Blick auf führende Vertreter des Bonner Klimagipfels, darunter Umweltministerin Hendricks
In den Bonner Verhandlungsgängen unterwegs (von links): Der letztjährige marokkanische COP-Präsident Salaheddine Mezouar, der COP-23-Präsident und Premier von Fidschi Voreqe Bainimarama, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und die Chefin des UN-Klimasekretariats Patricia Espinosa. (Foto: Sascha Hilgers/​BMUB)

Die Bonner Klimakonferenz COP 23 war kein Gipfel großer Ankündigungen. Den Differenzen zu Beginn ist eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre gewichen: Kein Land außer den USA stellt das Pariser Klimaabkommen infrage; es geht einzig um die Umsetzung und die "Gebrauchsanleitung". Nach den zwei Verhandlungswochen liegen nun das erste Mal überhaupt Texte zu allen Kapiteln dieses Regelwerks vor.

Was im Klimaabkommen allgemein formuliert ist, versuchten die Vertragsstaaten nun in konkrete Anweisungen zu fassen. Es geht etwa darum, welche Informationen die Staaten wann und wo einreichen müssen. Das hört sich banal an, kann aber entscheidend sein und birgt mitunter ein entsprechend hohes Konfliktpotenzial.

Streit gab auch dieses Mal – wie auf jeder Klimakonferenz – über die Klimahilfen. Die Industrieländer haben sich verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für arme Länder bereitzustellen. Am 12. Dezember will der französische Präsident Emmanuel Macron in Paris einen außerplanmäßigen Gipfel zur Finanzierung organisieren. Viele Umweltverbände und Vertreter des Südens sind jedoch skeptisch. Sie befürchten, dass die Staaten sich durch die Einbindung von privatem Kapital aus der Affäre ziehen wollen.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse des Gipfels:

"Talanoa-Dialog"

Mittlerweile herrscht Konsens, dass die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf null heruntergefahren werden müssen, wenn die Klimaerwärmung wie vereinbart auf "deutlich unter zwei Grad" oder sogar 1,5 Grad begrenzt werden soll. Konsens ist auch, dass die bestehenden Klimaziele der Länder dafür nicht ausreichen.

Wie groß die Lücke ist, wird im kommenden Jahr eruiert – in einem Prozess mit dem Namen "Talanoa-Dialog". Der Chef des weltweiten zivilgesellschaftlichen Klimanetzwerks CAN, Wael Hmaidan, ist zuversichtlich, dass die Länder anschließend ihre Selbstverpflichtungen nachschärfen: "Sie werden verstehen, dass ihre Klimapläne von der Wirtschaft überholt wurden." 

In Bonn wurde beschlossen, wie der Talanoa-Dialog im Detail ablaufen wird. Unklar war zuletzt aber, ob die Vertragsstaaten das von Fidschi vorgeschlagene neue Dialogformat nur zur Kenntnis nehmen oder sich zu eigen machen.

Das Regelwerk – unübersichtlich und sehr technisch

Damit die Länder ihre Klimapläne aktualisieren und an die neuen Gegebenheiten anpassen können, brauchen sie die "Gebrauchsanleitung" für das Paris-Abkommen. Diese soll nächstes Jahr verabschiedet werden. Zu allen Kapiteln dieses Regelwerks gibt es nun Textsammlungen, die die Vorschläge der Länder vereinen.

Die Arbeitsgruppen haben allerdings unterschiedliche Fortschritte bei der Bereinigung dieser Ideensammlungen gemacht: So hat das Kapitel zu den nationalen Klimaplänen 180 Seiten und ist unübersichtlich, während beim Kapitel zur Emissionsbuchhaltung ein handhabbares 45-Seiten-Dokument vorliegt.

Diese Unterschiede liegen auch daran, dass einige Entwicklungsländer versuchen, die Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer aufrechtzuerhalten. Noch haben sich nicht alle damit abgefunden, dass das Paris-Abkommen – anders als sein Vorgängervertrag, das Kyoto-Protokoll – alle Länder zum Klimaschutz verpflichtet.

Taktischer Streit über Pläne für Klimageld

In Artikel 9.5 des Paris-Vertrags zur sogenannten Ex-ante-Finanztransparenz verpflichten sich die Industriestaaten, über den Stand der öffentlichen Hilfszahlungen an ärmere Länder zu berichten. Die Gruppe der G77-Staaten, darunter die ärmsten afrikanischen Länder, fordert verbindliche Finanzzusagen für die nächsten Jahre. Das lehnen so gut wie alle reichen Länder ab.

