Luisa Neubauer sorgt mit ihren Mitstreitern nach dem Treffen mit der Kohlekommission für Medienrummel. (Foto: Svea Busse)

Klimareporter°: Frau Neubauer, wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis der Kohlekommission?

Luisa Neubauer: Ich bin in keiner Weise zufrieden. Das ist ein Kompromiss, der in dem Sinne keinen Konsens widerspiegelt. Wir als Betroffene waren schließlich nicht direkt an der Entscheidungsfindung beteiligt. Deshalb ist die Empfehlung der Kohlekommission kein Kompromiss, der gesamtgesellschaftlich anwendbar ist. Es mangelt offensichtlich am politischen Willen, sich unserer Zukunft anzunehmen.

Selbst die meisten Umweltverbände begrüßen das Ergebnis. Wären ehrgeizigere Lösungen nicht realitätsfern gewesen? Schließlich mussten die Positionen unterschiedlichster Akteure unter einen Hut gebracht werden.

Der eigentliche Titel der Kohlekommission ist ja "Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung". Die Entscheidung über den Kohleaussteig betrifft aber ganz konkret das Klima. Bei der Klimakrise reden wir über Physik und die ist nicht verhandelbar.

Wenn wir so tun, als ließe sich darüber verhandeln, geben wir uns einer Illusion hin, die realitätsfern ist. Natürlich kann man keinen Klimaschutz betreiben, ohne irgendwo Abstriche machen zu müssen, zum Beispiel in der Industrie. Aber wir haben halt keine andere Wahl.

Nachdem Sie einen offenen Brief an die Kohlekommission geschrieben haben, wurden Sie zum Kommissionstreffen am Freitag eingeladen. Wie lief das ab?

Das war sehr angenehm und beeindruckend, dass wir das überhaupt machen konnten! Die waren schließlich echt beschäftigt.

Direkt davor haben zwei andere Mitstreiter von "Fridays for Future" und ich auch noch mit Minister Altmaier gesprochen. Aus diesem Treffen bin ich ziemlich irritiert und extrem beunruhigt rausgegangen.

Warum?

Was er uns erzählt hat, war unglaublich und absurd, ich wünschte, es wäre eine Kamera dabei gewesen. Er sieht die Wirtschaft Deutschlands durch den Klimaschutz gefährdet. Er stellt kurzfristige wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund und verspielt damit unsere Zukunft.

Mit diesem Eindruck sind wir dann in die Kohlekommission rein. Wir waren zu fünft da, aber nur ich konnte fünf Minuten lang etwas sagen. Ich habe da gedacht, ich muss hier wirklich mal alle Karten auf den Tisch legen. Also habe ich erzählt, dass gerade 10.000 Menschen vor der Tür stehen und nicht zur Schule oder zur Uni gehen, weil die Menschen in diesem Raum gerade mit unserer Zukunft hantieren.

Und wie waren die Reaktionen?

Es gab Applaus für mein Statement und hinterher sind noch einige rausgekommen. Die meinten, es sei wichtig gewesen, dass wir deutlich gemacht haben: Bei der Kohlekommission geht es nicht um die kleinen Details, vielmehr schreibt die Kohlekommission gerade Geschichte mit und trägt deshalb globale Verantwortung. Das sei wohl ein Aspekt gewesen, der bisher gar nicht so Beachtung gefunden hat.

Die Kohlekommission hat sich also anscheinend gar nicht so richtig Gedanken gemacht, was ihre eigentliche Aufgabe ist. Dass es eben nicht darum geht, kurzfristige Lösungen zu finden, sondern zu schauen, was wir der Klimakrise entgegenstellen können.

Hatten Sie das Gefühl ernst genommen zu werden?

Das glaube ich schon, das kam ja auch zusammen mit dem sehr präsenten Streik, der vor der Tür stattfand. Entscheidend ist aber, was dabei rausgekommen ist. Da hat sich die Kommission schließlich für einen Kohleausstieg bis 2038 ausgesprochen. Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht.

Was für Lehren ziehen Sie aus dem Tag für Ihre Bewegung?

Wir werden immer direkter werden, immer offensiver, immer lauter, präsenter und im konstruktiven Sinne radikaler, weil die Mauern, die wir einreißen wollen, so hoch und so fest sind. Wir müssen uns jetzt klarer darüber werden, wie wir vorgehen und die existenzielle Bedrohung, die uns auf die Straßen treibt, zum Ausdruck bringen können.

Wollen Sie die regelmäßigen Proteste weiter aufrecht erhalten?

Grundsätzlich wird es weiterhin Streiks geben. Für den 1. Februar sind jetzt schon Streiks in 20 Städten geplant und da werden sicher noch welche hinzukommen. Wir erleben gerade enormen Zulauf, gefühlt bildet sich jeden Tag eine neue Ortsgruppe. Wir werden immer präsenter werden.

Luisa Neubauer

Zur Person

Luisa Neubauer studiert an der Universität Göttingen Geografie. Die 22-Jährige ist Teil der G7-Jugend­delegation und verfasste im Sommer gemeinsam mit anderen jungen Umweltschützern einen offenen Brief für Generationengerechtigkeit und die Rettung des Hambacher Forstes. Sie engagiert sich bei der Klimastreik-Bewegung Fridays for Future sowie bei der One-Campaign gegen weltweite Armut.

Inwiefern?

Ganz allein deshalb, weil wir andere Zahlen erreichen werden. Das war jetzt cool mit 10.000 in Berlin, wir können aber auch 100.000 werden. Für den 15. März rufen wir international zum Streiken auf und mobilisieren dafür auch in anderen europäischen Ländern.

Wird sich "Fridays for Future" in Zukunft auch auf andere Felder ausweiten, wie zum Beispiel die Verkehrskommission?

Es wird sich herausstellen, ob wir noch andere Felder angehen. Die Klimakrise ist für uns eine Schicksalsfrage und der Ausstieg aus den fossilen Energien genauso, das ist unsere Botschaft. Wir argumentieren auf Grundlage der wissenschaftlichen Fakten, aber gleichzeitig moralisch.

Der Kohleausstieg bis 2038 ist für uns keine Option, und das wird sicher auch in Zukunft eine zentrale Forderung von uns bleiben. Was darüber hinaus passiert, werden wir sehen.

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