Greta Thunberg hinter Rednerpult vor drei Flaggen: Chile (Verhandlungsführung), Spanien (Gipfelaustragung) und UN
Betont nüchtern und gefasst: Greta Thunberg heute auf dem Weltklimagipfel in Madrid. (Foto: UNFCCC)

Fridays-for-Future-Initiatorin Greta Thunberg hat ihre Redezeit auf dem Weltklimagipfel in Madrid genutzt, um allen Gipfelteilnehmern eine Nachhilfestunde in Sachen CO2-Budgets zu geben – also der Menge an Treibhausgasen, die höchstens noch in die Atmosphäre gelangen darf. Das habe sie zwar schon oft gemacht, aber bisher werde es ignoriert. "Also wiederhole ich mich", so die schwedische Schülerin am Mittwoch.

Dann legte sie los und zitierte aus Kapitel zwei des IPCC-Sonderberichts zum 1,5-Grad-Ziel vom vergangenen Jahr. "Wenn wir eine 67-prozentige Chance haben wollen, die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu stoppen, hatten wir am 1. Januar 2018 noch ein CO2-Budget von insgesamt 420 Gigatonnen. Natürlich ist diese Zahl jetzt viel niedriger, denn wir stoßen zurzeit ja 42 Gigatonnen Kohlendioxid im Jahr aus – auf diesem Niveau ist das Budget also in acht Jahren komplett aufgebraucht". Die 16-Jährige wies auch darauf hin, dass viele Wissenschaftler diese Zahlen mittlerweile für zu moderat halten.

Thunberg erklärte auch, was die globalen Budgets aussagen und was nicht. "Bitte beachten Sie, dass diese Zahlen global sind, also nichts über Fairness unter den Staaten aussagen, die absolut essenziell ist, wenn man das Paris-Abkommen zum Laufen bringen will", so die Aktivistin.

Ihre Auslegung des Problems: "Das bedeutet, dass reiche Länder ihren fairen Beitrag leisten müssen, indem sie ihre Emissionen auf null bringen und dann ärmeren Ländern helfen, dasselbe zu tun."

"Wie kommuniziert man das?"

Die Klimaaktivistin wies schließlich darauf hin, dass die Zahlen noch nicht berücksichtigen, dass zwischendurch Kippelemente eintreten könnten. Wenn der Permafrostboden auftaut, setzt er beispielsweise Massen des hochwirksamen Treibhausgases Methan frei – was das CO2-Budget sofort deutlich heruntersetzen würde.

Außerdem gingen viele Klimamodelle davon aus, dass künftige Generationen der Atmosphäre Treibhausgase entziehen können "mit Technologien, die es in der nötigen Größenordnung noch nicht gibt und vielleicht nie geben wird".

Große Buchstaben, grün angestrahlt:
Foto: Susanne Schwarz

Live von der COP 25

Die 25. UN-Klimakonferenz findet vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid statt. Klimareporter° ist vor Ort und berichtet direkt vom Konferenzparkett.

Wie man diese Erkenntnisse hören solle, ohne "auch nur das geringste bisschen Panik" zu bekommen – oder sie kommunizieren, ohne alarmistisch zu klingen, fragte sie in Anspielung auf einen häufigen Vorwurf ihrer Kritiker. "Ich würde das wirklich gern wissen."

Thunberg kritisierte die Praxis von Staaten, sich schon mit dem Aufstellen von Klimazielen zu schmücken. "Das sieht auf den ersten Blick beeindruckend aus", sagte sie. "Das zeigt aber keine Führung, sondern Irreführung." In den meisten der Ziele fehlten die Luftfahrt, die Schifffahrt sowie die CO2-Bilanz von importierten und exportierten Gütern.

"Die Gefahr liegt nicht im Klimaschutz – sie liegt darin, dass Staaten und Unternehmen es durch clevere PR aussehen lassen, als würden sie handeln", kritisierte die Aktivistin. Nötig sei, die fossilen Rohstoffe im Boden zu lassen.

Nach "Wie könnt ihr es wagen?"

Zu Beginn der Rede thematisierte Thunberg die übliche Reaktion auf ihre Auftritte. "Vor anderthalb Jahren habe ich nur mit Menschen gesprochen, wenn es sein musste, dann fand ich einen Grund zu sprechen", erzählte sie. Seitdem habe sie viele Reden gehalten und dabei gelernt, dass man am besten mit einer persönlichen Geschichte anfängt, um Aufmerksamkeit bei den Zuhörern zu bekommen.

Das Problem: "Sie erinnern sich nicht an die Fakten, die ja der Grund dafür sind, dass ich diese Dinge überhaupt sage". Heute habe sie sich deswegen für einen anderen Schwerpunkt entschieden.

Sie spielte damit vor allem auf ihre Rede im September zum UN-Sondergipfel in New York an. Damals hatte sie die Politik angeklagt, ihr durch die Verweigerung effektiver Klimapolitik Kindheit und Zukunft genommen zu haben ("Wie könnt ihr es wagen?").

Im Anschluss hatte die Weltpresse ausgiebig diskutiert, ob das zu emotional für den offiziellen Rahmen gewesen sei, ob der Auftritt nicht doch von einer Überforderung der 16-jährigen Thunberg zeuge, ob sie nicht übertreibe. Dabei hatte die Schwedin in der New Yorker Rede den wissenschaftlichen Fakten viel Platz eingeräumt und auch dort schon gekonnt mit Wahrscheinlichkeiten und CO2-Budgets jongliert.

Thunberg ist "Person des Jahres"

Das US-Magazin Time hat Thunberg heute zur "Person des Jahres" ernannt. Die Redaktion wählt seit 1927 immer eine Persönlichkeit aus, die die Welt in dem Jahr nach ihrer Ansicht maßgeblich geprägt hat – manchmal im Positiven, manchmal im Negativen.

"Die Klimaaktivistin Greta Thunberg hat vage Ängste um den Planeten erfolgreich in eine weltweite Bewegung verwandelt, die globale Veränderung einfordert", heißt es bei Time.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz in Madrid finden Sie in unserem COP-25-Dossier.

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