Die Entwicklungsländer drohten sogar, die Konferenz scheitern zu lassen, wenn die Industriestaaten keine langfristigen Pläne vorlegen, die zeigen, wie sich ihre Klimahilfen entwickeln werden. Umgekehrt wollten die Industriestaaten verhindern, dass darüber verhandelt wird. Der Verhandlungsleiter der deutschen Delegation Karsten Sach sagte dazu: "Das stößt bei den Geberländern an die Grenzen des Haushaltsrechts" – weil sie sich nicht für viele Jahre im Voraus verpflichten könnten.

Das war allerdings nicht der einzige Grund. Letztlich ging es hier auch um Verhandlungstaktik. Die Entwicklungsländer wollten hier einen neuen "Verhandlungsraum" öffnen, in dem sie Druck auf die Industriestaaten ausüben können. Diese wiederum versuchten das zu verhindern. Der Ausgang war bis zuletzt offen: "Hier rasen zwei Autos aufeinander zu und wer zuerst ausweicht, hat verloren", sagte ein europäischer Diplomat im Hinblick auf diese Finanzfrage.

Die USA und das Klimageld

Die dritte, bis zuletzt offene Finanzfrage betraf schließlich den Grünen Klimafonds GCF und die Globale Umweltfazilität GEF. Die Klimakonferenz muss Richtlinien verabschieden, wie diese beiden Fonds das ihnen anvertraute Geld nutzen sollen. Wegen der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, keinerlei Klimahilfen mehr zu leisten, sah sich hier die US-Delegation in einer kniffligen Lage. Beim GCF versuchte sie zu verhindern, dass die Wiederbefüllung des Fonds beschlossen wird. Da die USA noch immer Teil des Paris-Abkommens sind, könnte für sie sonst eine – zumindest moralische – Pflicht entstehen, sich an der Auffüllung zu beteiligen.

Die GEF hingegen dient nicht nur der Klimafinanzierung, sondern ist auch das Finanzierungsvehikel für viele andere UN-Umweltabkommen wie die Biodiversitätskonvention oder das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht. Der US-Beitrag zum GEF ist daher auch in der Trump-Regierung unumstritten. Die US-Delegation wollte in Bonn jedoch verhindern, dass in den Richtlinien für den GEF festgehalten wird, wie viel dieser für Klimaprojekte ausgibt.

Die meisten Länder wollten hier beschließen, dass der GEF gleich viel Geld wie bislang fürs Klima bereitstellt. Die US-Delegation wollte hingegen, dass dazu nichts in den Richtlinien steht. Wie der Streit ausgehen würde, war bis Redaktionsschluss noch nicht absehbar.

Immer noch heimatlos: Der Anpassungsfonds

Im Rahmen des Kyoto-Protokolls ist ein "Anpassungsfonds" geschaffen worden, der armen Ländern bei der Vorbereitung auf höhere Temperaturen und deren Folgen helfen soll. Er muss unter das Dach des Paris-Abkommens "umgesiedelt" werden, damit er nicht zusammen mit dem Kyoto-Protokoll verfällt. Dieser "Umzug" ist eigentlich unstrittig. Die Entwicklungsländer forderten jedoch, dass dies bereits auf der Bonner Konferenz beschlossen wird, während die Industriestaaten dies erst nächstes Jahr nach einer Aktualisierung der Regeln für den Fonds beschließen wollten.

Hier zeichnete sich gegen Ende der Konferenz ein Kompromiss ab, der allerdings nur Völkerrechtlern sofort verständlich ist: In Bonn beschließt die Vertragsparteienkonferenz des Kyoto-Protokolls den Umzug. Anschließend werden die Regeln aktualisiert und dann beschließt nächstes Jahr die Vertragsparteienkonferenz des Paris-Abkommens ebenfalls den Umzug. Um Druck aus der Sache zu nehmen, hat Deutschland in Bonn nochmals 50 Millionen Euro zur Aufstockung des Anpassungsfonds zugesagt. 

