Zwei Monate ist es her, seit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit einer guten Nachricht für die Lausitz Energie AG (Leag) und für sämtliche Ost-Braunkohleregionen aufwartete. Zu Ostern, also bis Ende März, solle bei der EU-Kommission nun endlich die Notifizierung der Kohleausstiegs-Beihilfe "politisch erledigt sein", erklärte der Grünen-Minister auf der jährlichen Strukturwandel-Tagung des Energiebranchenverbandes BDEW in Cottbus.
Sein Haus und er persönlich sähen sich da in der Pflicht, betonte Habeck noch. Bei der Beihilfe, die von der EU-Kommission zu genehmigen ist, geht es um 1,75 Milliarden Euro. Diese Summe wurde der Leag vor drei Jahren in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag von der Bundesregierung zugesichert, um Verluste durch den gesetzlichen Kohleausstieg auszugleichen.
Ob die 1,75 Milliarden in der Höhe gerechtfertigt sind, ist aus mehreren Gründen umstritten – und auch bis Ende März folgte der Pflicht nicht die Kür. Bis dato konnte keine Einigung über die Leag-Beihilfe erzielt werden, ergeben aktuelle Anfragen.
Noch immer "intensive" Gespräche mit der EU-Kommission
Das Bundeswirtschaftsministerium befinde sich noch in "intensiven" Gesprächen mit der Leag, den Ländern und der Europäischen Kommission zu möglichen EU-Beihilfen, erklärt ein Ministeriumssprecher und fügt hinzu: "Eine finale Entscheidung soll möglichst bald getroffen werden."
Ein Sprecher der EU-Kommission teilt seinerseits mit, die Kommission stehe bei der Prüfung der Ausgleichsmaßnahme zugunsten der Leag in ständigem konstruktiven Kontakt mit den deutschen Behörden. Die Kommission, so der Sprecher weiter, sei sich über die Notwendigkeit im Klaren, die Herausforderungen zu bewältigen, die der Kohleausstieg für die betroffenen Regionen und Beschäftigten in Ostdeutschland mit sich bringe.
Die Leag antwortet eher kurz angebunden. Dem Unternehmen sei der aktuelle Stand des EU-Beihilfeverfahrens nicht bekannt, das man im Übrigen nicht kommentieren möchte, lässt ein Unternehmenssprecher wissen.
Insider gehen davon aus, dass die EU-Kommission sich bezüglich der Beihilfe im Grunde schon entschieden hat und dies schon morgen verkünden könnte. Diese Entscheidung, die vermutlich nicht die ganze Summe von 1,75 Milliarden Euro freigibt, wird die Bundesregierung aber nicht akzeptieren können. So könnte sich die Notifizierung noch lange hinziehen – oder auch rasch erledigt sein. Beides scheint möglich.
Leag-Vorstandschef Thorsten Kramer hatte Habecks gute Nachricht damals am selben Tag pflichtschuldigst begrüßt. Die Gelder seien wichtig, um die Transformation der Leag gestalten zu können – hin zu alternativen Energien, wasserstofffähigen Kraftwerken und Energiespeicherung.
Bei der Notifizierung der Beihilfe gehe es aber "nicht darum, dass der Betrag niedriger ausfällt", sagte Kramer im Februar. Die Beihilfe sei 2019 "inhaltlich definiert" worden. In den letzten fünf Jahren hätten sich einige Randbedingungen geändert, sodass man das Ganze nun auf die aktuelle Situation anpasse, erklärte der Leag-Chef.
Neue Umstrukturierung stärkt die Leag
Auf die veränderten Bedingungen hat der Energiekonzern jetzt selbst reagiert. Mitte April beschloss der Aufsichtsrat, dass die Leag den Projektentwickler EP New Energies (EPNE) übernimmt und die neuen Kraftwerksprojekte im Bereich "Wasserstoff, H2-Readiness und Speicherung" in einem neuen Geschäftsbereich für innovative Kraftwerke bündelt, wie das Unternehmen Mitte April mitteilte.
An EPNE ist die Leag bisher mit 20 Prozent beteiligt. Mit der Eingliederung unter die Leag-Holding werde der Berliner Projektierer nunmehr "vollständig" von der Leag erworben, teilt das Unternehmen auf Nachfrage mit.
