Tanks mit der Aufschrift O2 und H2 für Sauerstoff und Wasserstoff, verbunden mit einigen Leitungen.
Mehr Wasserstoff produzieren, um ihn in Erdgaskraftwerken zu verbrennen – technisch möglich, nicht unbedingt effizient, aber besser als fossile Energie. (Foto: Corona Borealis/​Shutterstock)

Steht Deutschland vor einer Renaissance der Stromerzeugung aus Kohle? Die Braunkohle-Länder haben bereits gefordert, den für 2030 anvisierten Ausstieg zu überdenken. Und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant zumindest, mehrere Stein- und Braunkohlekraftwerke zusätzlich in Reserve zu halten für den Fall, dass Russland seine Gaslieferungen stoppt.

Laut einer neuen Untersuchung kann Deutschland jedoch trotz einer Abkehr von russischen Energierohstoffen 2030 komplett aus der Kohleverstromung aussteigen – bei voller Versorgungssicherheit und mit einem deutlich abgesenkten CO2-Ausstoß.

Voraussetzung für diesen klimaorientierten Kurs ist laut der vom Thinktank Energy Brainpool vorgelegten Studie, dass die erneuerbaren Energien unter Hochdruck ausgebaut werden und grüner Wasserstoff in dafür ausgelegten Gaskraftwerken genutzt wird.

Um den Wasserstoff vor allem mithilfe von Ökostrom-Überschüssen zu erzeugen, müssten bis 2030 hochflexible Elektrolyseure mit einer Leistung von bis zu 20.000 Megawatt gebaut werden. Diese Anlagen spalten Wasser (H2O) in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Die vorgeschlagene Kapazität ist doppelt so hoch wie derzeit von der Ampel-Regierung vorgesehen.

Derzeit haben die noch am Netz befindlichen Kohlekraftwerke eine Gesamtkapazität von 29.000 Megawatt. Energy Brainpool schlägt nun eine konkrete Abschaltreihenfolge vor, um möglichst schnell große CO2-Einsparungen zu erreichen. Zuerst sollen danach besonders ineffiziente Braunkohlemeiler abgeschaltet werden, am längstem sollen hingegen modernere Steinkohlekraftwerke mit hohem Wirkungsgrad weiterlaufen.

Durch diese Abschaltreihenfolge können laut der Studie bis zu 310 Millionen Tonnen CO2-Emissionen zusätzlich eingespart werden. Weiterer Vorteil sei: Braunkohle-Tagebaue ließen sich so beenden, dass dort keine weiteren Dörfer abgebaggert werden müssen.

Chemieproduktion in sonnenreiche Länder verlagern

"Die Bundesregierung darf den schnellen Kohleausstieg nicht verschleppen", sagte Sönke Tangermann, Vorstand der Ökoenergie-Genossenschaft Green Planet Energy (früher: Greenpeace Energy), die Energy Brainpool beauftragt hat. Die Analyse zeige, wie Deutschland trotz des Ukraine-Kriegs beim Klimaschutz das nötige Tempo halten und sogar noch verstärken könne.

 

Erdgas in der Stromerzeugung durch Kohle zu ersetzen, führt laut der Studie hingegen nur zu minimalen Effekten. Hierdurch könne nur rund ein Prozent der deutschen Erdgasnachfrage eingespart werden, erläuterte Mitautor Fabian Huneke von Energy Brainpool.

Zugleich würden dadurch aber 55 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich ausgestoßen. Hunke plädiert für eine schnellere Wärmewende, die ein zentraler Faktor für geringeren Gasverbrauch sei – etwa durch effizientes Heizen und einen schnellen Umstieg auf Wärmepumpen.

Energy Brainpool schlägt allerdings noch eine weitere, heikle Maßnahme vor: Produktionsverlagerungen ins Ausland, etwa in der Chemieindustrie.

Beispiel: Ammoniak-Herstellung. Dafür würden hierzulande jährlich 28 Milliarden Kilowattstunden Erdgas verbraucht. Eine Verlagerung dieser Produktion in sonnenreiche Länder, wo dafür künftig grüner Wasserstoff genutzt werden könne, werde gewaltige Mengen Erdgas einsparen.

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