Kühe grasen auf einer Weide in Osteuropa.
Die extensive Weidehaltung von Rindern ist viel klimafreundlicher, aber nicht mit billiger Massenproduktion vereinbar. (Foto: Jewgeni Bely/​Shutterstock)

Das EU-Parlament hat sich letzte Woche dafür ausgesprochen, die europäischen Treibhausemissionen bis 2030 um 60 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Um dies zu erreichen, muss die EU in allen Sektoren Emissionen einsparen – auch in der Landwirtschaft.

2018 setzte der Agrarbereich 435 Millionen Tonnen Treibhausgase frei, das entspricht einem Achtel aller EU-Emissionen. Im selben Jahr, 2018, legte die EU-Kommission ein Reformpaket für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) vor – und kündigte an, dass 40 Prozent der GAP-Mittel für den Klimaschutz reserviert seien.

Eine Ende der Woche veröffentlichte Studie des Öko-Instituts für die Umweltorganisation Germanwatch lässt jedoch begründete Zweifel daran aufkommen, ob mit den angekündigten GAP-Maßnahmen eine größere Treibhausgasreduktion überhaupt möglich ist.

Führend bei den landwirtschaftlichen Emissionen ist die Viehhaltung: Der Methan-Ausstoß von Wiederkäuern, vor allem Rindern, hat einen Anteil von 45 Prozent an den Treibhausgasen, gefolgt von Lachgas (37 Prozent), das vor allem durch Stickstoffeintrag in landwirtschaftliche Böden entsteht. Der Rest sind verschiedene Treibhausgase aus Ställen und Düngemittellagern sowie zu kleinen Teilen aus Reisanbau, Harnstoffausbringung und Kalkung.

"Eines ist klar: Die Landwirtschaft kann nicht direkt emissionsfrei sein", sagte Hauptautorin Margarethe Scheffler vom Öko-Institut bei der Vorstellung der Studie. Wie in der Energiewirtschaft – Kohle raus, erneuerbare Energien rein – könne es hier nicht laufen.

Scheffler unterteilt die Emissionen aus der Landwirtschaft in drei Typen: erstens Emissionen, die technisch vermindert werden können, zweitens Emissionen durch Stickstoffeintrag und drittens schwer vermeidbare Emissionen. Zu letzteren zähle vor allem das Rinder-Methan, das sich kaum reduzieren lasse, ohne den Tierbestand zu verkleinern.

Emissionen technisch zu vermeiden, etwa Lachgas oder Methan in Ställen und Lagern, sei teuer, außerdem hätten diese Quellen nur einen geringen Anteil an den Gesamtemissionen.

Mitgliedsstaaten haben bei Ökoregeln freie Hand

Auch die künftigen GAP-Standards der EU sind nach dem Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip organisiert. Es gibt Mindestvorgaben, die Agrarbetriebe erfüllen müssen, und sogenannte Eco‑Schemes – Ökoregelungen, bei denen Landwirte für freiwillige Maßnahmen Prämien erhalten können.

Zu den Mindestbedingungen zählen ordnungsrechtliche Vorgaben aus anderen Politikbereichen – etwa Luftreinhaltung, Tier- und Gewässerschutz – sowie die Standards zur Sicherstellung eines "guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands", kurz Glöz-Standards genannt.

Diese verpflichtenden Standards betreffen unter anderem den Grünlanderhalt, das Nährstoffmanagement, den Feuchtgebietsschutz oder die Bewahrung der Biodiversität. Die Glöz-Standards sind von der EU festgeschrieben. Werden sie nicht erfüllt, können Zahlungen gekürzt werden.

Weniger konkret ist das EU-Reformpaket von 2018 bei den Eco-Schemes. Die Ausgestaltung dieser Belohnungskonzepte bleibt ebenso wie die Durchsetzung den einzelnen EU-Ländern überlassen. Bisher gibt es von ihnen keine einheitlichen Vorschläge.

Germanwatch ließ zuerst errechnen, wie sich die EU-Emissionsmenge in den kommenden Jahren durch die Glöz-Standards verändert. Das Ergebnis: "Die Beibehaltung des Status quo bei den Glöz-Standards würde nur einen Anstieg der Treibhausgase verhindern." Die Emissionsreduktion wäre mit 0,3 Millionen Tonnen minimal. Einige der bisherigen Vorgaben könnten sogar zu leicht höheren Emissionen führen als heute, warnte Scheffler.

Selbst wenn die Glöz-Standards um die anspruchsvollere "Farm-to-Fork-Strategie" der EU erweitert würden, wäre nur eine Reduktion um knapp 29 Millionen Tonnen Treibhausgase möglich, sechs Prozent der aktuellen Agrar-Emissionen. Allerdings wird "Farm to Fork" (deutsch "Vom Hof auf den Tisch") von den EU-Landwirtschaftsminister:innen noch mehrheitlich abgelehnt.

Wenn die EU ihr Klimaziel erreichen will, die Landwirtschaft jedoch den Status quo beibehält, entwickelt sich die Agrarindustrie zum Emissions-Sorgenkind, machte Germanwatch bei der Präsentation deutlich. "Wenn sich etwas ändern soll, muss die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten", betonte Germanwatch-Agrarexperte Tobias Reichert. Er bemängelt vor allem, dass die GAP-Instrumente der EU prinzipiell die gleichen bleiben sollen: Zuschüsse nach der Fläche – also viel Geld für viele Hektar.

"Beträchtliche Anreize notwendig"

Im zweiten Teil der Studie berechnet das Öko-Institut, welche Einsparungen mit den Eco-Schemes möglich wären. Weil die EU-Staaten keine offiziellen Vorschläge für diese Ökoregelungen vorgelegt haben, verwendet die Studie überwiegend die Vorschläge der Umweltverbände zur Agrarministerkonferenz im September.

Die Stichworte lauten hier: mehr Hülsenfrucht-Anbau, mehr unproduktive Flächen, Agroforstsysteme, flächengebundene Tierhaltung, grünlandbasierte Fütterung, Weideprämie, extensive Grünlandnutzung, moorschonende Bewirtschaftung.

Ergebnis der Studie: Wenn alle diese Maßnahmen greifen, lassen sich 72 Millionen Tonnen, also rund 15 Prozent der Landwirtschaftsgase, einsparen. Weniger stickstoffbasiertes Futter und die Grünlandbindung für Wiederkäuer bewirken, dass deutlich weniger Treibhausgase ausgestoßen werden. Moorschonende Landnutzung und die Ausweitung von unbewirtschafteten Flächen und Agroforstsystemen seien ebenso entscheidend.

Für solche Maßnahmen seien "beträchtliche Anreize notwendig", damit Betriebe sie ergreifen, folgert die Studie. Autorin Scheffler: "Wir müssen vor allem Mitgliedsländern, die große landwirtschaftliche Flächen und viele Tiere haben, dabei helfen, sie ihre Eco-Schemes auszugestalten."

Mit Farm-to-Fork-angepassten Glöz-Standards und effektiv ausgestalteten Eco-Schemes kann die EU jährlich bis zu 101 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase erzeugen, bilanziert die Studie. Das entspricht bis zu 21 Prozent Ersparnis.

Entscheiden sich die Mitgliedsstaaten aber, die bisherige EU-Agrarpolitik ohne solche Maßnahmen fortzusetzen, wäre das Gift fürs Klima. Dann, warnt Germanwatch, "würde die Landwirtschaft keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten und bis 2030 mit einem Anteil der Emissionen von über 20 Prozent zu einer der größten Treibhausquellen in der EU werden".

Ergänzung am 21. Oktober: EU-Agrarreform droht zu scheitern

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