Ob in Frankreich, Deutschland oder Amerika – zum Klima-Großstreik am 20. September geht die ganze Welt auf die Straße. (Foto: Garry Knight/​Flickr)

Politische Streiks sind in Deutschland ein bisschen verboten. Als Mitarbeiter von Zeitungsbetrieben im Jahr 1952 für mehr Rechte im Betriebsverfassungsgesetz kämpften, entschied das Freiburger Landesarbeitsgericht, das sei nicht rechtens.

Auf dieses Urteil geht es zurück, dass die deutschen Gewerkschaften nicht offiziell zu dem Generalstreik fürs Klima aufrufen, den die Schulstreik-Bewegung Fridays for Future ausgerufen hat.

"Ausstempeln und mitmachen", riet Verdi-Chef Frank Bsirske seinen Mitgliedern. Demonstrieren ja, aber sicherheitshalber in der Freizeit. Schließlich geht es wieder um eine politische Frage, nicht um klassischen Arbeitskampf.

Auch Erwachsene sollen streiken

Die Klimabewegung hat Großes vor: In mehr als 2.000 Städten in 130 Staaten soll es zahlreiche Demonstrationen geben. Ein weltweiter Protest also.

Die Aktionen gehen auch nicht mehr nur von Fridays for Future aus. Viele Umweltorganisationen und Protestgruppen machen mit – teilweise mit Demos, teilweise mit zivilem Ungehorsam, etwa durch Straßenblockaden. Aufgerufen sind ausdrücklich nicht nur Schüler, sondern auch Erwachsene.

"Die Politikverdrossenheit liegt bei der Politik, nicht bei uns", sagt Quang Anh Paasch, der Fridays for Future in Berlin mitorganisiert. "Fridays for Future ist in Deutschland seit neun Monaten auf der Straße, aber die Politik bewegt sich nicht", meint Paasch. Es dürfte der bisher größte Freitagsprotest fürs Klima werden.

Dass die Gewerkschaften in Deutschland den Streik nur zurückhaltend unterstützen, sieht man bei Fridays for Future nicht allzu kritisch. "Politische Streiks sind in Deutschland illegal", meint Paasch verständnisvoll.

Wichtig sei, dass die Gewerkschaften sich politisch positioniert haben, sagt er. Manche Arbeitgeber, etwa von der Gruppe "Entrepreneurs for Future", haben ihre Mitarbeiter sogar offiziell freigestellt.

Die Aktivistin Hannah Eberle erwartet aber, dass auch andere Arbeitnehmer teilnehmen werden. Sie spricht für das Bündnis "Ungehorsam für alle", zu dem sich mehrere Gruppen zusammengeschlossen haben, die Aktionen des zivilen Ungehorsams für das Klima planen.

Ohne Einverständnis des Arbeitgebers streiken?

"Wir setzen auf einen kollektiven Regelbruch", erklärt Eberle. "Daran kann man teilhaben, indem man bei einer unserer Straßenblockaden mitmacht – oder auch schon, indem man ohne das Einverständnis des Arbeitgebers nicht zur Arbeit erscheint."

Solche Fälle könnten dann vor Gerichten landen, schließlich würden manche Arbeitgeber wohl Schadenersatz fordern. Was dabei herauskommen würde, ist aber nicht klar.

Dass das Streiken aus politischen Gründen schlicht und einfach verboten ist, stimmt so nämlich nicht. Das Streikrecht steht ohne Einschränkung im Grundgesetz.

Die Richter betonten 1952 sogar, dass sie unter bestimmten Bedingungen anders entschieden hätten, zum Beispiel, wenn gegen hohe Preise demonstriert worden wäre.

Wenn der politische Streik also im Sinne höherer Rechte argumentiert, ist er auch diesem Urteil nach legitim, könnte man schlussfolgern – wie es ja auch bei anderen Regelbrüchen der Fall ist, die sich auf das Prinzip des zivilen Ungehorsams berufen.

Staaten verfehlen Klimaziele

Anlass für den globalen Streik sind mehrere politische Gipfel der Vereinten Nationen in New York, bei denen sich Staats- und Regierungschefs treffen.

