtschaftsministerium im September vorgelegt hat, sieht vor, die Ausschreibungsgrenze auf 500 Kilowatt abzusenken.

"Wir sind entsetzt, dass das Ministerium das Segment, das für den Einzelhandel am lohnenswertesten ist, derart beschneiden möchte", sagt Heidrich. Wenn das Gesetz so beschlossen werde, werde der Einzelhandel künftig nur noch kleine Anlagen bis maximal 499 Kilowatt installieren.

Eigenverbrauch soll gestoppt werden

Zugleich will das Ministerium es unterbinden, dass die Eigentümer den Solarstrom auch künftig selbst nutzen können. Wer für eine Solaranlage größer als 500 Kilowatt die EEG-Förderung erhält, soll verpflichtet werden, sämtlichen erzeugten Strom ins Netz einzuspeisen.

Dabei ist der anteilige Eigenverbrauch für viele Unternehmer der eigentliche Grund zur Investition in eine Solaranlage. Wer künftig seinen Strom selber nutzen will, muss den Rest umständlich selbst verkaufen. Das scheuen die Unternehmen aber.

Eigentlich braucht es für die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien auch den Bau von Photovoltaik-Anlagen auf möglichst vielen Dächern – wie eben denen von Gewerbetreibenden. Erschwert nun aber die EEG-Reform den Ausbau dieses Segments, droht bis 2030 ein volkswirtschaftlicher Schaden von 7,7 Milliarden Euro.

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls das Bonner Markt- und Wirtschaftsforschungs­unternehmen EUPD Research in einer Kurzstudie für den Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). Schon im kommenden Jahr drohe die jährlich neu installierte Solarstromkapazität auf größeren Gewerbedächern um zwei Drittel einzubrechen.

Rund 850 Megawatt wurden 2019 insgesamt in diesem Segment installiert, und auch in diesem Jahr rechnet der BSW noch mit einem Zubau von 800 Megawatt. Vom nächsten Jahr an wäre das vorbei – auch weil das Wirtschaftsministerium 2021 und 2022 nur jeweils 250 neue Megawatt ausschreiben will.

Viel zu wenig und weit unter Bedarf, beschweren sich nun der Solar- und der Handelsverband. Die Novelle würde dazu führen, dass allein im Segment von 500 bis 750 Kilowatt ein Zubau von Solaranlagen mit 4.200 Megawatt Gesamtkapazität ausbleiben würde.

Der Solarwirtschaft entgingen 3,2 Milliarden Euro und es kämen weniger Menschen in Beschäftigung, so die Verbände. Weil etliche Milliarden Kilowattstunden Solarstrom nicht erzeugt würden, entstünden zudem Klima- und Gesundheitskosten von 4,5 Milliarden Euro.

"Das stößt tausende Unternehmer vor den Kopf"

"Anders als bei ebenerdigen Solarparks sind Auktionen im Gebäudesektor kein geeignetes Instrument zur Vergabe von Marktprämien", sagte Studienautor Martin Ammon von EUPD Research. Die Ausschreibungen würden hier unterzeichnet bleiben, da die Teilnahme an Auktionen für Gebäudeeigentümer zu aufwendig und mit einer Bauplanung zeitlich nicht in Einklang zu bringen sei.

Bereits in den vergangenen Wochen hagelte es Kritik an der geplanten EEG-Reform. Eigentlich soll die Novelle helfen, den Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern – 2019 waren es 43 Prozent.

Doch der jetzige Entwurf berücksichtige die Ausbauziele gar nicht, klagte Carsten Körnig vom Solarverband BSW. Wenn sich bei den Ausschreibungen nichts ändere, komme der Solarausbau über die jetzigen 2.000 Megawatt pro Jahr nicht hinaus, dabei brauche es eigentlich 10.000 neue Megawatt jährlich.

"Diese solare Vollbremsung ist mit den Klimazielen und der Energiewende unvereinbar", sagte Körnig. "Sie stößt tausende Unternehmer vor den Kopf, die ihre Stromversorgung künftig mithilfe der Solartechnik klimafreundlicher gestalten wollen."

Am vergangenen Freitag war die EEG-Reform auch Stein des Anstoßes im Parlament. Das Gesetz wurde in erster Lesung im Bundestag behandelt, etliche Institutionen und Verbände wiederholten ihre Kritik.

Noch im November sollen Bundestag und Bundesrat ihre Änderungen beschließen, damit das Gesetz Anfang kommenden Jahres in Kraft treten kann. Weil aber die Parlamentarier:innen in beiden Kammern erhebliche Bedenken haben, ist offen, ob der Zeitplan eingehalten werden kann.

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