Fridays-for-Future-Demonstration kurz vor Beginn des Klimagipfels in Madrid: Jugendliche protestieren mit Slogans wie
Eine der vielen Protestaktionen in Madrid zur COP 25: Das Konferenzmotto "Time for Action" spornte die Kritiker an, nicht die Teilnehmer. (Foto: John Englart/​Flickr)

"Es ist Zeit zu handeln." So lautete das Motto, das über dem Madrider UN-Klimagipfel stand. Das Ergebnis der zweiwöchigen Konferenz spricht dem Hohn.

Vier Jahre sind seit der Verabschiedung des Pariser Weltklimaabkommens vergangen, das erstmals alle Staaten der Erde konkret zur Begrenzung der Erderwärmung verpflichtet. Damals sprach der französische Präsident François Hollande von der "schönsten und friedlichsten aller Revolutionen".

Doch von der Aufbruchstimmung des Jahres 2015 ist praktisch nichts übrig. Madrid war ein Desaster, auch wenn das völlige Scheitern nach der längsten Verlängerung einer solchen Konferenz bisher gerade noch verhindert werden konnte.

Die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg redete den Delegierten bei ihrem kurzen Auftritt in der vorigen Woche ins Gewissen. Am Schlimmsten sei nicht einmal die Untätigkeit beim Klimaschutz, sagte sie. Am Schlimmsten sei, dass die politisch Verantwortlichen nur so täten, als würden die ernsthaft verhandeln.

Rasender Stillstand

Wer den rasenden Stillstand auf der Konferenz beobachtete, kann ihr nur zustimmen. Den notorischen Bremsern wie den Trump-USA, Bolsonaro-Brasilien und Morrison-Australien sowie anderen Ländern mit überbordenden fossilen und anderen Eigeninteressen ist es gelungen, Blockaden aufzubauen, die kaum oder nicht zu überwinden waren.

Die Aussichten für die Umsetzung des Klimaabkommens sind nach Madrid noch schlechter, als sie es vorher waren. Der historische Paris-Vertrag, der die globale Erwärmung auf 1,5 bis zwei Grad begrenzen soll, tritt im nächsten Jahr in Kraft. Um ihn zu erfüllen, müssen die Anwendungsregeln klar sein. Doch sie komplett fertigzustellen ist in vollen vier Jahren nicht gelungen.

Das Hauptthema der diesjährigen Konferenz, die Ausgestaltung des internationalen Emissionshandels, wird sogar komplett auf die Verhandlungen im nächsten Jahr verschoben. Dabei geht es um eine zentrale Stellschraube. Denn die Industriestaaten werden nur dann ihre CO2-Ziele ambitioniert verschärfen, wenn sie zumindest einen Teil ihrer Minderungspflichten billiger durch Kauf von Emissionszertifikaten in Entwicklungsländern erfüllen können. Das steht nun auf der Kippe.

Auf die verbesserten Klimaziele aber kommt es bekanntermaßen an, wenn das Paris-Abkommen überhaupt einen Sinn haben soll. Die bisherigen CO2-Ziele der 197 Vertragsstaaten laufen bisher auf eine Erwärmung um drei bis vier Grad zu – das heißt, auf einen kaum mehr beherrschbaren Klimawandel.

In der Madrider Abschlusserklärung werden die Regierungen "ermahnt", dass sie mit dem CO2-Sparen nun endlich Ernst machen müssen und 2020 neue, schärfere Limits vorlegen sollen. Dass in Madrid darüber zwei Wochen lang gerungen wurde, wie hart oder weich die diesbezügliche Formulierung ausfallen soll, spricht Bände.

Dieser Verhandlungsprozess hat sich komplett von der Realität abgekoppelt. Die besteht einerseits aus immer dramatischeren Erkenntnissen zur Schnelligkeit, mit der der Klimawandel abläuft, vom Anstieg des Meeresspiegels bis zum Auftauen der Permafrostböden, und andererseits aus einer von der jungen Generation initiierten globalen Massenbewegung, die den Politikern ihren fahrlässigen Umgang mit dem Klima nicht mehr durchgehen lässt.

Jetzt ohne die Bremser vorangehen

Gerade nach der Erfahrung mit dem Konferenzchaos in Madrid ist man versucht zu sagen: Hört doch auf damit. Das ist richtig und falsch zugleich.

Es wäre zwar falsch, die UN-Klimaverhandlungen nach dieser neuerlichen Erfahrung des irren Tanzes auf dem Vulkan komplett aufzugeben. Sie bilden immerhin einen Rahmen, um alle Länder der Erde einzubinden und eine Plattform auch für die Interessen der armen Länder zu schaffen, die sonst viel zu wenig wahrgenommen werden.

Doch zu hoffen, dass auf diesem Weg allein das 1,5-bis-zwei-Grad-Ziel erreicht werden kann, wird vergeblich sein. Das Einstimmigkeitsprinzip, das in diesem Verhandlungsformat gilt, verhindert, dass schnell genug gehandelt wird. Hinzu kommt, dass die USA als zweitgrößter CO2-Einheizer im November 2020 aus dem Paris-Abkommen austreten wollen.

Die Blockade des internationalen Klimaschutzes kann nur durch Vorreiter aufgelöst werden, die ohne Rücksicht auf die Bremser mit einer modernen, strikt am CO2-Sparen orientierten Energie- und Verkehrspolitik, einer klimafreundlichen Landnutzung und (Wieder-)Aufforstung von Wäldern vorangehen.

Die Europäische Union hat hier mit ihrem "Green Deal"-Plan und dem Beschluss zur vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 in der vorigen Woche ein Signal gesetzt, das, gerade nach dem Madrid-Gipfel, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Nun muss es gelingen, die guten Absichten auch in konkrete Pläne umzusetzen und so möglichst auch den wichtigsten Player beim Klimaschutz, China, mitzuziehen, der durchaus das Potenzial zu einer schnellen Transformation in den genannten Feldern besitzt.

Damit das so kommt, braucht es nicht nur Politiker, die es ernst meinen mit ihren Versprechen, den kommenden Generationen einen gut bewohnbaren Planeten zu erhalten. Sondern auch weiterhin den Druck von der Klimabewegung. An Greta Thunberg wird's nicht liegen. "Was auch immer passiert: Wir werden niemals aufgeben. Wir haben gerade erst angefangen", hat sie gesagt.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz in Madrid finden Sie in unserem COP-25-Dossier.

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