"Kyoto II": Fast schon obsolet, aber noch nicht in Kraft

Bis zum Jahr 2020 ist der Schutz des Klimas allein die Aufgabe der Industriestaaten: Dann läuft die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls ("Kyoto II") aus. Die Entwicklungsländer hatten in Bonn daher zwei Forderungen: Zum einen sollten die Industriestaaten Kyoto II ratifizieren und zum anderen sollte geprüft werden, ob sie die Verpflichtungen aus dem Vertrag auch einhalten.

In beiden Punkten gab es Fortschritte: Deutschland und die meisten EU-Staaten haben Kyoto II nun ratifiziert und es wird erwartet, dass die EU dies auch bald tun wird. Mittlerweile steht nur noch die Zustimmung Polens aus. Ironischerweise wird Kyoto II damit aber noch nicht in Kraft treten, weil zu viele Entwicklungsländer das Abkommen noch nicht ratifiziert haben.

Klimaschutz der Industriestaaten vor 2020

Außerdem wird die Einhaltung der Klimaziele der Industriestaaten überprüft. In den Jahren 2018 und 2019 soll dazu jeweils eine "Bestandsaufnahme" durchgeführt werden. Dabei wird die EU als Ganzes betrachtet und Deutschland braucht sich daher nicht zu sorgen, wegen der Verfehlung seines Klimaziels für 2020 an den Pranger gestellt zu werden. Die EU hat ihr 2020er Ziel einer Reduktion der Emissionen um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 bereits erfüllt und hofft, bis 2020 auf minus 26 Prozent zu kommen.

Ursprünglich hatten die Europäer allerdings ein zweites, bedingtes Ziel: Falls sich die Staaten der Welt auf einen Klimavertrag einigen, wollte die EU ihre Emissionen um 30 Prozent senken. Mit dem Paris-Abkommen ist diese Bedingung erfüllt – angehoben wurde das EU-Ziel jedoch nicht.

Klimaziele für 2030 und 2050

Bisher haben sich rund 170 Vertragsstaaten des Paris-Abkommens dazu verpflichtet, ihre klimaschädlichen Emissionen herunterzufahren. Die Pläne reichen aber nur bis 2025 oder 2030. Neben Deutschland haben nur sechs Staaten, darunter Mexiko und Kanada, auch langfristige Strategien bis 2050 beim UN-Klimasekretariat eingereicht.

Ein gutes Zeichen ist, dass nicht nur Industrieländer, sondern auch arme Länder ehrgeizige Pläne vorlegen und über 2030 hinausdenken. Das Climate Vulnerable Forum, das 48 der weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder vereint, hatte bereits vor einem Jahr auf der COP 22 in Marrakesch angekündigt, so bald wie möglich, spätestens aber bis 2050, auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzusteigen.

Schäden und Verluste 

Auch wenn es noch möglich ist, den Klimawandel zu begrenzen, lässt er sich nicht komplett rückgängig machen – deshalb diskutieren die Staaten darüber, wie mit den Schäden und Verlusten umzugehen ist, die sich nicht mehr vermeiden lassen oder die sogar schon eingetreten sind. Auf der COP 19 in der polnischen Hauptstadt hatten die Staaten vor vier Jahren den "Warschau-Mechanismus" beschlossen, jetzt haben sie dazu einen weiteren Arbeitsplan verabschiedet.

Eines enthält der Plan jedoch ausdrücklich nicht: eine Antwort auf die Frage, ob die Industrieländer den Entwicklungsländern explizit für die Schäden und Verluste Geld geben sollen. Von einer "herben Enttäuschung" spricht deshalb Sabine Minninger, Klimaexpertin bei der Entwicklungsorganisation Brot für die Welt. "Es ist eine klimapolitische Bankrotterklärung, dass die kleinen Inselstaaten mit leeren Händen nach Hause fahren."

Klimaversicherung als Trostpflaster

Die in Bonn vorgestellte neue Initiative zur Klimarisikoversicherung ("Globale Partnerschaft für Klima- und Katastrophenversicherungen und Risikofinanzierung") soll helfen, Versicherungsmodelle zu stärken oder überhaupt zu entwickeln, mit denen sich arme Menschen oder ganze Staaten vor dem Existenzverlust im Falle eines Extremwetterereignisses schützen können. 

Auch Deutschland beteiligt sich an der Initiative und hat angekündigt, dafür 125 Millionen US-Dollar auf den Tisch zu legen. Neben verschiedenen Staaten unterstützen auch die Weltbank sowie private Versicherer wie die Münchener Rück die Initiative.

