Luftaufnahme eines kleineren Solarparks in Offingen in Bayerisch-Schwaben.
Breitere Wuchsstreifen zwischen den Paneelen sind ein Merkmal biodiverser Solarparks. (Foto: Andreas Gücklhorn/​Unsplash)

Ein Solarpark kann deutlich grüner sein als das übliche Agrarbusiness. Freiland-Solaranlagen können Flächen ökologisch aufwerten, Boden, Flora und Fauna schützen und die Biodiversität verbessern.

Damit das eintritt, einigten sich im April 2021 der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der Branchenverband BSW Solar auf "Kriterien für naturverträgliche Photovoltaik-Freiflächenanlagen". Die können Solarinvestoren freiwillig einhalten.

Der Begriff Biodiversität kommt auf den acht Seiten der "Kriterien" mehrmals vor – die Wortkomposition "Biodiversitäts-PV" aber noch nicht.

Anderthalb Jahre später liest sich das anders. Die Kombination aus "Biodiversität" und "Photovoltaik" findet sich in dem vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) jetzt vorlegten Pflichtenheft zur guten Planung von Freiflächenanlagen auf 13 Seiten schon achtmal.

Der BNE, ein Zusammenschluss von Energiehändlern und -dienstleistern, beackert das Konzept für grüne Solarparks seit mehr als zwei Jahren und entwickelte die Idee mit der Biodiversität weiter. Anders als das Nabu-BSW-Papier hat der BNE mit der "Biodiversitäts-PV" ausdrücklich eine Doppelnutzung der Fläche im Blick.

Agri-PV oft nicht wirtschaftlich

Das Umnutzen der Flächen als Solarpark verändere die Bewirtschaftungsweise hin zu weniger intensiven Methoden, erklärt Bernhard Strohmayer vom BNE gegenüber Klimareporter°. "Die Umnutzung führt, wenn man es nicht vollkommen falsch anstellt, immer zu einer Erhöhung der Biodiversität", betont der Ingenieur, der beim BNE den Bereich erneuerbare Energien leitet.

Der Verband sieht die Biodiversitäts-PV dabei auf Augenhöhe mit der sogenannten Agri-PV. Unter diesem Begriff werde die Doppelnutzung in der Regel nur als Verbindung zwischen (hoch) produktiver Landwirtschaft und Solarenergienutzung diskutiert, nur manche dieser Konzepte seien "wirtschaftlich tragbar", zeigt sich der BNE in der Selbstverpflichtung wenig begeistert.

Agri-PV-Konzepte könnten auch "keine oder nur geringe Beiträge zum Erhalt der Biodiversität liefern", wird weiter behauptet. Dafür seien weitere, ebenfalls landwirtschaftlich genutzte Flächen nötig. Es sei daher legitim, die Debatte um die Doppelnutzung von Flächen auf die Biodiversitäts-PV zu erweitern, argumentiert der BNE.

Für Strohmayer fehlen bei der Agri-PV zudem noch immer Projekte und Planungserfahrungen. Auch erwarte der BNE, dass angesichts eines bis 2030 nötigen Solarpark-Ausbaus von 60.000 bis 100.000 Megawatt die "weit überwiegende Mehrheit" der neuen Projekte als herkömmliche Solarparks angelegt wird.

Bei der guten Solarpark-Planung, zu der sich bislang eine Reihe von BNE-Mitgliedsunternehmen per Unterschrift verpflichtet hat, soll es nicht nur um Naturverträglichkeit gehen. "Darüber hinaus verpflichten sich die Unternehmen auch zu Standards beim Umgang mit der Standortkommune und der Landwirtschaft", erklärt Strohmayer. Die Selbstverpflichtung ist damit nach Ansicht des BNE breiter aufgestellt als vergleichbare Leitfäden.

Selbstverpflichtung nicht ganz eindeutig

Das dem Umweltministerium zugeordnete Kompentenzzentrum für Naturschutz und Energiewende (KNE) begrüßt die Initiative des BNE. "Es ist sehr wichtig, dass Kommunen und Projektierende ihre Verantwortung dafür erkennen, wie Klimaschutz durch Solarenergie und Biodiversitätsschutz in Einklang gebracht werden können", sagt KNE-Vizechefin Elke Bruns gegenüber Klimareporter°.

