Der deutsche Solarkraftwerkspark wächst jeden Monat um bis zu 1.500 Megawatt. Auf Dächer und auf Freiflächen soll jeweils die Hälfte des Zubaus entfallen, so will es das kürzlich beschlossene Solarpaket.

Bei den Freiflächen haben bisher sogenannte Konversionsflächen sowie landwirtschaftlich genutzte Flächen einen Anteil von zusammen 60 Prozent. In den nächsten Jahren wird sich das kaum ändern. Das bedeutet auch: Jeden Monat werden mehrere hundert Hektar Äcker und Naturflächen von Solarmodulen zugedeckt.

 

Zyniker könnten hier sagen, für die Biodiversität sind Solarparks meist besser als das Intensiv-Agrobusiness. Damit habe sie sogar teilweise recht.

Diverse Projektierer werben schon lange mit sogenannter Biodiversitäts- oder "grüner" Freiflächen-Photovoltaik. Einheitliche Kriterien gab und gibt es dafür aber nicht.

Statt für solche Label einen Rahmen zu schaffen, entschied sich die Ampel-Regierung im Solarpaket für naturschutzfachliche Vorgaben für Freiflächen-Photovoltaik. Diese müssen Betreiber einhalten, um eine EEG-Vergütung für ihren produzierten Solarstrom zu bekommen – derzeit sind das maximal 7,37 Cent für die Kilowattstunde.

Das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) listet jetzt insgesamt fünf naturschutzfachliche Kriterien auf (siehe Kasten), von denen die Solarprojekte aber nur drei einhalten müssen, damit sie sich an den Ausschreibungen für die EEG-Vergütung beteiligen können.

Naturschutzfachliche Kriterien für Solarparks

  1. "Die von den Modulen maximal in Anspruch genommene Grundfläche beträgt höchstens 60 Prozent der Grundfläche des Gesamtvorhabens.
     
  2. Auf den Boden unter der Anlage wird ein biodiversitätsförderndes Pflegekonzept angewandt, indem
     
    a) die Mahd zur Förderung der Biodiversität maximal zweischürig erfolgt und das Mahdgut abgeräumt wird oder
     
    b) die Fläche als Portionsweide mit biodiversitätsfördernd an den Flächenertrag angepasster Besatzdichte beweidet wird.
     
  3. Die Durchgängigkeit für Tierarten wird gewährleistet, indem
     
    a) bei Anlagen, die an mindestens einer Seite eine Seitenlänge von mehr als 500 Metern aufweisen, Wanderkorridore für Großsäuger angelegt werden, deren Breite und Bepflanzung die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigen, und
     
    b) die Durchgängigkeit für kleinere Tierarten gewährleistet wird.
     
  4. Auf mindestens zehn Prozent der Fläche der Anlage werden standortangepasste Typen von Biotopelementen angelegt.
     
  5. Die Anlage wird bodenschonend betrieben, indem
     
    a) auf der Fläche keine Pflanzenschutz- oder Düngemittel verwendet werden und
     
    b) die Anlage nur mit Reinigungsmitteln gereinigt wird, wenn diese biologisch abbaubar sind und die Reinigung ohne die Verwendung der Reinigungsmittel nicht möglich ist."

aus: EEG 2023, § 37 (1a)

Drei aus fünf – das ergibt zehn verschiedene Kombinationen, mit denen die Solarpark-Betreiber die gesetzlichen Naturvorgaben erfüllen können.

Das Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende (KNE), eine Einrichtung des Bundesumweltministeriums, begrüßt die Aufnahme naturschutzfachlicher Mindestkriterien ins EEG. Diese seien leicht überschaubar und mit einer Nachweispflicht verbunden.

Allerdings könnten die Betreiber auch Kriterien auswählen, um die Vorgaben mit möglichst wenig Aufwand zu erfüllen, warnt das KNE. Das sei beispielsweise möglich, indem sich ein Betreiber für die ohne zusätzlichen Aufwand umsetzbaren Kriterien eins und fünf entscheidet und zusätzlich noch das vierte Kriterium wählt.

"Potenzial verschenkt"

Am Ende müssten dann für einen EEG-geförderten, bis zu 50 Hektar großen Solarpark lediglich "standortangepasste Typen von Biotopelementen angelegt" werden.

Gemeint seien damit, zitiert das KNE aus dem Gesetz, entweder "Anpflanzungen heimischer Sträucher und Hecken oder die Einsaat der Flächen mit artenreichem regionalem Saatgut". Dies schreibe aber bereits das Bundesnaturschutzgesetz vor. Das neue EEG verlange hier also nichts Neues, kritisiert das Kompetenzzentrum.

Für einen Teil der Projektierer enthalten die naturschutzfachlichen Vorgaben ohnehin wenig Überraschendes. "Betreiber, denen die Naturverträglichkeit ihrer Anlagen nicht egal ist, haben die im EEG gelisteten Kriterien auch bisher schon mindestens teilweise erfüllt", meint Felix Genze, Geschäftsführer bei der Naturstrom-Tochter Naturenergy.

