An diesem Mittwoch will die EU-Kommission ihre Pläne für ein Klimagesetz vorstellen. Laut dem Entwurf, über den Klimareporter° vorab berichtete, soll darin das Ziel festgeschrieben werden, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Zu diesem Netto-Null-Ziel für die Jahrhundertmitte hatten sich alle EU-Länder mit Ausnahme von Polen bereits im vergangenen Dezember bekannt.
Was die mittelfristige Planung bis zum Jahr 2030 betrifft, bleibt der EU-Gesetzentwurf jedoch unklar. Die derzeitige Zielmarke von 40 Prozent CO2-Reduktion gegenüber 1990 soll möglicherweise auf 50 oder 55 Prozent erhöht werden. Eine Entscheidung darüber soll aber erst "ab September 2020" fallen.
Zwölf EU-Staaten halten dies für zu spät und machen nun Druck. In einem Brief, der Klimareporter° vorliegt, fordern sie den für den "Green Deal" zuständigen Vizepräsidenten und Klimakommissar Frans Timmermans auf, "so schnell wie möglich" ein verbessertes Ziel für 2030 vorzulegen – und "spätestens im Juni 2020".
Unterzeichnet haben das Schreiben die Umwelt- und Klimaschutzminister:innen von Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien und Schweden.
Sie argumentieren: Würde das neue Klimaziel für 2030 erst ab September vorgelegt werden, bleibe nicht genug Zeit, um das Ziel noch vor der nächsten Weltklimakonferenz COP 26 im Europäischen Rat zu beschließen. Die Konferenz beginnt Anfang November in Glasgow.
Nur wenn die EU "zeitnah" ein verbessertes 2030er Ziel präsentiere, könne sie "mit gutem Beispiel vorangehen und zu einer internationalen Dynamik beitragen, die alle Länder benötigen, um ihre Ambitionen zu steigern", heißt es in dem Brief.
Dieses Argument ist besonders gewichtig. Denn bislang haben erst drei Staaten ein höheres Klimaziel für 2030 beim UN-Klimasekretariat eingereicht. Laut Paris-Abkommen wären dazu alle Staaten bis spätestens Anfang Februar verpflichtet gewesen – neun Monate vor Beginn der COP 26.
Auch Deutschland im Verzug
Der Brief der zwölf EU-Länder verweist deshalb auch ausdrücklich auf den EU-China-Gipfel, der Mitte September in Leipzig stattfinden soll. Dabei wird es auch um Klimapolitik gehen. Falls die EU dann bereits ein schärferes Ziel hat, könnte China als weltgrößter Einzelemittent leichter dazu bewegt werden, seine Ambitionen ebenfalls hochzuschrauben.
Dass die EU sich nach bisheriger Planung so viel Zeit lassen will, um ihr neues Ziel festzulegen, liegt an den Mitgliedsstaaten und an dem umständlichen Verfahren.
Zunächst sollen die nationalen Energie- und Klimapläne der Mitgliedsstaaten für das kommende Jahrzehnt, die sogenannten NECPs, geprüft werden. Anhand dieser Pläne kann die Kommission kontrollieren, ob die Länder auf Kurs sind, um die Ziele zu schaffen. Falls nicht, kann sie Nachbesserungen fordern. Und sie nimmt eine Folgenabschätzung vor, welche Auswirkungen Klimaschutzmaßnahmen auf die Wirtschaft haben.
Bis zum Jahreswechsel hätten die EU-Länder ihre NECPs bei der Kommission einreichen müssen. Bislang haben dies noch nicht alle Mitgliedsstaaten getan – das verzögert den Prozess. Mit Stand vom 2. März haben erst 20 von 27 EU-Ländern ihren Plan vorgelegt. Auch Deutschland ist im Verzug.
Dabei geht es bislang nur um das bisherige Klimaziel, das eine Emissionsreduktion von 40 Prozent vorsieht. Die Gesetzgebung für das verbesserte Ziel soll erst im Juni 2021 folgen, wie eine Sprecherin der EU-Kommission Klimareporter° mitteilte.
Auch einige der zwölf EU-Länder, die sich nun per Brief an Timmermans gewandt haben und mehr Tempo fordern, haben ihre NECPs bislang nicht eingereicht – nämlich Frankreich, Luxemburg und Spanien.
"Es geht um neue Entscheidungsverfahren"
Um in Zukunft zügiger zu Ergebnissen zu kommen, will sich die EU-Kommission laut Klimagesetzentwurf das Recht einräumen lassen, die Klimaziele ab 2023 alle fünf Jahre anzuheben, ohne sich von den EU-Regierungen oder dem Europaparlament viel hineinreden zu lassen.
In einem sogenannten delegierten Rechtsakt soll die Kommission demnach befugt sein, überarbeitete Emissionsziele auf Grundlage der "besten verfügbaren Wissenschaft" festzulegen. Das könnten dann nur eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten im Ministerrat oder das EU-Parlament innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des neuen Klimaziels blockieren.
Nach Einschätzung von Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht es bei dem Klimagesetzentwurf "weniger um neue Ziele als um neue Entscheidungsverfahren". Der Entwurf ziele auf eine Machtverschiebung von den Mitgliedsstaaten in Richtung des Europaparlaments und vor allem der EU-Kommission, meint Geden.
Würde sich die Kommission damit durchsetzen, wäre dies etwas wirklich Neues.