Die Tortengrafik zeigt den Anteil der Energiepflanzen sowohl an der landwirtschaftlichen Nutzfläche als auch an der Gesamtfläche Deutschlands.
Auf 14 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands wachsen Energiepflanzen. Solarstromexperten halten es für sinnvoller, dort Solarparks "anzubauen". (Grafik: FNR, Quelle: Statistisches Bundesamt/​BMEL)

Schafe, die den Magerrasen abgrasen, Zauneidechsen, die sich morgens am Tau laben und sich hernach über ganze Heuschrecken-Populationen hermachen, Dutzende von Lerchenpaaren, die ungestört brüten können – heutige Solarparks können wahre "Hotspots der Biodiversität" sein, schwärmte der Planer und Biologe Rolf Peschel am Mittwoch in Berlin.

Er legte zusammen mit dem Umweltgutachter Tim Peschel – die Experten sind nicht verwandt – eine Studie vor, die beide im Auftrag des Branchenverbandes BNE erarbeitet haben. Dabei entdeckten sie in brandenburgischen Solarparks die landesweit größte Eidechsen-Population, mehr als 30 Heuschrecken-Arten und Lebensräume seltener Pflanzen. Fast egal, wie sie gebaut sind – Solarparks weisen in der Regel eine höhere Biodiversität auf als vorher, bilanzierte Rolf Peschel.

Das "Vorher" zielt für die Studienautoren und auch für den BNE aber nicht auf Wald und Wiesen oder auf alte Militär- und Industrieflächen, sondern auf Flächen, die von der konventionellen Agrarwirtschaft in Beschlag genommen wurden. Die Landwirtschaft nutze immer noch mehr als die Hälfte der Fläche Deutschlands. "Sie hat deswegen den größten Einfluss auf die Arten und Lebewesen, die sich auf diesen Flächen befinden", erläuterte Tim Peschel.

Die Folgen des Agrarbusiness – des Vergleichsmaßstabs für den solaren "Hotspot" – zeigten sich an den seit Jahrzehnten übernutzten und überdüngten Äckern, schilderte Gutachter Tim Peschel drastisch den Ist-Zustand.

Als besonders schlimm empfinden die Studienautoren die sogenannten Energiepflanzen, die 14 Prozent der Agrarfläche belegen. Mit dem Maisanbau zur Energiegewinnung sei es zu einer Intensivierung und Monotonisierung der Flächen und zu vermehrter Bodenerosion gekommen. Sogar in Naturschutzgebieten gehe die Artenvielfalt zurück, weil Insektizide und andere Schadstoffe aus den Maisfeldern dorthin geweht würden.

"Solarparks schaffen neue Naturflächen"

Der Vergleich lässt die Solarpark-Biotope, in denen ein- oder zweimal im Jahr gemäht wird, in einem sehr grünen Licht erscheinen. Allerdings zog die Studie ihre Erkenntnisse aus bundesweit nur rund 30 untersuchten Solarparks – ein Bruchteil aller derartigen Anlagen. "Die Studie ist nicht repräsentativ, aber weit mehr als eine Anekdote", verteidigte Rolf Peschel die schmale Datenbasis.

Dennoch ziehen Branchenvertreter recht deutliche Schlüsse. Das Wort vom "Flächenverbrauch" durch Wind- und Solaranlagen sei für ihn ein "Unwort", erklärte Benedikt Ortmann, Geschäftsführer beim Agrar- und Energiekonzern Baywa, anlässlich der Studienpräsentation. "Wir machen landwirtschaftliche Wüsten wieder zu Naturflächen." Für Ortmann ist es "so einleuchtend und so offensichtlich, dass wir viel mehr Freilandanlagen in Deutschland brauchen".

Dass sich die Branche bei frei finanzierten Solarparks auf Agrarflächen konzentriert – oder konzentrieren muss –, hat auch den Grund, dass die Stromerlöse für aufwendigere Investitionen nicht ausreichen, wie man bei der Studienpräsentation durchblicken ließ. Photovoltaik auf Seen oder – wie zu den Anfangszeiten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – auf kontaminierten Militärflächen? Das gehe ohne spezielle Zuschüsse, am besten aus dem EEG, nicht mehr.

Mit dem Biodiversitäts-Argument will die Branche eingestandenermaßen vor allem kommunale Gremien sowie Naturschutzbehörden beeindrucken, wo man Solarpark-Projektierern noch immer vorhält, sie würden die Landschaft verbauen. Oder wo Genehmigungen mit der Begründung abgelehnt werden, dass es keine Untersuchungen zu den Folgen der Solarparks für die Biodiversität gebe oder diese nicht bekannt seien.

Ausgleichsmaßnahmen sind teuer

Unter der Hand verbindet die Branche mit solchen Studien auch die Absicht, den Umfang der ökologischen Ausgleichsmaßnahmen anzupassen, die beim Bau von Kraftwerken, die Solarparks nun einmal sind, fällig werden.

Er gehe durch seinen Solarpark und erlebe "hüpfende Feldlerchen", habe gleichzeitig aber beim Bau der Anlage einige Hektar Ausgleich für die Lerchen schaffen müssen, beschwerte sich am Mittwoch René Nissen vom nordfriesischen Ökostromunternehmen Wattmanufactur. "Niemand hat geglaubt, dass diese Vögel im Solarpark leben."

Das sich abzeichnende Sparpotenzial bei den frei finanzierten nicht EEG-geförderten Solarparks auf agrarischem Boden ist ansehnlich. Bis dato, erläuterte Rolf Peschel, muss bei einer Freiflächen-Solaranlage der Flächenverlust zu hundert Prozent ökologisch ausgeglichen werden. Angesichts der "Hotspot"-Funktion könne man sich auch vorstellen, die Kosten des Ausgleichs um die Hälfte zu senken.

Ganz ohne Ausgleich geht es nicht, denn ein paar Kabelgräben und Fundamente und ein Transformator müssen schon gebaut und auch ein Zaun um die Anlage gezogen werden.

Um aber eine Vorstellung von der Größenordnung zu geben: Bei einem Solarpark von zehn Megawatt sind, wie es hieß, um die 300.000 Euro für hundertprozentige Ausgleichsmaßnahmen fällig. 

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