Drohne über einem Acker als Symbol für Präzisionslandwirtschaft
Das nennt sich Präzisionslandwirtschaft: Maschinen sollen Monokulturen effizienter machen. (Foto: Sarah Clarry/​Pixabay)

Resistente Hochertragssorten, spezifische Düngemittelgaben und GPS-gesteuerte Landwirtschaftsmaschinen machen den Agrarsektor effizienter und senken die Treibhausgasemissionen – so lautet das Versprechen der Agrarindustrie. Bei der EU-Kommission rennen die Konzerne mit der sogenannten Präzisionslandwirtschaft offene Türen ein, denn die Kommissionsbeamten fürchten, dass die europäische Landwirtschaft Innovation und Digitalisierung verschläft.

Anders sehen das Umweltschützer und Anhänger des Ökolandbaus. Sie bezweifeln, ob eine solche "klimasmarte Landwirtschaft" tatsächlich das Mittel der Wahl ist, die Acker der Zukunft zu bestellen. Stattdessen – so ihre Befürchtung – könnten sozial ungerechte und umweltzerstörende Technologien gefördert werden, die langfristig in eine Abhängigkeit von Agrarkonzernen und zur Zerstörung der Böden führen können. Und auch dem Klimaschutz würden die propagierten technischen Lösungen kaum helfen. 

Wie es um den Zusammenhang von Landwirtschaft und Klimawandel steht, haben deshalb die Tierärztin und Weideexpertin Anita Idel und die Mainzer Agrarwissenschaftlerin Andrea Beste im Auftrag des grünen Europapolitikers Martin Häusling untersucht.

Verengte Agrarforschung

Der rund 70-seitige Bericht stellt der klimasmarten Landwirtschaft kein gutes Zeugnis aus. Statt sich auf Technik und Innovationen zu beschränken, müssten biologische Prozesse als Ganzes betrachtet werden. Doch – so kritisieren die Autorinnen – weil schon die Fragestellung bei vielen Studien nur auf einzelne Aspekte der Landwirtschaft gerichtet ist, könnten nur verengte Resultate das Ergebnis sein. Daraus dann Vorgaben für die Landwirtschaft zu entwickeln sei unwissenschaftlich. 

Als Beispiel nennt Anita Idel die Kuh, die wegen ihres Methanausstoßes als Klimakiller gebrandmarkt werde. Zu Unrecht, findet die Tierärztin. Rinder würden in der Zucht auf Hochleistung getrimmt und dann nicht artgerecht mit Kraftfutter gefüttert. Dabei werde die jahrtausendlange Ko-Evolution zwischen Weideland und Weidetieren vergessen.

Weidetiere, so Idel, verhinderten durch Biss die Verbuschung der Graslandschaften, die 40 Prozent der Erde bedecken, und regten so Wurzelwachstum und Humusbildung an – wodurch Kohlenstoff im Boden gespeichert werde. Heute würden die Rinder aber nur noch selten auf der Weide gehalten, sondern meist in Ställen.

Treibhausgase aus der Landwirtschaft

Die Treibhausgas-Emissionen der deutschen Landwirtschaft inklusive der Nutzung von Grünland beliefen sich 2014 auf elf Prozent der Gesamtemissionen. Zählt man die Emissionen aus der Herstellung, Vermarktung und Zubereitung der verzehrten oder weggeworfenen Lebensmittel hinzu, steigt der Anteil der Ernährung auf ein Viertel des gesamten Ausstoßes in Deutschland. 

Deshalb könnten Kühe zur Begrenzung des Klimawandels beitragen – wenn man sie wieder auf die Weiden ließe. "Die gesamte Klimarelevanz unterschiedlicher Agrarsysteme gehört auf den Prüfstand", fordert Idel. 

Auch an der energieintensiven Herstellung der Düngemittel und der technikgetriebenen Landwirtschaft arbeitet sich der Bericht ab. Auch hier lautet die Schlussfolgerung, dass systemische Ansätze den technischen Einzellösungen überlegen seien. Gemeint ist, das Agrar-Ökosystem als Ganzes in den Blick zu nehmen – wie es beim Ökolandbau oder allgemeiner bei der Agrarökologie der Fall ist. 

"Ökologischer Analphabetismus"

Das sieht auch Patrick Worms vom World Agroforestry Centre so. Statt auf Monokulturen sollten Bauern auf Mischkulturen setzen. So könne etwa eine Mischkultur aus Walnuss und Weizen das Sonnenlicht viel besser ausnutzen als die jeweilige Monokultur.

"Bauern, die Mischkulturen bearbeiten, kopieren Natursysteme", sagt Worms. Doch häufig fehle bei den Landwirten, aber auch in der Gesellschaft das Verständnis für solche Anbaumethoden. Das sei "ökologischer Analphabetismus".

Warum es der Ökolandbau so schwer hat, liegt für den EU-Politiker Martin Häusling, dessen Familie selbst einen Bauernhof führt, auf der Hand: "Man muss den Biolandbau auch politisch durchkriegen, denn am Ende entscheidet die Mehrheit", sagt Häusling. Daran hapert es bislang, auch weil die Industrie – so glauben der Umweltpolitiker und die Studienautorinnen – mehr Geld für öffentlichkeitswirksame Kampagnen ausgeben kann. 

Derzeit seien die Folgekosten der konventionellen Landwirtschaft nicht eingepreist: Weder die zunehmende Nitratbelastung im Grundwasser noch die Klimaschäden würden berücksichtigt. "Appelle helfen nicht", sagt Häusling. Es brauche harte politische Steuerungsmaßnahmen. "Um die Missverhältnisse aufzuheben, brauchen wir eine Stickstoffsteuer und eine Pestizidabgabe", fordert Häusling. Und auch einen Preis auf CO2

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