"Wir können es uns nicht leisten, den Schutz von Lebensräumen und die Förderung der Artenvielfalt hintanzustellen", erklärt sie. Dazu seien Lebensraumverlust und Artenschwund in der Agrarlandschaft zu besorgniserregend. Vom BNE wünscht sich das KNE aber noch konkretere Vorschläge. Zuständigkeiten und auch finanzielle Verpflichtungen sollten eindeutig zugeordnet werden, betont Bruns.

Tatsächlich wird in dem Papier nicht ganz klar, wo genau die Selbstverpflichtung über die ohnehin bestehenden gesetzlichen Vorschriften hinausgeht. Beobachter bescheinigen dem BNE zwar guten Willen und Diskussionsbereitschaft, finden die gemachten Zusagen aber noch zu schwammig.

Strohmayer zufolge gehören zur "guten Planung" zum Beispiel gesetzlich nicht vorgeschriebene zusätzliche Informationsprozesse vor Ort gegenüber Kommunen und Anwohnern, aber auch Landwirten. Auch sei die im Erneuerbare-Energien-Gesetz künftig vorgesehene Kommunalbeteiligung nur freiwillig, bei der "guten Planung" aber eine Soll-Regel.

Ökologischer Ausgleich im Solarpark selbst

Bei den "Mehr-Maßnahmen" im BNE-Pflichtenheft gehe es häufig darum, für die Biodiversität nicht nur das Nötigste zu tun, sondern die Freiflächenanlagen bewusst darauf auszurichten, erläutert Strohmayer.

Im Ergebnis sollen dann nach den Vorstellungen des BNE auch keine ökologischen Ausgleichsmaßnahmen außerhalb der Anlage mehr nötig sein. Strohmayer: "Es ergibt sich eine Win-win-Situation, wenn der ökologische Ausgleich im Solarpark erfolgen kann."

Dem Solarinvestor entstünde zwar nicht weniger Aufwand für den Ausgleich. Wenn aber keine zusätzlichen Ausgleichsflächen nötig sind – in der Regel seien das eben auch Agrarflächen –, sei die Biodiversitäts-PV im Ergebnis flächensparsam.

Allerdings müssen bei der Biodiversitäts-PV Abstriche bei der Stromerzeugung gemacht werden. Das Pflichtenheft gibt als Ziel an, auf einem Hektar eine Anschlussleistung von einem Megawatt zu installieren. Üblicherweise komme auf einen Hektar deutlich mehr Leistung, sagt Strohmayer. Das gehe jedoch zulasten der Naturverträglichkeit.

Den Richtwert von einem Megawatt je Hektar bei gleichzeitiger Ausrichtung des Anlagenkonzepts auf Biodiversität hält Strohmayer für einen guten Kompromiss. In der Regel sei dann der ökologische Ausgleich innerhalb der Anlage möglich.

Nabu hält an eigenem Solarpark-Standard fest

Der Naturschutzbund begrüßt die BNE-Selbstverpflichtung ebenfalls. Sie enthalte wertvolle Hinweise für betroffene Kommunen, Anwohner und Verbände, erklärt Nabu-Expertin Tina Mieritz gegenüber Klimareporter°.

Auch könne das Vorhaben in der Selbstverpflichtung, örtliche Naturschutzverbände frühzeitig und partnerschaftlich einzubinden, viele Konflikte im Vorfeld minimieren, betont die Nabu-Teamleiterin für Energiepolitik und Klimaschutz.

Projektierer und Betreiber sollten sich aber über den BNE-Standard hinaus auch an den Kriterien für naturverträgliche Solarparks von Nabu und BSW Solar orientieren, fordert Mieritz. So berücksichtige der BNE nicht die notwendige Freihaltung der Schutzgebiete vor den Störungen, die durch die Eingriffe beim Bau eines Solarparks entstehen.

So gesehen hat die Solarbranche jetzt zwei Standards, wann eine Freiflächen-Photovoltaikanlage als gut geplant gelten kann.

Anzeige