Einerseits geht es um die 17 Nachhaltigkeits-Ziele, die sich die Vereinten Nationen 2015 gesetzt haben, um die Welt bis 2030 in vielerlei Hinsicht besser zu machen. Sie reichen von der Bekämpfung des Hungers über die Gleichberechtigung aller Geschlechter bis zur Bekämpfung der Klimakrise: die Sustainable Development Goals (SDGs), also die Ziele für nachhaltige Entwicklung.

Die Welt droht diese Ziele zu verfehlen, und zwar krachend. Besonders dringlich ist politisches Handeln einem UN-Bericht vom Juli zufolge bei der Klimakrise und bei der Bekämpfung sozialer Ungleichheit. "Vier Jahre nach dem Beschluss ist das globale Bild alarmierend", fasste UN-Generalsekretär António Guterres die Lage zusammen.

Covering Climate Now

Klimareporter° beteiligt sich wie rund 250 andere Zeitungen und (Online-) Magazine weltweit an der Initiative "Covering Climate Now". Die teilnehmenden Medien verpflichten sich, vor allem in der Woche vor dem New Yorker UN-Klimagipfel am 23. September über die Klimakrise zu berichten. Wir freuen uns über die Bewegung in der Medienlandschaft. Klimaschutz braucht guten und kritischen Journalismus.

Der Gipfel zu den Nachhaltigkeitszielen beginnt am kommenden Dienstag und dauert zwei Tage. Am Montag werden die Staats- und Regierungschefs aber bereits zusammenkommen, um das Pariser Klimaabkommen voranzubringen.

Es geht um das Herzstück des Abkommens: die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Staaten zum Klimaschutz und ihre allmähliche Verschärfung. Damit soll die Erderwärmung auf 1,5 Grad, höchstens aber auf zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt werden, um katastrophale Folgen zu verhindern.

Was die Staaten zum Paris-Abkommen als Klimaziele auf den Tisch gelegt haben, reicht aber vorne und hinten nicht aus. Selbst eine vollständige Erfüllung aller dieser Ziele würde auf eine um drei bis vier Grad wärmere Atmosphäre hinauslaufen.

Weil das abzusehen war, haben sich die Staaten in Paris darauf geeinigt, ihre Klimaziele alle fünf Jahre zu überprüfen und zu aktualisieren.

Der erste Termin für neue und verbesserte Klimaziele ist das kommende Jahr. Jetzt müsste der Prozess also langsam losgehen – das ist es, was der New Yorker Gipfel bringen soll. "Ich habe den politischen Führungen gesagt, sie sollen nicht mit schönen Reden, sondern mit konkreten Plänen hierherkommen", sagte UN-Chef Guterres.

Was Deutschland in New York vorstellt, entscheidet sich am Freitag im Klimakabinett der Bundesregierung.

Eine Woche Klimaproteste 

Die Klimaproteste hören mit dem morgigen 20. September nicht auf. Eine US-amerikanische Gruppe namens Earth Strike hat zu einem weiteren globalen Generalstreik aufgerufen. Der soll am 27. September stattfinden, genau eine Woche später.

Eigentlich der Worst Case: zwei große Protest-Events zum selben Thema im Abstand von wenigen Tagen. Der harte Kern der Klimabewegung kommt vielleicht zweimal, viele Schulstreikende sind das wöchentliche Demonstrieren ohnehin gewohnt. Aber die Massen? Die verteilen sich dann.

Die Klimabewegung hat aus dem Problem einen Gewinn gemacht. Die verschiedenen Gruppen und Organisationen haben das Ganze zu einer riesigen Aktionswoche erklärt. "Wir stehen mit Earth Strike in Kontakt, wir kennen die Leute", sagt Fridays-Aktivist Paasch.

Fridays for Future werde sich trotzdem auf den 20. September konzentrieren. "Aber wir sind zusammen eine Klimabewegung, wir lassen uns nicht trennen."

Es hat auch vom Timing her etwas für sich: Die Bewegung hat gewissermaßen das erste und das letzte Wort beim Gipfelmarathon der Vereinten Nationen.

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