Die anderen 80 Prozent an EPNE hielt bisher der Konzern EP Power Europe (EPPE), der zu den zehn größten europäischen Energieunternehmen gehört.
EPPE ist wiederum eine Tochter der EPH, der Energetický a průmyslový holding mit Sitz in Prag, bei der der mehrfache Milliardär Daniel Křetínský als Vorstandschef und Mehrheitseigner das Sagen hat. Die EPH hat wiederum bei der Leag das Sagen.
Mit der Eingliederung der EPNE in die Leag ordnet Křetínský im Grunde nur seine ostdeutschen Besitztümer neu. Interessant an alldem ist eher etwas anderes: Noch vor weniger als einem Jahr sollte die Leag ganz anders umgebaut werden.
Ursprünglich sollte EPNE für die Leag sämtliche Erneuerbare-Energien-Projekte im Lausitzer Revier entwickeln – hin zur berühmten "Gigawattfactory". Der Plan stammt aus dem Jahr 2022.
2023 wurde dann verkündet, das Braunkohlegeschäft der EPH in Deutschland solle in eine neue Schwestergesellschaft namens EP Energy Transition überführt werden. Dieses Unternehmen hätte dann rund zehn Milliarden Euro in erneuerbare Energien, Batterien und wasserstofffähige Kraftwerke investieren sollen.
Neue "grüne Säule" innerhalb des Energiekonzerns
Beide Pläne sind mit der jüngsten Umstrukturierung offenbar obsolet. EPNE werde nun als Träger der "grünen Säule" unter dem Dach der Leag-Holding integriert, erläutert das Unternehmen. Wie diese Integration genau geschehen soll, werde erst Mitte des Jahres feststehen, heißt es weiter.
Über die Hintergründe, warum jetzt alles unter die Leag-Holding kommt, schweigt sich das Unternehmen weitgehend aus. Durch die Übertragung der Kraftwerksprojekte im Bereich Wasserstoff, H2-Readiness und Speicherung in den Geschäftsbereich für innovative Kraftwerke könne die Leag die Kraftwerksstrategie des Bundes effizienter verfolgen und gleichzeitig gezielte Investitionen in nachhaltige Energieprojekte vereinfachen, erklärt Leag-Chef Kramer.
Mit der "Vereinfachung" lässt sich auf jeden Fall das Problem leichter lösen, dass die Wind- und Solaranlagen der Gigawattfactory vielfach auf Bergbaufolgeflächen der Leag gebaut werden sollen, sich diese Flächen aber zum großen Teilen im Eigentum und in bergrechtlicher Verantwortung des Leag-Bergbauzweigs LE‑B befinden.
Das Bergrecht steht zwar dem Errichten von Erneuerbaren-Anlagen nicht entgegen. Doch die entsprechenden, für die Gigawattfactory unverzichtbaren Flächen beispielsweise der EPNE oder der ominösen EP Energy Transition zu übertragen, stellte sich offenbar als schwierig oder gar unmöglich heraus.
Grüner Stahl als Partner oder Konkurrent der Leag?
Inzwischen darf spekuliert werden, ob und was der Umbau der Leag mit dem jetzt verkündeten Einstieg von Křetínský beim deutschen Stahlkonzern Thyssen-Krupp zu tun hat. Křetínskýs Holding EPCG soll zunächst 20 Prozent an der Sparte Thyssen-Krupp Steel Europe übernehmen, später noch weitere 30 Prozent.
Der Stahlkonzern braucht für seinen grünen Umbau in den nächsten Jahren Unmengen erneuerbarer Energie. Die könnte sich Křetínský von der Gigawattfactory liefern lassen, die ausdrücklich erneuerbaren Grundlaststrom bereitstellen soll – solchen benötigt ein Stahlwerk.
Zum anderen sind für die Herstellung grünen Stahls aber auch große Mengen an grünem Wasserstoff nötig. Diesen versucht sich auch die Leag für ihre Wasserstoff-Kraftwerke zu sichern. Damit träte Thyssen-Krupp als Konkurrent aus dem eigenen Haus auf den Markt.
Einen großen Vorteil jedenfalls hat Thyssen-Krupp aus der Sicht von Křetínský gegenüber der Leag. Die EU-Kommission genehmigte bereits im Juli 2023 bis zu zwei Milliarden Euro an Unterstützung, damit der Stahlkonzern eine Anlage zur klimafreundlicheren Stahlproduktion bauen kann.