Für eine hohe Akzeptanz des Photovoltaik-Ausbaus in der Freifläche hält es Genze aber für wichtig, dass nicht nur einige, sondern alle Unternehmen mitziehen. "Deswegen sind die neuen naturschutzfachlichen Standards des EEG sinnvoll", betont Genze, der die Projektentwicklungsgesellschaft des Ökostromunternehmens leitet.

Die EEG-Förderfähigkeit aber nur an drei der fünf Kriterien zu binden, hält Tina Mieritz vom Naturschutzbund Nabu für einen klaren Fehler. "Diese Reduktion der ökologischen Anforderungen kann zu Solarparks mit einem eher geringem ökologischen Wert führen", befürchtet die Erneuerbaren-Expertin. "Hier wurde Potenzial für spürbar mehr Naturschutz in Solarparks ohne Not verschenkt."

Der Nabu fordert, die naturschutzfachlichen Regelungen in dem von der Ampelkoalition angekündigten zweiten Solarpaket oder im Rahmen energierechtlicher Anpassungen etwa beim EEG nachzuschärfen. So sollte die in Kriterium eins erlaubte 60-prozentige Abdeckung der Solarparkfläche durch Module auf 40 Prozent abgesenkt werden.

Viele Solarparks hielten den 60-Prozent-Anteil ohnehin schon ein. Das sei also keine zusätzliche Anforderung, sagt die Nabu-Expertin. Wichtig wäre es aber, auch in frei finanzierten Solarparks, für die die EEG-Konditionen nicht gelten, die Modulbedeckung zu verringern. Gerade diese Anlagen würden wegen des hohen Drucks auf Kosten und Wirtschaftlichkeit mit besonders eng gestellten Modulen geplant.

Beim Kriterium drei, das die Durchgängigkeit für Tierarten gewährleisten soll, verlangt der Nabu ein Verbot der Einzäunung mit Stacheldraht. Auch müssten Wanderkorridore im Solarpark um die 50 Meter breit sein und mit heimischen Sträuchern und Bäumen bepflanzt werden, damit sie von Großwild angenommen werden und sich zu wertvollen Lebensräumen im oder am Solarpark entwickeln.

Keine Gültigkeit für frei finanzierte Solarparks

Der Branchenverband BSW Solar findet, die naturschutzfachlichen Vorgaben müssten im Einzelnen für jedes Projekt geprüft und umgesetzt werden. So könne es sinnvoll sein, das Mähgut auf der Fläche zu belassen oder zum Schutz von Bodenbrütern eine Durchgängigkeit für Tiere wie Füchse zu verhindern, merkt der BSW Solar an.

Das Kompetenzzentrum Naturschutz und Energie weist seinerseits darauf hin, dass mit den Kriterien "neue, unbestimmte Rechtsbegriffe" eingeführt würden. So sei noch nicht klar, was in ein "biodiversitätsförderndes Pflegekonzept" hineingehöre. Auch fehlten eben Festlegungen zur Ausgestaltung von Wanderkorridoren oder Zäunen, so das KNE. Hier müsse der vom Bundeswirtschaftsministerium angekündigte Leitfaden abgewartet werden.

Die Neuregelung könne für sich genommen jedenfalls noch nicht die Naturverträglichkeit aller Freiflächenanlagen sichern, fasst das KNE zusammen. Es bleibe die Aufgabe der Kommunen, in ihrer Bauleitplanung für eine naturverträgliche Gestaltung und Pflege von Solarparks zu sorgen. Das gelte gerade für die steigende Zahl von Anlagen ohne EEG-Vergütung. Dass die frei finanzierten Anlagen nicht an die Mindestkriterien gebunden seien, bemängelt auch das KNE.

Einen "One-fits-all"-Standard, also bundesweit geltende pauschale Vorgaben für den Naturschutz, halten aber KNE, BSW Solar und auch der Nabu nicht für sinnvoll. Die jetzigen Mindeststandards könnten nur eine Basis sein und müssten um standortangepasste Maßnahmen ergänzt werden.

 

Einen darüber hinausgehenden Regelungsbedarf sieht der BSW Solar derzeit jedoch nicht. Seiner Ansicht nach wird es – unabhängig von den naturschutzfachlichen Kriterien – bei der Mehrzahl der Solarpark-Standorte ohnehin zu einer ökologischen Aufwertung der Flächen kommen.

Ein Solarpark ist für die Natur meist besser ist als gar kein Solarpark? Das liegt wohl weniger am Stellenwert des Naturschutzes in der Solarbranche als vielmehr am schlechten Ausgangszustand der Flächen.

Einig sind sich Solarbranche, KNE und Nabu aber in der Bewertung, dass die Erfüllung von nur drei der fünf Kriterien es nicht rechtfertigt, von einem "grünen" oder "Biodiversitäts"-Solarpark zu sprechen. Nur wenn alle fünf Kriterien verbindlich eingehalten werden, könne ein Label "grüner Solarpark" berechtigt sein, meint der Nabu. Dann müssten aber die fünf Kriterien eben auch für frei finanzierte Projekte gelten.