Orangerot verfärberter Himmel im Südosten Australiens während der Buschfeuer 2019/2020
Die Brände färben den Himmel orangerot – wie hier im australischen Bundesstaat New South Wales im vergangenen November. (Foto/​Ausschnitt: Rob Russell/​Flickr)

"Selbstverbrennung". So hat Deutschlands bekanntester Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber das Buch betitelt, in dem er unter anderem die Bilanz von 30 Jahren nahezu wirkungsloser globaler Klimapolitik zieht. Er warnt: Das hemmungslose Verbrennen fossiler Energieträger kann langfristig in den Wärmetod der menschlichen Zivilisation führen, wenn es nicht schleunigst gestoppt wird.

Das ist starker Tobak. Doch wer das seit Monaten andauernde Feuerinferno von Australien vor Augen geführt bekommt und erleben muss, wie die Regierung von Scott Morrison darauf reagiert, fühlt sich an solche Prognosen erinnert.

Für die Menschen vor Ort ist es die Apokalypse. Flammen lodern vor orangerotem Himmel, Rauchschwaden verdunkeln den Tag, die Luft taugt kaum zum Atmen.

Tausende Australier waren und sind auf der Flucht vor den Bränden, über 10.000 Feuerwehrleute sowie nun auch Reservisten der Armee kämpfen verzweifelt gegen die Flammenwände und können doch nicht verhindern, dass ganze Gemeinden abbrennen.

Eine Fläche von der Größe der Niederlande liegt inzwischen in Schutt und Asche. Mindestens zwei Dutzend Menschen sind gestorben, über 1.400 Häuser wurden zerstört und Hunderte Millionen Tiere sind umgekommen.

Bundesstaaten haben den Notstand ausgerufen, viele Kilometer Küsten sind zu Verbotszonen für Touristen erklärt worden. Und in der Millionenmetropole Sydney wurde am Wochenende ein neuer Temperaturrekord von fast 50 Grad erreicht.

Jetzt geschieht, was Wissenschaftler vorhersagten

In Australien hat es schon immer Buschbrände gegeben. Doch so schlimm wie diesmal war es noch nie. Das muss inzwischen selbst die Regierung des Konservativen Scott Morrison zugeben, in der Klimaskeptiker wichtige Posten besetzen.

Wie wenig ernst der Premier die Katastrophe nahm, demonstrierte er durch seinen zuerst geheim gehaltenen Urlaubstrip nach Hawaii kurz vor Weihnachten, als die Lage in den Brandregionen eskalierte. Den brach er dann zwar ab, entschuldigte sich auch öffentlich.

Doch Morrison machte auch klar: Seine Regierung wird an ihrer Klimapolitik nichts ändern.

Das ist Wahnsinn. In den Brandregionen im Südosten und Süden des Landes geschieht genau das, was Wissenschaftler seit Langem vorhersagen.

Australien ist das Industrieland, das am heftigsten unter den Klimaveränderungen leidet. In den Feuergebieten haben extreme, langjährige Dürren und steigende Temperaturen den Boden für die aktuelle Katastrophe gelegt. Das wirkt, zusammen mit starken Winden, wie ein Brandbeschleuniger.

Andererseits verzeichnet Australien vermehrt sintflutartige Regenfälle und Überschwemmungen. Hart getroffen wird auch das Weltnaturerbe des Great Barrier Reef, das wegen steigender Meerestemperaturen zugrunde zu gehen droht.

Australien will Kohleexporteur Nummer eins bleiben

Das alles beeindruckt Morrison offenbar nicht, der sogar schon mit einem Brocken Kohle im Parlament erschienen ist, um für das "schwarze Gold" des Kohlelandes Australien zu werben. Der Einfluss der fossilen Lobby auf die Regierung beim weltgrößten Kohleexporteur ist ungebrochen. Es geht um Milliardenumsätze und Zehntausende Jobs.

Die sollen unter keinen Umständen gefährdet werden, obwohl eine forcierte Umstellung auf Solar- und Windenergie gerade im sonnen- und windreichen Australien mehr Arbeitsplätze bringen würde, als in den fossilen Industrien wegfallen würden.

Die alte Linie gilt weiter, obwohl Australien beim Pro-Kopf-Ausstoß weltweit einen der unrühmlichen Spitzenplätze einnimmt und mit seinen nur 25 Millionen Einwohnern laut einer Studie allein für rund fünf Prozent der globalen CO2-Frachten verantwortlich ist, wenn man die Exporte von Kohle und Erdgas mitrechnet.

Jüngst erst ist im Bundesstaat Queensland die weltgrößte Kohlegrube neu eröffnet worden, die noch Jahrzehnte laufen soll.

Das Ziel ist klar: Australien will die globale Nummer eins unter den Kohleexport-Ländern bleiben. Wenn dabei ein Teil des Landes abgefackelt wird – so what?

Andere Generationen seien ebenfalls mit "Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Bränden, globalen Konflikten, Krankheiten und Dürre" fertig geworden, befand Morrison in seiner Neujahrsansprache. "Das ist der Geist der Australier." Den Zusammenhang der Feuerstürme mit dem Klimawandel erwähnte er nicht.

Wann schlägt die Stimmung um?

Die Frage ist, wie lange die Regierung in Canberra diese Strategie des Wegduckens noch durchhalten kann. Zu Deutsch: wie viel von Australien noch abbrennen muss, bis Morrison und Co zur Vernunft kommen.

Bereits bei der Parlamentswahl im letzten Jahr hatte das Thema Klimawandel eine wichtige Rolle gespielt. Morrison gewann nur knapp – dank der Unterstützung durch den klimaskeptischen Medienmogul Rupert Murdoch, der zwei Drittel der australischen Medien kontrolliert.

Inzwischen, nach Monaten im Feuersturm, spricht sich eine deutliche Mehrheit der Bürger für mehr Klimaschutz aus. Diese Mehrheit wird man nicht dauerhaft als "Verrückte aus den Innenstädten" abkanzeln können, wie es Vizepremier McCormack tat.

Eng wird es für Morrison werden, wenn die skeptische Haltung gegenüber dem Klimawandel, die bisher besonders in der ländlichen Bevölkerung und unter den Arbeitern in der Rohstoffindustrie verbreitet war, schwindet – was mit jedem Tag der Katastrophe wahrscheinlicher wird.

Und dann wird hoffentlich der Weg frei für ein klimafreundliches Australien.

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