"30 bis 30", so lautet die Maxime zur Rettung von Natur und Artenvielfalt. Die Formel bedeutet: Bis 2030 sollen 30 Prozent der Landfläche und der Ozeane der Erde unter Schutz gestellt werden, um Ökosysteme und Biodiversität zu stabilisieren und so auch einen Beitrag zum Klimaschutz zu leiten.
Doch auf der Weltnaturkonferenz der UN im kanadischen Montreal, wo unter anderem über dieses Ziel verhandelt wird, ist nach einer Woche noch immer kein Durchbruch in Sicht. Am Donnerstag beginnt dort die Schlussphase, in der Ministerinnen und Minister die Gespräche übernehmen. Auf ihnen ruhen nun alle Hoffnungen.
Zur Halbzeit der Konferenz von 196 Staaten hat es nur wenige Fortschritte gegeben. So wächst die Sorge, dass das geplante Abkommen mit neuen Naturschutzvorgaben für 2030 nicht die konkreten, messbaren Ziele und einen effektiven Überwachungsmechanismus enthalten wird, der für eine Trendwende bei der Biodiversität nötig wäre.
Für die Schlussrunde sind fünf Themenblöcke vorgesehen, in denen die wichtigsten Punkte des Rahmenabkommens behandelt werden. Dabei geht es neben den Themen Ambition und Überwachung vor allem auch um die Finanzierung des Naturschutzes in den ärmeren Ländern der Erde und um das Zurückfahren der naturschädlichen Subventionen.
Letzteres erwies sich bisher in Montreal als einer der Hauptknackpunkte. Die Regierungen sind uneins, ob und wie die Finanzierung schädlicher Aktivitäten wie einer nicht nachhaltigen Landwirtschaft und Fischerei beendet werden kann.
Hier geht es um große Summen. Der Konzern-Zusammenschluss "Business for Nature" schätzt, dass die Regierungen weltweit pro Jahr rund 1,8 Billionen Dollar für die Subventionierung von Aktivitäten ausgeben, die Natur zerstören, darunter die Nutzung fossiler Brennstoffe sowie die Förderung von Agrar-Monokulturen und Überfischung.
Die EU unterstützte auf dem Gipfel einen Vorschlag, die schädlichen Subventionen bis 2025 komplett herunterzufahren und das Geld in den Naturschutz umzulenken. "Die vorhandenen Mittel müssen effizienter genutzt werden, indem allen Finanzströmen umweltfreundliche Ziele zugrunde gelegt werden und gegen schädliche Subventionen vorgegangen wird", hieß es in einer Erklärung.
"Wir brauchen ein Abkommen, das die Ursachen angeht"
Länder wie Indien und Japan haben sich aber gegen eine komplette Abschaffung der Subventionen ausgesprochen. Indiens Verhandlungsführer Vinod Matur sagte vor dem Montreal-Gipfel, die armen Landwirte in seinem Land bräuchten "sowohl soziale als auch wirtschaftliche Unterstützung". Japan wiederum drängte darauf, in dem Verhandlungstext Verweise auf Agrar- und Fischereisubventionen zu streichen.
Zu Beginn des Gipfels hatte UN-Generalsekretär António Guterres betont, die Abschaffung schädlicher Subventionen sei entscheidend. "Wir brauchen ein Abkommen, das an die Ursachen dieser Zerstörung herangeht – schädliche Subventionen, fehlgeleitete Investitionen, nicht nachhaltige Nahrungsmittelsysteme und die Konsum- und Produktionsmuster", sagte er.
Gipfelbeobachter waren sich einig: Das Subventionsthema wird in der Gipfel-Schlussrunde einer der Hauptstreitpunkte sein, ebenso wie die Frage nach einer Finanzierung der Naturschutzaufgaben und des Managements von Schutzgebieten.
Brasilien, das in Montreal eine Koalition von Ländern aus Afrika, Asien und Lateinamerika anführt, betonte, ein starkes Abkommen benötige auch eine starke finanzielle Ausstattung, und die Finanzzusagen müssten konkret beziffert werden. Es geht dabei um eine Summe von mindestens 100 Milliarden Euro jährlich, die von den Industrieländern aufgebracht werden müsste.
In der Diskussion ist ein zweistufiges Verfahren. Zunächst sollen dabei Gelder für die nächsten zwei Jahre durch Zusagen "eingesammelt" werden, danach soll eine längerfristige Strategie zum Anwachsen der Summen greifen.
Beobachter aus den Umweltverbänden zeigten sich nach der ersten Verhandlungswoche sehr enttäuscht. In den Gesprächen sei "das anfänglich hohe Ambitionsniveau für den globalen Schutz der Biodiversität Stück für Stück ausgehöhlt worden", sagte die Expertin des Naturschutzbundes Nabu, Magdalene Trapp, gegenüber Klimareporter°.
In Montreal steuere man auf einen Minimalkompromiss zu, der den Verlust der Arten und Lebensräume bis 2030 weder stoppen noch umkehren könne. Die aktuell diskutierten Regelungen blieben sogar hinter den UN-Naturschutzzielen und den 2010 vom damaligen Weltnaturgipfel beschlossenen "Aichi-Zielen" zurück.
"Damit laufen wir große Gefahr, eine Million bedrohter Arten in den nächsten Jahren zu verlieren", sagte Trapp.
Für Deutschland nimmt ab Donnerstag Bundesumweltministerin Steffi Lemke an dem Gipfel teil. Er läuft noch bis zum Montag.