Entwicklungsorganisationen begrüßen die Initiative, halten Versicherungen aber für nicht ausreichend. Risiken wie der Meeresspiegelanstieg würden damit nicht abgedeckt. Vor allem könnten die Industrieländer mit dem Verweis auf die Versicherungen den Entwicklungsländern an anderer Stelle die Unterstützung versagen. Dies sei in den Verhandlungen um Finanzen bereits geschehen, sagte Jan Kowalzig von Oxfam.

Arbeitsprogramm für die Landwirtschaft

Zur Stärkung der Landwirtschaft einigten sich Industrie- und Entwicklungsländer nach jahrelangen, ergebnislosen Verhandlungen auf ein Arbeitsprogramm für die nächsten drei Jahre. Darauf aufbauend sollen im Jahr 2020 konkrete Maßnahmen beschlossen werden. Es geht um Ernährungssicherheit, Bodenfruchtbarkeit, Anpassung an den Klimawandel und andere Aspekte einer nachhaltigen Landbewirtschaftung.

90 Prozent der Länder haben in ihren Klimaplänen schon Maßnahmen zur Agrarwirtschaft vorgesehen. Nach Angaben von Tony Rawe von der Entwicklungsorganisation Care zielen die Vorhaben in erster Linie auf die Interessen von Kleinbauern und Frauen ab.

Frauenrechte formell stärker

In der Präambel des Paris-Abkommens haben die Staaten versprochen, die Rechte von Frauen zu stärken. Was dazugehört, steht dort allerdings nicht. Nun haben die Staaten in Bonn einen Gender-Aktionsplan nachgereicht. Er listet Aktivitäten für die kommenden zwei Jahre auf, darunter die Erhöhung des Frauenanteils in den Gremien der Klimarahmenkonvention und Workshops für Politiker und Unterhändler. Aus der Formalität muss allerdings noch Realität werden. Eines könnte dabei Probleme bereiten: Die Finanzierung des Plans erfolgt auf freiwilliger Basis.

Indigene Rechte gestärkt, aber nicht gesichert

Ein Fortschritt ist auch die Entscheidung, die Rolle der indigenen Völker im UN-Klimaprozess zu stärken. Auf einer Plattform soll das Wissen von indigenen Völkern zum Umweltschutz gesammelt werden. Die Vertragsparteien verpflichteten sich in einer Resolution, beim Klimaschutz die Rechte indigener Völker zu achten. So gerieten in der Vergangenheit viele Indigene unter Druck, wenn beispielsweise Wälder zu Schutzgebieten erklärt wurden.

Nichtregierungsorganisationen wie Friends of the Earth sind jedoch skeptisch, dass die Vereinbarung wirklich Vertreibungen von indigenen Gemeinschaften und andere Menschenrechtsverletzungen verhindert. 

Neue Allianz für globalen Kohleausstieg

In Bonn haben 20 Länder einen Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 oder früher angekündigt, darunter Großbritannien, Frankreich, Italien und die Niederlande sowie Kanada und Mexiko. "Noch vor wenigen Jahren haben wir 40 Prozent unseres Stroms aus Kohle gewonnen, jetzt sind es nur noch zwei Prozent – der Wirtschaft hat das nicht geschadet", sagte die britische Energieministerin Claire Perry.

Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Vertagte Klima-Revolution

Alle Beiträge zur Klimakonferenz COP 23  finden Sie in unserem Fidschi-Bonn-Dossier

Michael Liebreich vom Thinktank Bloomberg New Energy Finance (BNEF) sieht das genauso: "Vor zehn Jahren hat man über den Kohleausstieg sehr theoretisch diskutiert", so der Londoner Energieexperte. Damals sei der Markt ein anderer gewesen. "Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem es keinen Grund gibt, nicht aus der Kohle auszusteigen."

Ausblick auf die COP 24

Die COP 24 findet nächstes Jahr im Dezember im polnischen Katowice statt. Die Energieversorgung in Polen kommt zu 80 Prozent aus der Kohleverbrennung. Laut Medienberichten importiert der staatliche Kohlekonzern Węglokoks jetzt sogar Kohle aus den USA. Noch im Sommer hatte US-Präsident Trump den Polen versichert, dass sie sich in Sachen Kohle jederzeit an ihn wenden könnten.

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